Raus aus dem Bett, Frühstück, ins Büro, Feierabend, Abendessen, Fernseher an, rein ins Bett, raus aus dem Bett..., jeden Tag das gleiche Spiel, Tag für Tag, Thore hatte das Gefühl eine Maschine zu sein. Den Knopf gedrückt und schon setzt er sich in Bewegung.
Davon hatte er genug, er wollte etwas anderes, ein erfüllteres Leben. Er unternahm mit Familie und Freunden genug, am Ende war es dann aber wieder nur eine Fortsetzung von dem alltäglichen Einerlei.
In seinem Kopf rumorten und kreisten die Gedanken. So richtig konnte er es gar nicht benennen, was er eigentlich wollte, nur eins, er wollte raus aus diesem Räderwerk des Alltags, abbiegen, ein anderes Ziel anvisieren. Er wusste, wenn er selber nichts gegen diesen gleichbleibenden Alltagstrott unternahm, ein anderer würde es nicht für ihn tun.
Im Büro war Schluss, es war Feierabend. Bis zu seiner Wohnung war es nicht weit. Thore ging den Weg von jeher zu Fuß, doch heute ging er nicht nach links, sondern schlug den Weg nach rechts ein. Wollte hier und jetzt beginnen, etwas in seinem Leben zu verändern. Er ging diesen bekannten, aber von ihm nur selten benutzten Weg entlang, da blinkte etwas zwischen dem Kopfsteinpflaster, er bückte sich, es war ein Cent Stück; was hatte die Mutter noch gesagt, dreimal draufspucken, das bringt Glück. Also spuckte er auf das Cent Stück und steckte es in die Jackentasche. Ging weiter den Weg entlang und erreichte eine kleine Parkan-lage, Thore sah schon von Weitem, dort auf der Bank saß ein Mann, etwas gebeugt, allein. Als er näherkam, sah er, dass es ein sehr alter Mann war, Falten durchzogen sein Gesicht, er hatte ein dunkles Cape um seinen Körper geschlungen. Thore fragte, ob er sich zu ihm setzen dürfe. Der alte Mann rückte noch etwas zur Seite und lud ihn mit der Hand ein, Platz zunehmen.
„Du siehst nicht glücklich aus“, sprach der Alte ihn an. Etwas verwundert antwortete Thore, „ja, Sie haben recht, jeden Tag, Tag für Tag tue ich das Gleiche, Jahr für Jahr, ich möchte etwas ändern, möchte aus dieser Mühle heraus. Dieses Leben nach Plan raubt mir meine ganze Energie, ich halte es einfach so nicht mehr aus.“
Thore konnte überhaupt nicht verstehen, warum er ausgerechnet diesem alten Mann sein Leid klagte.
Der Alte nickte und fasste sich ans Kinn. „Was du mir hier schilderst, kann ich nach-vollziehen, war mal in einer ähnlichen Situation. Hast du denn schon heraus-gefunden, was du wirklich willst, was dich glücklich macht, was dir wichtig ist?“ Thore musste überlegen, „wichtig ist mir meine Familie, meine Freunde, auch die Arbeit ist mir wichtig. Es ist alles nur so eingefahren, irgendwie eintönig, farblos geworden.“ Der alte Mann sah Thore ernst in die Augen. „Unsere eigene Vorstellung und Erwar-tung ist eine Jacke, in die wir uns manchmal zwängen, ohne dass sie uns richtig passt. Der Blick des Verstandes fängt erst an scharf zu werden, wenn der Blick der Augen an Schärfe verliert. Jeder hat eine andere Vorstellung, eine andere Erwartung von den Dingen, vom Leben, vielleicht solltest du dein Leben nicht danach ausrichten, anderen zu gefallen, sondern so, dass du zufrieden bist. Denk einmal darüber nach. Als du dich zu mir setztest, hast du sehr traurig und unglücklich ausgesehen, so als hättest du lange schon nicht mehr gelacht. Lachen oder Lächeln bedeutet, etwas gern zu haben, zu lieben. Ohne Lachen sollte niemand leben.“
Von dem, was sein Gegenüber gesagt hatte, war Thore verblüfft und erstaunt. Es stimmte, gelacht hatte er tatsächlich schon lange nicht mehr. Seine Tage waren so grau, wie die Stimmung, mit der er jeden Morgen aufstand. Konnte es sein, dass dieser alte Mann ihn aus seiner Lethargie herausholte? Thore drehte sich um, zu dem Mann, von dem er nichts wusste, außer, dass er ein weiser Mann sein musste. Erschrocken von dem was er sah, wich er zurück. Er saß allein auf der Bank, konnte es gar nicht fassen, wo war der alte Mann geblieben? Gab es diesen alten Mann über-haupt? Oder hatte er ihn sich bloß eingebildet, sich den Alten nur herbei geträumt?

Verwirrt und nachdenklich erhob sich Thore, er bog nicht sofort in die Richtung zu seinem Haus ein, er ging auf dem neuen Weg weiter und genoss die Natur, die Menschen und alles andere um sich herum, er nahm auf einmal seine Umgebung viel intensiver wahr. Hörte die Kirchturmuhr, wie sie die Stunde schlug, das Zwitschern der Vögel, das Säuseln des Windes. Es war so, als hätte sich in seinem Buch ein neues Kapitel aufgetan. Er spürte, wie etwas wunderbares mit ihm geschah, die Enge in seiner Brust löste sich, ein Gefühl von Freiheit erfasste ihn. Thore atmete tief durch und machte sich mit einem guten, zufriedenen Gefühl auf den Heimweg.

Die Begegnung...

© SoSo


© Soso


1 Lesern gefällt dieser Text.


Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Die Begegnung..."

Re: Die Begegnung...

Autor: Karwatzki,Wolfgang   Datum: 25.07.2024 13:43 Uhr

Kommentar: Manchmal braucht es nur einen Stupser von Glück, um glücklich zu sein.

Kommentar schreiben zu "Die Begegnung..."

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.