„I’m pretty cool but I cry a lot“ steht auf meinem T-Shirt. Da hab‘ ich es doch tatsächlich geschafft mich selbst zu labeln. Erfolg! Hurra, hurra. Ein weiterer Schritt zur Selbsterkenntnis, auch wenn der ziemlich klein ist, da doch ziemlich offensichtlich: Sitz ich doch mit dem Rücken an der Heizung und weine.

So geht es mir oft in den letzten Monaten. Weinen wurde erst zur Notwendigkeit um mal Frust und Stress rauszulassen. Einfach mal das Ventil öffnen, alles hinausströmen lassen. Aber mittlerweile fühle ich mich wie ein selbstmitleidiger Luftballon, aus dem die meiste Luft schon raus ist. Was bleibt ist jämmerliches Gefurze.

Trotzdem zieh ich es durch. Ich habe mich dran gewöhnt. Es wurde mein Hobby, hat all meine Freunde vergrault, denn irgendwann hat wirklich auch der Letzte keine Lust mehr auf meine Dauerrotzfahne und die reingeschwollenen Augen. Ich zelebriere es auf dem Bett zu liegen und traurige Filme oder Serien zu sehen. Morrissey darf endlich wieder dauerhaft in mein Ohr jammern und die besten Memes, bin ja Millennial, sind die von grumpy cat, weil die ja auch keinen Spaß am Leben hat.

Boohoo, look at me I‘m so sad.

Seltsamerweise habe ich wohl für einen Monat mein Geweine stoppen können und getindert. Siehe da, hab sogar ein paar Dates gehabt, weil so ganz alleine ist es halt auch scheiße, und habe jetzt einen Freund. Nicht nur einen Freund. Ich habe den Freund, den ich immer wollte. Den, der das weinen in mir ausgelöst hat, weil ich statt mit IHM 3 Jahre meiner wertvollen Jugend mit dem Falschen verbracht habe.

Nun habe ich also den perfekten Mann, lustig, intelligent, gutaussehend, der mir sagt, dass er mich liebt, mich mit Geschenken überhäuft, mit mir streiten und sich versöhnen kann. Er hetzt sogar sonntags in die Apotheke, wenn mir kotzübel ist, nur um mir stolz eine Tüte voller Anti-Brechmittel zu reichen mit den Worten: „Die Polizei hat mich kontrolliert. Die hielten mich für einen Attentäter, weil ich mit dem Auto zu Apotheke gefahren bin und vergessen habe, dass da ja Weihnachtsmarkt ist. Aber hier sind die Tabletten und wenn du die wieder rauskotzt, keine Angst, ich hab‘ auch Zäpfchen besorgt“.

Selbstverständlich fange ich an zu weinen. Nicht vor Glückseligkeit. Nein, wär‘ ja viel zu einfach oder zu rational. Ich weine, weil ich mich so schön daran gewöhnt habe immer traurig zu sein, wie der singende, fette See-Elefant bei Urmel.“Sag mör was soll es bedeuten, dass öch so traurög bön?“ Und wenn ich keinen Grund finde, den gibt’s ja wirklich nicht zu oft, dann bastele ich mir schnell welche zurecht.

Allein der Gedanke an meine Unsicherheiten, Ängste und Traurigkeit bringen mich dazu permanent gedanklich Karussell zu fahren. Ein Kreislauf aus Worst-case-szenarien und immer dunkleren, traurigeren Vorstellungen beginnt und hört nicht auf. Ich grüble darüber, wann das anfing, was hat mich so verkorkst? Fehlt mir das Urvertrauen, weil ich als Baby im Brutkasten lag? Bestimmt! Meine Kindheit als Mobbingopfer? Wahrscheinlich! Der Verlust von lieben Menschen und Verwandten? Natürlich! Meine fiesen Lehrer und der Schulwechsel meiner Freundinnen? Auf jeden Fall! Meine Locken, meine Monobraue und mein schlechtes Bindegewebe? JAAAAA!!!Und vielleicht sind auch die Sterne schuld, weil ich Sternzeichen Fische bin und mein Aszendent Löwe ist. Zwar habe ich nicht den blassesten Schimmer, was genau das heißt, aber wenn man das googlet, klingt es nach einem dramatischen Konflikt.

Manchmal weine ich stundenlang, fühle mich angegriffen und bedroht in den unsinnigsten Situationen. Versuche mich zu isolieren und mein kleines, zerbrechliches wimmerndes Seelenkonstrukt zu beschützen, als wäre es mein Baby.
Gerade eben habe ich mit meiner Mama telefoniert. Und ihr zum ersten Mal nach 11 Monaten depressiver Verstimmung gesagt, wie ich so denke und vor allem fühle. Keine schlechte Idee, zwar ein bisschen spät, aber doch hilfreich. „Wir alle machen immer irgendwas durch. Diese Depriphasen gibt’s nun mal. Und du hattest das schon immer. Aber die gingen wieder weg, wenn man dich ablenkt. Geh raus, geh laufen, mach was anderes!“

Manchmal muss einfach jemand dein Karussell stoppen.

Depressionen sind echt. Die darf man nicht kleinreden oder übersehen.

Aber man sollte sein Gedankenkonstrukt hinterfragen, sein Hirn nutzen und nicht die Emotionen gewinnen lassen. Sonst ist man am Ende, so wie ich, ganz alleine daran Schuld ein Jahr weinend verbracht zu haben.


© Burgerqueen


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