Du meines Geistes Brut, verfluchte "Monumente",
Du garstiges Geschmier, du Teufelspoesie,
Du widerliches Stück verruchter Infamie
Zerstückelt durch den Zorn in tausend Elemente.

Nicht schert euch Mitgefühl, nicht Schmerz und Leid der Erde
Betrunken von Begier, in stolzer Arroganz,
Erschüttert ihr die Seel, doch fordert ihr den Kranz
Auf dass euch Lob und Preis für Trug und Torheit werde.

So geht mir aus der Sicht, gescheiterte Gebilde!
Jetzt gilt nicht sanfter Trost, nicht schonungsvolle Milde,
Jetzt steht ihr, angeklagt, vorm obersten Gericht.

Entschuldbar ist nicht mehr, was ich mit euch geschaffen.
Nun wird kapituliert. Nun strecke ich die Waffen
Und schreibe nimmermehr ein einziges Gedicht.

2014


© Marina Garanin


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Beschreibung des Autors zu "Das Schmähsonett (oder so - ich habe noch keinen richtigen Titel)"

Achtung, dies ist ein ernstes Gedicht. Es ist aus dem ernsten Zyklus "Der Schaden der Kunst". Das Gedicht ist im für den Barock typischen Alexandriner geschrieben.
Inwiefern - und das ist eine Interpretationsfrage, falls jemand Lust auf interpretieren hat - kann man dieses Gedicht a) formal und b) inhaltlich mit der Gattung des Barock in Verbindung bringen? (Wuahaha, ist mir gerade so beim Schreiben eingefallen)

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Kommentare zu "Das Schmähsonett (oder so - ich habe noch keinen richtigen Titel)"

Re: Das Schmähsonett (oder so - ich habe noch keinen richtigen Titel)

Autor: Homo_Ingenuus   Datum: 29.03.2016 16:43 Uhr

Kommentar: Mir gefällt deine Ausdrucksweise außerordentlich, denn sie hebt sich ab. Vorallem lassen deine Zeilen einen weiten Wortschatz erkennen :) (bei Latein, Griechisch, Italienisch kein Wunder)

Also, nun zur erbetenen Interpretation (musste mich ersteinmal einlesen :D, aber immer wieder interessant, und so lernt man stetig dazu)
a) formal: also wie ich las, war der Alexandriner vorherrschende Vers-/Dichtungsform im Barocken Zeitalter, und kam von Frankreich nach Deutschland. Eignet sich so ziemlich für die Darstellung von Paradoxien oder Antithesen... (ich sollte mich ebenfalls mal an den Alexandriner wagen hehe)

b) Das 17.Jahrhundert war eine Zeit der Irren und Wirren, des geistigen Widerspruchs und der seelischen Spaltung.
Vers 1: die eigenen Dichtungen werden im Nachhinein, nachdem der "Schaden" offenbar, verteufelt und der Dichter wendet sich davon ab. Am liebsten wäre, das Werk in seine Einzelteile aufzulösen. Wobei noch nicht ersichtlich ist, was der eigentliche Inhalt war, bzw. was die Konsequenz des niedergeschriebenen war...

Vers 2: Es wird eher denkbar, daß der Inhalt der infamen Gedichte nicht "infam" = kirchliches Verständnis (also Liebe und Lust = böse!), sondern wirklich kritisches beinhaltete. Denn "Mitgefühl", "Schmerz" und "Leid" würden ihnen egal sein.
Doch irgendwie verurteilt sich der Mensch hinter den Versen selbst, denn scheinbar waren die Zeilen arroganter Lug und Trug...

Vers 3: Das "oberste Gericht" meine ich, sei der Dichter/die Dichterin selbst, der/die seine/ihre Werke aufs schärfste verurteilt und verwerfen kann.

Vers 4: letztlich kommt hier der Widerspruch zu Tage. Das Gedicht verbleibt, kann nicht rückgängig gemacht werden, der sprichwörtliche Krug ist unlängst gebrochen, das Wasser also verschüttet. Die einzige Konsequenz: der Dichter wird fortan schweigen, kein Werk mehr zu Papier bringen....

Nimmt man also den Barock als Widersprüchliche Epoche voller Paradoxien und Umwälzungen, so schlägt dies in den Werken der Literaten ebenfalls alles aus den Fugen....

:) so oder so in etwa

gern gelesen, gefällt mir sehr gut!

Re: Das Schmähsonett (oder so - ich habe noch keinen richtigen Titel)

Autor: Marina Garanin   Datum: 11.04.2016 1:27 Uhr

Kommentar: Hallo! :) Oh, wie schön, eine Interpretation zu meinem Gedicht! Freut mich erstmal, dass es dir gefällt! Und du hast - wie es sicherlich häufig bei Gedichten vorkommt - mehr reingelesen, als ich tatsächlich im Sinn hatte; das freut mich!
Den Bedeutung von "Infamie" hast du korrekt benannt! Um Antithesen habe ich mich in der Tat bemüht.. an den Paradoxien müsste ich noch arbeiten, aber das in einem anderen Gedicht - das "Schmähsonett" steht! ;) "Das oberste Gericht" ist ein dunkler Ausdruck. Es kann sich natürlich um den Dichter selbst handeln, oder um eine andere Person, die seine Gedichte gelesen und ihn aufgrund dieser Gedichte verdammt hat - man denke nur an Ovid, der von Kaiser Augustus ins Exil geschickt wurde; ein möglicher Grund dafür ist seine Dichtung (darüber schreibt er ausführlich in seiner Exilliteratur und ich bin darin von ihm - meinem Freund! - inspiriert).

Meine einfache Interpretation wäre: Dadurch, dass das Gedicht überhaupt im Alexandriner verfasst ist, lässt es auf die Gattung des Barock schließen. Einerseits ist für den Barock das Motiv der Vergänglichkeit zentral - im oben beschriebenen Fall die Vergänglichkeit der Dichtung im weitesten Sinne (bzw. hier die nachträgliche Verfluchung der Dichtung). Ferner mutet das Gedicht durch die ganzen Ausdrücke des Zorns "affektiert" bzw. manieristisch an. Manierismus (das "Über-Klassische", das Übertriebene) ist - und hier kommt das "andererseits" - ein Merkmal des Barock (vereinfacht formuliert), vgl. E.R.Curtius, Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter.
Man kann sich fragen, ob das Gedicht ernst zu nehmen ist oder der Zorn auf die eigene Dichtung "ein wenig das Gebiet der Komik streift" (um es mit Loriot auszudrücken :D )

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