Nach dem Fall der Mauer blickte die Babyboomer-Generation hoffnungsvoll in eine positive Zukunft. Westeuropa stand die östliche Hälfte des Kontinents offen zur Anknüpfung von neuen Beziehungen.

Allerdings brachen schon bald die Balkankriege aus, und das Gespenst des wiederauflebenden Nationalismus begleitet uns bis heute. In der Zeit der New Economy um die Jahrtausendwende erschütterte der islamistische Terrorismus die westliche Welt. Gleichzeitig verwandelte eine neue Welle von Kriegen im Nahen und Mittleren Osten diese Region in ein Pulverfass. Die Digitalisierung der Kampfmittel ermöglicht zunehmend asymmetrische hybride Kriege.

Der Aufstieg Chinas hat die etablierte Weltordnung des Kalten Krieges grundlegend verändert. Die erweiterten Brics-Staaten bauen sich als Gegengewicht zum atlantischen Westen auf.Der Russland-Ukraine-Krieg hat die Sicherheitsarchitektur der OSZE für Europa zertrümmert.

Für die Bürger der Europäische Union funktioniert diese als supranationale Institution nach dem Subsidiaritätsprinzip. Der Kompetenzkatalog der Europäischen Verträge regelt, für welche Politikfelder die Europäische Kommission, beziehungsweise die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, oder gar beide gleichberechtigt zuständig sind. Das Prinzip der qualifizierten Mehrheit verhindert, dass ein einzelner Mitgliedstaat oder eine Minderheit die Entscheidungsfindung blockiert. Der geplante Einsatz der Passarelle-Klausel zielt darauf ab, auch in der Außen- und Verteidigungspolitik mehr Flexibilität zu ermöglichen.

Die Europäische Währungsunion entstand als Gegengewicht zum Dollar und führte den Euro in 20 EU-Mitgliedstaaten ein. Eine Hypothekenkrise aus den USA löste eine Staatsschuldenkrise in Europa aus. Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM trug zur solidarischen Bewältigung der Euro-Staatsschuldenkrise bei. Deutschland begrenzte seine Haftung für den ESM auf 190 Milliarden Euro.

Das politische System in Deutschland wird inzwischen durch eine Zersplitterung der Parteienlandschaft geprägt Mehrparteien-Koalitionen werden zum Regelfall. Es mangelt an Erfahrung mit Minderheitsregierungen.

Nach dem Mauerfall wurden zahlreiche Russland-Deutsche aus der Sowjetunion integriert. Die Balkankriege, der syrische Bürgerkrieg und der Ukraine-Konflikt führten zu einer Flüchtlingswelle in Europa. Menschen aus unterschiedlichen Kultur- und Religionskreisen belasten den Wunsch nach einer einheitlichen Leitkultur. Die Angst vor Parallelgesellschaften nimmt zu.

Das Pariser Klimaabkommen hat auf EU-Ebene den sogenannten Green Deal in Gang gesetzt. Eine schrittweise Verteuerung von CO2-Emissionen mittels eines Zertifikatehandels soll die wirtschaftlichen Akteure zum Umlenken bewegen.

Die Energiewende erfordert eine Modernisierung der Infrastruktur und einen Umbau des deutschen Industriestandortes. Das öffentliche Bahnstreckennetz ist in einem schlechten Zustand. Die richtige Mischung aus Subventionen und Wettbewerb wurde noch nicht gefunden.

Mit einer Schuldenbremse bemüht sich der deutsche Staat, das 60%-Kriterium des reformierten EU-Stabilitätspakt langfristig einzuhalten. Verschiedene Sondervermögen bilden Nebenhaushalte, die durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes begrenzt worden sind. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um der nachfolgenden Generation eine faire Entfaltungschance zu bieten, bleibt zu diskutieren.

Eine mehrjährige Pandemie veränderte das Alltagsleben in Deutschland, wie es sich bis dahin keiner vorstellen konnte. Das Gesundheitssystem ist inzwischen von priviligierten Privatpatienten, individuell zu bezahlenden Gesundheitsleistungen und einfacher Grundversorgung für den Durchschnittspatienten geprägt.

Die Babyboomer-Generation erlebte vor allem in den 70er und 80er Jahren einen bemerkenswerten Wohlstand als Folge des Wirtschaftswunders. Die Wiedervereinigung und der Aufbau Ost führten jedoch dazu, dass die Sozialsysteme übermäßig beansprucht wurden. Die zeitweise hohe Arbeitslosigkeit wiederum schuf einen Niedriglohnsektor mit zunehmend ungleichen Lebensbedingungen.

In den Metropolregionen ist der Wohnraum zu knapp und teuer geworden, während im ländlichen Raum zu viele Wohnungen leer stehen. Das Rentensystem bereitet der nachfolgenden Generation eine überproportional hohe Belastung trotz geplantem Vorsorgefonds des Staates.

Das deutsche Bildungssystem passt sich erst allmählich an die Multikulturalität seiner Schüler an. Die Frage, ob eine Kindergrundsicherung die Chancengleichheit für bildungsferne Schichten verbessern kann, bleibt vorerst ungeklärt.

Haben diese Krisen im Laufe einer Generation nun das Vertrauen in die Stabilität des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu sehr erschwert?


© Bürgerjournalist


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