Ein Wort geistert seit Jahren durch mein Bewusstsein und leider auch durch mein Gewissen. Es vergiftet meinen Geist geradezu, es lässt mich jenen Teufel beschwören, auf den sich „Zweifel“ reimt, und es lässt fast alle meine Bemühungen, die ich bisher für den Aufbau meiner – mir jetzt als verdorben erscheinenden – Lebensphilosophie geleistet habe, nicht nur überflüssig, sondern auch als im höchsten Grade fragwürdig erscheinen. Es lautet „Generationenvertrag“ und es hat mich schon oft in die höllischen Tiefen arbeitsintensiver Ausredenkreationen gestürzt.
Bereits mindestens 1.000 Mal kam ich inzwischen dem Fegefeuer gefährlich nahe, und hätte mich im letzten Augenblick nicht immer die Stimme meiner Hoffnung gerettet, mit den Worten „Wart’s ab, es gelingt dir noch, eine plausible Erklärung zu finden“, dann hätte ich mir sicherlich zu meinen besten Lebzeiten die Finger daran verbrannt.
Eine Erklärung finden …? Vielleicht versuche ich das jetzt einmal!
Bisher habe ich es ständig so verstanden: Ein Tier zeugt/gebiert ein anderes Tier, und dieses andere Tier bringt dann dem, von dem es gezeugt/geboren worden ist, den Napf usw. Dieser Staffellauf der Napfübergabe setzt sich dann so lange fort, bis die Erde explodiert, uns der Mond auf den Kopf fällt oder die Sonne uns verschluckt. Während der ganzen Zeit ändert sich nichts. Tier ist Tier und Napf ist Napf!
Doch diese Vorstellung kollidierte leider regelmäßig mit meiner irrsinnigen Fantasie. In dieser Fantasie höre ich bei der Napfübergabe ganz laut das Wort „Pflicht“ und sonst nichts heraus. Sobald ich aber an dieses Wort denke, fallen mir die absurdesten Beispiele für Irrtümer ein. In Gedanken versucht nun der Instinkt, meinem Geist zu folgen – nicht andersherum! Beobachten wir, ab wann er (der Instinkt) zu wackeln anfängt, und verfolgen wir des Weiteren, wann er aufgibt.
Beginnen wir mit dem Erwachsenwerden …
Zwei Individuen sind auf der Reise durch das Leben an einer schwierigen Stelle angekommen, der Pubertät! Die Einflüsse der vorbereitenden Kinderstube verblassen langsam und der Mensch beginnt, verantwortungsbewusst zu denken … hoffentlich! In beiden Geschlechtern tauchen Fragen auf, die sich mit der Umwelt und der Verteilung der Ressourcen befassen, sowie auch mit dem ge-fährlichen Anspruch wildgewachsener Mehrheiten auf die rücksichtslose Mit-Inanspruchnahme nicht selbst entwickelter Kulturgüter, die von der Industrieabteilung arrivierter Klassen unterstützt wird.
Ich fühle, wie mir der Instinkt das erste Mal den Vogel zeigt. „Wen juckt das?“, höre ich ihn fragen … „Das gehört doch gar nicht zum Thema“!
Ich wechsle das Thema.
Diesmal stelle ich mir vor, wie die beiden Geschlechter, noch im treu sorgenden Elternhaus befindlich, mit viel Ein- und Umsicht daran gehen, ihren Horizont zwecks späterer Neubestellung der Welt zu erweitern. Doch nicht nur der geistige Horizont ist Gegenstand des beiderseitigen Interesses, auch die körperliche Attraktivität wird herausgebildet, um im Hinblick auf den Generationenvertrag dem jeweils anderen Geschlecht einen triftigen Grund für seine Begierden zu geben. Hierzu fällt mir das Wort „liebenswert“ ein.
Und hier spüre ich förmlich einen Schlag auf den Kopf, der mich zwingt, wie besessen an den uralten Spruch „Was nicht bei 3 auf'm Baum ist“ zu denken. Also, diese Schlussfolgerungen waren auch wieder nichts! Es führen eben doch nicht alle Wege nach Rom.
Eine Papstaudienz täte mir jetzt gut. Ich sollte mir einbläuen lassen, daß es Gottes Wille ist, blindwütig übereinander herzufallen und dabei auf keinen Fall zu verhüten. Dann würden sich die Ansprüche wild gewachsener Mehrheiten auch gleich ganz von selbst egalisieren. Das ist weise, unbestritten! Doch bei dem Gedanken bekomme ich keine Luft mehr. Denn entweder – so stellt sich das mein krankes Hirn vor – wir ersticken im Pesthauch der unzähligen Verhungerten, für die entweder keine Nahrungsmittel mehr da sind, oder wir gehen an Sauerstoffmangel ein, denn ohne den Platz für die reale Existenz von Regen- und sonstigen Wäldern wird uns halt einfach bald die Luft ausgehen. Dies gilt für den Fall, daß es uns gelänge, Essen und Trinken für eine exponentiell ansteigende Weltbevölkerung aufzutreiben.
Wieder höre ich eine Stimme … nein, diesmal sind es gleich zwei. Die eine ruft schon wie zuvor „Und wen interessiert das?“, die andere krakeelt dazwischen „Hast du für Nachwuchs gesorgt, du Feigling?“
Mein Bewusstsein bäumt sich auf und der Instinkt kann ihm nun nicht länger folgen. Die Kluft zwischen den beiden ist unüberbrückbar tief geworden. Ich schäme mich! Tatsächlich habe ich mich dabei erwischt, klüger sein zu wollen als der „liebe“ Gott und sein leibhaftiger Vertreter auf Erden. – Meine Bedenken, die ich auch noch für berechtigt halte, sind demnach schwerwiegender geworden als mein Instinkt. Dem bleibt schließlich nichts weiter übrig als kopfschüttelnd aufzugeben.
„Mit dem Deppen ist wohl nichts mehr anzufangen“, höre ich ihn förmlich sagen, derweil aus der Zukunft das Jammern meiner ungeborenen Kinder zu mir dringt. Es vermischt sich in meinem Gehörgang mit dem Getöse eines zu erwartenden, grauenerregenden Überlebenskampfes.
Die Posaunen des Jüngsten Gerichts ertönen für mich im ungefiltert empfundenen Jetzt, doch unhörbar für die Unseligen, deren Eltern, strahlend vor Glück, einem Vertrag zugestimmt haben, der gerade jetzt wieder, in diesem Augenblick der Fruchtbarkeit, mein Gewissen berührt.
Kommentar:Ich bin da wohl auch der Meinung ,wir seien dazu bestimmt ,durch diese Fakten, uns gegenseitig alles weg zu konsumieren. Wird das das Ende allen Lebens auf Erden sein ?
Wer beginnt damit, seinen Trieben nicht mehr Folge zu leisten ?
Deine sehr gut geschilderte ,,Geschichte" macht sehr nachdenklich um den Ernst der Lage.
Liebe Grüße von Jens
Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 178. Schritt
Der Mond ist scharlachrot.
Er rockt sich durch die dunklen Wolken.
Er strahlt wie eine schöne Frau.
Sein Lächeln liegt noch auf dem Morgentau.
Die Sonne küsst ihn zart.
Der Smooth Jazz breitet sich aus
Schwingt sich den Wänden empor
Tanzt an der Decke leichtfüssig
Lacht übers ganze Gesicht
Und meint in unterkühltem Ton
Auch Wolken haben eine [ ... ]