Seit Wochen künden Plakate schon an,
den Auftritt des Lieblings der Massen,
wohlfreudig strömen die Menschen heran,
dies große Ereignis nicht zu verpassen.
Die Bühne liegt hinter sicherer Wehr,
ein Zugang allein ist gegeben.
Durch einen Hohlweg drängt der Verkehr,
von hohen Mauern umgeben.

Die Sonne versinkt in flammender Glut,
sich Schatten in ihr schon vermengen,
es strömen die Menschen in wogender Flut,
vergessen des Tages leidvolles Drängen.
Der Zuhörerstrom fließt unendlich daher,
ein Rufen erschallt: „So macht schon voran!“
Dahinter drängen immer noch mehr,
doch kommt das Rufen vorne nicht an.

Wer konnte es ahnen, dass so viele gewillt,
den Auftritt nicht zu verpassen?
Der Eingang so schmal, der Festplatz gefüllt
und immer noch drängen die Massen.
Nun halten die Schritte, verharren beengt
im Hohlweg, dem düsteren Kerker,
die Wände werden von Menschen bedrängt,
die Rufe werden auch stärker.

Vorn am Zaun steht das Wachpersonal,
dass wenige auf den Festplatz gelangen.
Erhöht diese Pein, verdoppelt die Qual,
die Besucher sind in dem Tunnel gefangen.
Ein Schrei ertönt: „So lasst mich hinaus!“
Und die Körper schieben eng aneinander
Panik bricht in der Masse nun aus,
der Hohlweg zieht zu wie ein Expander.

Alles drängt vor, dorthin wo kein Platz,
trottet zusammen wie Schafe zum Schlachten,
sucht fiebernd nach der Weite Ersatz,
des Hohlwegs Gewalt zu entmachten.
Da reißt aus der Masse ein Arm sich empor:
„Kommt schnell, hier zur Feuerleiter!“
Ein Hüne von Kerl stößt dies lauthals hervor:
„Im Tunnel hier geht es nicht weiter!“

Er weist nun den Weg, drängt sich durch die Masse,
und hebt eine Frau die Sprosse hinauf,
dass er sich den Weg nicht versperren lasse,
und sie entrinnen dem drängelnden Lauf.
„So kommt! ´s Rettung!“ ruft er nun entschlossen,
„hier ist der Weg aus dieser Gefahr!“
Und flugs ist er von den Besuchern umflossen,
die Rettung scheint ihnen schon nah.

Von Ferne erscheint der Band Konterfei,
und schnell hebt der Hüne einen Jungen hinan,
der Jubel verschluckt des Tunnels Geschrei
dass niemand von ihnen bemerkt werden kann.
„Nun ich, nun ich!“ strecken sich Hände entgegen,
fast berühren sie des Hünen Gesicht,
als sprächen sie dem Retter den Segen
der Mann packt zu, hebt sie empor in das Licht.

Doch weiter drängt der Masse wogende Welle,
das kaum noch Atem zu erringen gelingt,
immer dichter wird es in des Tunnels Stelle,
vom Festplatz das Jubeln zu ihnen dringt.
Der Hüne wird schwächer, fast schwankt schon sein Schritt,
doch weiter hebt er die Menschen empor.
Er spürt schon der Masse gierigen Tritt
sie schreien und kreischen im panischen Chor.

Da sinkt der Hüne hinab auf die Knie
und über ihn schwappt die Masse zusammen,
die Kraft verschwunden, die er ihnen lieh
die so gerne zu diesem Festtag gegangen.
Das Tor am Eingang schwingt endlich nun auf,
und Retter drängen durch die Leute,
sie ziehen die Opfer im eiligen Lauf,
aus dem Pulk der gierigen Meute.

Und als der Tunnel dann endlich geleert,
nun einer am Boden, er regt sich nicht mehr
fast alle der Gäste sind unversehrt,
doch seine Augen blicken nun leer.
Der Hüne, so reglos liegt er darnieder,
und schnell macht die Nachricht die Runde.
der Mund halb geöffnet, verrenkt seine Glieder,
ist tot, der Retter in dunkelster Stunde.


© Mark Gosdek


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Kommentare zu "Der Hüne"

Re: Der Hüne

Autor: axel c. englert   Datum: 28.10.2014 9:59 Uhr

Kommentar: Lieber Mark!

Balladen schreiben – ist nicht leicht…
Hier aber perfekt erreicht!
Modern’ Gewand und Love Parade:
Neu - doch klassische Ballade!

LG Axel

Re: Der Hüne

Autor: Mark Gosdek   Datum: 28.10.2014 10:11 Uhr

Kommentar: Danke schön Axel. Sie gefällt mir auch ganz gut. LG Mark

Re: Der Hüne

Autor: possum   Datum: 28.10.2014 11:00 Uhr

Kommentar: Lieber Mark gerne bin ich in diese Ballade eingetaucht! LG!

Re: Der Hüne

Autor: Uwe   Datum: 28.10.2014 11:04 Uhr

Kommentar: Dank an John Maynard und Fontane,
Dank an solche Hünen und Mark Gosdek.

Re: Der Hüne

Autor: Mark Gosdek   Datum: 28.10.2014 11:37 Uhr

Kommentar: Danke euch beiden. Leider ist der Hüne nicht bis zum Eriesee gekommen, auch wenn er eine Schwalbe wohl hätte gebrauchen können. LG Mark

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