In einer kleinen Stadt mitten in einem kleinen Königreich waren die Vorbereitung für ein großes Volksfest im Gang. Am nächsten Tag sollte nämlich die neue Kirchturmglocke eingeweiht werden, die der König der Stadt geschenkt hatte. Der Höhepunkt des Festes war jedoch für alle Bewohner des kleinen Städtchens. das jedes Brautpaar, das an diesem Tag heiratet, vom König großzügig beschenkt werden sollte. Alle waren sich einig, das in jedem Fall Swanilda und Franz an diesem Tag als Brautpaar vor den Altar treten und in die königliche Gunst gelangen würden. Doch Swanilda hatte bemerkt, das Franz seit einigen Tagen des öfteren zum Balkon des alten Coppelius hinaufschaute, auf dem eine jung, hübsche Frau saß und las. Niemand in der Stadt wußte, wer diese Frau war, und keiner traute sich, Coppelius danach zu fragen, denn er war ein merkwürdiger alter Mann, vor dem sich alle fürchteten. Die unbekannte Schöne saß tagein, tagaus regungslos auf einem Stuhl, und sie hob nicht einmal den Kopf, wenn sich von den Jungen der Stadt geneckt wurde. Es stimmte, diese Frau hatte Franz‘ Aufmerksamkeit erregt. Aber sie reagierte in keiner Weise auf seine Blicke und ließ sich durch sein Winken nicht vom Lesen ablenken. Swanilda, die ihren Franz sehr lieb hatte und ihn bald heiraten wollte, ärgerte sich darüber sehr. Doch Franz leugnete seine Zuneigung zu Coppelia und beteuert Swanilda seine Liebe. Am Abend trat Coppelius aus seinem Haus, um noch eine Mahlzeit einzunehmen. Als er die Tür sorgfältig verschlossen hatte und gerade den Haustürschlüssel einsteckten wollte, kamen einge junge Burschen auf ihn zugelaufen und neckten ihn. Vor lauter Schreck verlor er dabei unbemerkt seinen Schlüssel. Kurz darauf kam Swanilda mit ihren Freundinnen des Weges und entdeckt den Schlüssel vor dem Haus. Herzklopfend hob sie ihn auf und steckte ihn in das Türschloß. Sie war fest entschlossen, ihre Rivalin persönlich kennenzulernen. Mit einem leisen Klack fiel die Tür auf, und die Mädchen schlichen die Treppe hinauf. Oben angekommen, wollten sie kaum ihren Augen trauen. Der Raum war vollgestopft mit Instrument, Marionetten, Automaten und jeder Menge Spielzeug zum Aufziehen. Der alte Coppelius war ein Puppenmacher! In wenigen Minuten hatten die Mädchen alles zum Leben erweckt: ein Wecker rasselt, eine Märchenfee dreht sich im Kreis herum, und überall erklang etwas, klappert oder bewegt sich. Doch Swanilda interessierte sich gar nicht für all das Spielzeug. Neugierig ging sie zum Fenster am Ende der Werkstatt, das zum Fenster am Ende der Werkstatt, das zum Balkon führen musste, und zog vorsichtig den Vorhang beiseite. Dort saß Coppelia immer noch lesende auf ihrem Stuhl. Swanilda versuchte sich bemerkbar zu machen, doch die Lesende reagierte auf keins ihrer Zeichen. Da entdeckte Swanilda, das Coppelia eine Puppe war. Plötzlich stand der alte Coppelius im Türrahmen. Als er die Eindringlingen sah, wurde er wütend und jagte sie davon. Nur Swanilda hatte sich blitzschnell versteckt und lauschte nun mit gespitzten Ohren, was um sie herum passiert. Gerade hatte Coppelius seine Werkstatt wider verlassen, da hört sie ein Geräusch, das vom Fenster her kommen musste. Vorsichtig warf sie einen Blick aus ihrem Versteck und erkannte Franz, der gerade durch das Fenster stieg. Swanilda hielt den Atem an, doch ihr Herz schlug so laut, das sie meinte, Franz müsste es hören. Kaum hatte dieser das Zimmer betreten, kam der alte Coppelius wieder zur Tür herein. Diesmal platzte dem Alten fast der Kragen. „Was hast du hier zu suchen? “ fragte er aufgebracht. Da gestand ihm Franz seine Liebe zu Coppelia. Plötzlich beruhigte sich Coppelius und lud Franz zu einem Glas Wein ein, ihm war nämlich eine Idee gekommen …
