Wir täuschen uns, wenn wir zu denken beginnen, wir täuschen uns, wenn wir auf Menschen treffen, nur in einem täuschen wir uns nicht – in Sachen „höhere Diplomatie“!
Den meisten, denen wir begegnen, würden wir unter ganz „normalen“ Umständen, also wenn wir wären, wie wir wären, wenn wir keine Angst hätten, einfach sagen wollen: „Wer bist du – lass mich doch einfach in Ruhe, du Depp!“ Aber wir tun es nicht.
Warum tun wir es nicht? Weil wir uns etwas vom andern erwarten. Er/sie ist entweder eine einigermaßen schöne Frau oder ein einigermaßen reicher Mann, ein vielversprechendes Etwas eben. Also schweigen wir zunächst, und wir versuchen zu ignorieren, was wir ganz nebenbei in Erfahrung bringen …
… daß dieses Gegenüber keinen Schuss Pulver wert ist! Aber, wie es der Teufel will, wir wollen gerade Geschäfte machen, uns fortpflanzen, nur spielen usw. Darum besinnen wir uns. Wir sagen die Wahrheit nicht, sondern machen lieber Komplimente – zu allem Überfluss!
Denn das Leben ist ein einziger Überfluss von unbrauchbaren Teilnehmern, bei denen wir partout nicht wahrhaben wollen, daß sie in Bezug auf uns völlig überflüssig sind. Aber wir hoffen!
Und die Hoffnung gibt uns diese unendliche Kraft, mit deren Hilfe aus Schlangen Paradiesvögel werden und aus Unkraut Strohhalme, an denen wir uns festzuhalten gedenken, bevor wir untergehen. Und das ist gut so, denn wenn jeder, der etwas auf dem Kasten hat, so schonungslos beurteilen würde, wie es die Logik vorschreibt, dann wäre die Erde arm!
Diplomatisch gehen wir über alle Einwände der Logik hinweg. Aus purer Menschenfreundlichkeit werden wir zu verlogenen Bestien, die sich nicht schämen, sich selbst und andere infam zu täuschen, bloß damit etwas aufrechterhalten werden kann, das wir „Frieden“ nennen – und sei es auch nur der innere!
Das spendet Trost, das eröffnet Perspektiven, das macht uns frei! Voller Übermut ist es uns auf diese Weise gestattet, Elfenbeintürme aus Mist zu bauen und Mist aus Elfenbeintürmen. Machen wir ein freundliches Gesicht – jede Art von Problem ist zu bewältigen!
Womit? Mit der „höheren Diplomatie“!
Kommentar:Lieber Alf,
ja, so ist es tatsächlich; mit deinen Worten gekonnt ausgemalt. Als ich in den Ruhestand ging, habe ich mir diese Diplomatie abgewöhnt. Resultat, die Familie wird immer kleiner und die Anzahl der Bekannten auch. Aber übrig bleiben die Echten.
Liebe Grüße Wolfgang
Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 182. Schritt
Kommentar:Lieber Alf,
da kann ich Wolfgang nur beipflichten, gut geschrieben!!
Jemanden Honig ums Maul schmieren, das liegt mir nicht. Und für mich selber brauche ich das auch nicht.
Diplomatie, da, wo sie angebracht.
Herzliche Grüße aus dem klaren Norden, Sonja
Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 182. Schritt
Kommentar:Heuchelei und Schmeichelei bringen im Endeffekt nur Unheil, denn irgendwann bricht die falsche Fassade in sich zusammen und wir erkennen wo und ob wir tatsächlich Freunde haben. Oftmals dort wo wir sie nicht vermuten. Ich habe da so einige schmerzliche Erfahrungen in meinem Leben machen müssen.
Gut und treffend geschrieben, lieber Alf!
Herzliche Grüße zu Dir,
Angélique
Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 182. Schritt
Der Mond ist scharlachrot.
Er rockt sich durch die dunklen Wolken.
Er strahlt wie eine schöne Frau.
Sein Lächeln liegt noch auf dem Morgentau.
Die Sonne küsst ihn zart.
Der Smooth Jazz breitet sich aus
Schwingt sich den Wänden empor
Tanzt an der Decke leichtfüssig
Lacht übers ganze Gesicht
Und meint in unterkühltem Ton
Auch Wolken haben eine [ ... ]