So weit wissen wir, wie es war: Der Frosch saß auf dem Brunnenrand mit seinem kleinen Krönchen und sah verschämt zur hübschen Prinzessin hinauf. Traurig und kümmerlich sah er aus, und er glaubte wohl selbst nicht so recht daran, dass die Prinzessin seinem Wunsche folgen würde, ihn küssen würde, auf dass er endlich erlöst sei. Doch sie tat es, voll des Mitleides und ihren ganzen Mut zusammennehmend, das ist bekannt, und sie wurde dafür reichlich belohnt: Vor ihr stand plötzlich der schönste Prinz, den sie je gesehen hatte, ein Bild von einem Manne; groß und stattlich von Figur, mit einer Lockenpracht, die in der milden Nachmittagsonne leuchtete wie Gold, mit Augen, die so blau waren, dass die Prinzessin am liebsten in sie hineingetaucht wäre, wie sie es gelegentlich zu tun pflegte, wenn an heißen Sommertagen der kleine See im elterlichen Schlosspark sie dazu verlockte. Anschließend heirateten beide natürlich, und es wurde die schönste und prunkvollste Hochzeit, die es je im ganzen Land gegeben hatte. Aber wie ging es weiter mit den beiden? Sie waren ja noch so jung, hatten freilich noch ein ganzes Leben vor sich. O, sie waren durchaus sehr glücklich zunächst, tollten im Schlosspark herum, scherzten und sangen gemeinsam, durchstreiften die unendliche Weite ihrer herrlichen Wälder, dabei sich immer an den Händen haltend; und wenn der eine oder der andere sich bei derlei Ausgelassenheiten einmal verletzte oder gar aus anderen Gründen einmal traurig oder betrübt war, dann trösteten sie einander, herzten einander und waren rasch wieder eins und fröhlich. Und wie immer nach solchen wundervollen Tagen und Wochen ließen sie sich abends in ihr weiches Himmelbett fallen und waren immer noch eins, oder sie wurden es hier gerade erst. Jedoch dann geschah es eines Tages: Während die Prinzessin sich mit ihrer Zofe aufgemacht hatte zum Markt, um dort sich die neuesten und schönsten Kleider und die prächtigsten Geschmeide zu kaufen, wollte sie doch immer und ewig begehrenswert für ihren Prinzen sein, hatte dieser sich zum großen, breiten Flusse begeben, der wohl gut eine Stunde Fußmarsches vom Schloss entfernt sich still und behäbig durch die hügelige Landschaft schlängelte, um dort seiner Leidenschaft, dem Angeln, zu frönen. Als er nun gerade seine Rute ausgeholt und seinen Köder in die sanfte Strömung geworfen hatte, erblickte er einen wunderschönen, grünglänzenden Frosch neben sich im noch taufrischen Grase. Und da der Prinz ja aus seinem früheren Leben noch die Sichtweise der Frösche beherrschte, erkannte er auch sogleich, dass es sich um eine Fröschin handelte, die ihn von dort unten so verlockend und begehrend anschaute. Da konnte er nicht anders. Er kniete nieder zu der Fröschin, streichelte sie, fuhr ihr zärtlich über den Rücken und über ihr Haupt, berührte leicht mit seinen Lippen ihre Augenlider, näherte sich vorsichtig ihrem Mund, presste seine Lippen auf die ihren, küsste sie schließlich innig, wieder und wieder. Und die Fröschin? Auch sie genoss sichtlich seine Zärtlichkeiten, gab ihm ihrerseits, wozu sie imstande war, und ehe der Prinz sich versah, waren sie beide, schwupps, in den Fluten verschwunden, einander noch immer umarmend. Hier lebten beide nun einige Jahre außerordentlich glücklich und zufrieden. Jedoch dann geschah es eines Tages...
Und die Moral von der Geschicht‘:
Trau niemals deinem Prinzen nicht!
Er wird ein Frosch stets bleiben...
und nur sich selbst zu eigen.
Und wenn er eine andre findet,
dann hält ihn nichts, und er verschwindet.


© Wagrier


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