Nach dem Wein fühlte sich Franz plötzlich ganz müde, er konnte kaum mehr die Augen offenhalten. Schließlich fiel er auf die Bank und schlief tief und fest ein. Coppelius lächelte zufrieden und rieb sich die Hände. Jetzt war es endlich soweit! Jahrelang hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Seine Puppe war seit wenigen Tagen fertig, nun würde er sie zum Leben erwecken. Er nahm ein großes, dickes Buch in seine Hände und las daraus einige Sätze vor, die er ein paarmal laut wiederholte. Und plötzlich geschah das, woran er seit vielen vielen Jahren Tag für Tag, Nacht für Nacht, Stunde um Stunde gedacht hatte: Die Puppe bewegte sich! Zunächst nur den linken Fuß, dann den rechten Arm. Schließlich stand sie langsam auf und bewegte sich wie eine Ballerina. Vorsichtig stellte sie sich auf die Fußspitzen und drehte sich im Kreis, immer schneller und schneller. Coppelius klatschte dazu begeistert in die Hände. Seine Meisterwerk war genau so, wie er es sich vorgestellt hatte. Coppelia wollte gar nicht mehr aufhören zu tanzen. Sie tanzte von Automat zu Automat, von Aufziehpuppe zu Aufziehpuppe und setzte alles in Bewegung, was nicht Niet- und nagelfest war. In der Werkstadt herrschte plötzlich wildes Chaos, und dazwischen wirbelte Coppelia und tanzend von einer Ecke in die andere, stieß hier an einen Hebel und dort an eine Porzellanpuppe, die schmetternd zu Boden. Endlich gelang es Coppelius, seine lebendige Puppe einzufangen und auf einem Stuhl zu setzten. Franz war durch den höllischen Lärm aufgewacht. Von dem Schlaftrunk noch ganz benommen, blickte er verwirrt um sich. Doch bevor ihm klar wurde, was passiert war, hatte ihn der Alte auch schon aus dem Haus gejagt. Als Coppelius in seine Werkstatt zurückkehren, lag Coppelia reglos am Boden. Nichts Lebendiges, nichts Menschliches war in ihr. Da hörte Coppelius hinter sich ein Geräusch, und als er sich umdrehte, sah er gerade noch, wie Swanilda durch das Fenster stieg und die Leiter hinunterkletterte. Endlich begriff es ! Es war nicht die Puppe gewesen, die vor seinen Augen getanzt hatte wie ein Primaballerina und sein ganze Werkstatt in ein heilloses Durcheinander versetzt hatte. Nein, Swanilda hatte ihn zum Narren gehalten. Sein Traum, eine Puppe zum Leben zu erwecken, hatte ihn so blind gemacht für die Wirklichkeit, das er das Mädchen nicht erkannt hatte. Halb traurig, halb wütend lief er so schnell ihn seine alten Beine trugen aus dem Haus. Inzwischen war der große Festtag angebrochen. Von fern waren die Fanfaren zu hören, die den König ankündigte. Auf dem Marktplatz vor der Kirche hatten sich zahlreiche Paare versammelt, die nur darauf warteten, vom König belohnt zu werden. Auch Swanilda und Franz gesellten sich zu den Brautleuchten.Nachdem der Pfarrer die Glocke gesegnet hatte, stellt er dem König die Brautpaare vor. Als Swanilda und Franz endlich an der Reihe waren, kam Coppelius angelaufen, um sich bei ihnen für das angerichtete Chaos zu beschweren: „Diese beiden unverfrorenen Personen haben meine ganze Werkstatt zerstört, all meine Automaten und Puppen - mein ganzes Lebenswerk ist dahin !“ Da bot ihm Swanilda die Belohnung an, die sie gerade vom König erhalten hatte. Doch der König, dem jede gute Tat willkommen war, bedachte den Alten höchstpersönlich mit einer großzügigen Entschädigung. In diesem Moment ertönt die neue Kirchturmglocke, und jeder in der Stadt lauschte andächtig dem tosenden Klang. Nur der alte Coppelius schlich mit Tränen in den Augen zu seinem Haus zurück. Jetzt hatte er zwar das Geld, um seine Werkstatt neu einzurichten, und es würde sicher noch etwas davon übrig bleiben, aber die hoffnungsvolle Wärme war aus seinem Herzen gewichen. Er hatte den Glauben daran verloren, dass eine Aufziehpuppe einen lieben Menschen ersetzen kann, und dieser Glaube hatte sein ganzes leben bestimmt.


© Camille


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Beschreibung des Autors zu "Coppelia"

Eine Traurige Liebes Geschichte, die (wie man es nimmt) ein gutes ende nimmte

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