Die Enttäuschung


Irgendwann bemerkte der alte Mr. Brinkmann, der Besitzer eines kleinen Kaufhauses war, dass aus den Regalen des Kaufhauses und dem Warenlager hin und wieder einige Artikel verschwanden.



Nun, die Dinge waren zwar nicht von allzu großem Wert und der Schaden an sich gering, doch Mr. Brinkmann konnte es auf Dauer einfach nicht auf sich beruhen lassen, dass weiterhin bei ihm gestohlen wird.



Als umsichtiger Firmenchef achtete er viel darauf, dass seine Mitarbeiter mit den Arbeitsbedingungen in seinem Kaufhaus und dem angeschlossenen Warenlager zufrieden waren. Eigentlich hatte es noch nie Probleme mit irgendwelchen Diebstählen gegeben. Aufgrund der Vorfälle jedoch fragte sich Mr. Brinkmann, wie es dazu kommen konnte. Er war sehr besorgt darüber und fühlte sich dazu veranlasst, auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen, wer die Diebe waren.



Er stellte vorsichtig durchgeführte Nachforschungen an und entdeckte bald, dass tatsächlich zwei seiner ältesten Mitarbeiter die Übeltäter waren. Mr. Brinkmann kannte die beiden Männer sehr gut und seine Enttäuschung war deshalb sehr groß, dass es gerade diese beiden waren, die ihn hintergingen.



Andererseits wusste er auch, dass sie zur Zeit mit großen finanziellen Problemen zu kämpfen hatten. Die Wirtschaftskrise war an ihnen nicht spurlos vorüber gegangen, wie bei so vielen anderen Menschen in der Bevölkerung auch. Doch sie hatten bei ihm noch einen relativ sicheren Arbeitsplatz und schienen sich ansonsten auch mit großem Einsatz für die Belange seines Unternehmens einzusetzen.



Es dauerte eine ganze Weile, bis sich der Zorn von Mr. Brinkmann, sein bitteres Gefühl der Enttäuschung und der aufgestauten Wut so weit gelegt hatten, dass er noch einmal in Ruhe über alles nachdenken konnte. Er bemühte sich daher, sich von seinen Gefühlen nicht zu sehr beeinflussen zu lassen und versuchte, die ganze Situation sachlich und klar zu sehen.



Abgesehen von dieser unerfreulichen Geschichte hatte er eigentlich an den beiden älteren Mitarbeitern nichts auszusetzen. Stets hatten sie sich für die Firma eingesetzt, immer hart gearbeitet und auch sonst alles unternommen, dass der Ruf seines Kaufhauses in der Bevölkerung ein positiver war. Lag es wirklich daran, dass sie unter einer schwierigen privaten Situation litten? Lange überlegte Mr. Brinkmann daher, wie er das Problem lösen sollte. Am Ende entschied er sich dafür, ihnen nochmals eine Chance zu geben.



***



Der Auftrag



Am Ende der Arbeitswoche ließ er die beiden Mitarbeiter zu sich ins Büro kommen. Nachdem sie Platz genommen hatten, sagte er zu ihnen: „In letzter Zeit häufen sich die Diebstähle in meinem Kaufhaus und im Warenlager. Ich habe euch zu mir gerufen, weil ich weiß, dass ich euch 100 Prozent Vertrauen kann. Ihr seid meine längsten Mitarbeiter. Wem sollte ich sonst trauen? Aus diesem Grunde erteile ich euch die Gesamtaufsicht über das Kaufhaus und das gesamte Warenlager. Seid also wachsam und passt auf, dass nichts mehr gestohlen wird. Ich weiß, ihr werdet eure neue Aufgabe bestimmt gut erfüllen. Mit diesen Worten übergab er ihnen alle wichtigen Schlüssel, damit sie überall Zutritt hatten.



Natürlich wussten die beiden nichts davon, dass ihr Chef schon hinter ihre diebischen Machenschaften gekommen war. Der unerwartete Auftrag stürzte sie daher jetzt in größte Gewissensnöte. Seit sie mit ihren Diebstählen angefangen hatten, lebten sie zwar in ständiger Angst davor, dass man sie irgendwann als Diebe entlarven könnte, aber sie gingen auch gleichzeitig davon aus, dass ausgerechnet sie, die beiden ältesten Mitarbeiter der Firma, niemand so schnell verdächtigen würde. Doch als sie ins Büro ihres Chefs gerufen wurden, bekamen sie es dennoch mit der Angst zu tun, dass sie aufgeflogen waren.



Was war aber geschehen?



In vollem Vertrauen auf ihre Ehrlichkeit und Loyalität übertrug man ausgerechnet ihnen die vertrauensvolle Aufgabe, die Firma vor weiteren Diebstählen zu schützen. Ja, ihr Chef überließ ihnen sogar alle wichtigen Schlüssel für das Kaufhaus und für das Lager. Jetzt hatten sie auf einmal Zugang zu den hoch heiligsten Räumen mit den Geldsafes der täglichen Einnahmen und dem gesamten Warenlager. Eine unglaubliche Verantwortung hatte man ihnen da übertragen.



Und siehe da, von jenem Tage an gab es keinen einzigen Diebstahl mehr, weder im Kaufhaus noch im Warenlager. Um das in ihnen gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen, übernahmen die beiden ihre neue Aufgabe so eifrig und ehrlich, als ob ihnen die Firma selbst gehören würde. Nach einer Weile bekamen sie sogar noch eine Lohnerhöhung. so zufrieden war ihr Chef mit ihnen.

Die übrigen Mitarbeiter bekamen natürlich alles mit, so dass das neu geschaffene Vertrauen zwischen dem Kaufhausbesitzer Mr. Brinkmann und seinen Mitarbeitern sich nicht nur vertiefte, sondern die Firma plötzlich sogar noch besser gedieh, als vorher, weil das Betriebsklima auf Vertrauen und Menschlichkeit ausgerichtet war.




Übe Nachsicht, nicht Rache oder Strafe



Der alte Mr. Brinkmann hätte sicherlich einen Detektiven anheuern und ihn mit der Suche nach Beweisen beauftragen können. Man hätte die beiden Männer schnell des Diebstahls überführt und schließlich bestraft – aber was wäre dann wohl damit gewonnen worden?



Hätte Mr. Brinkmann beispielsweise die beiden langgedienten Angestellten als schlechte Menschen beschimpft und sie zudem noch fristlos entlassen, dann wären sie, statt ihre Fehler einzusehen, unweigerlich von Rachegedanken erfüllt worden. Der Mensch ist von Natur aus so. Unversöhnliche Feindschaft und ein ständiger Wunsch nach Rache wären aus dieser vergeltenden Handlung erwachsen; eine verhängnisvolle Spirale des zerstörerischen Hasses hätte sich in Gang gesetzt, deren Fesseln nur schwer wieder zu lösen gewesen wären. Wie oft erleben wir das in unserer Welt, ja tagtäglich in unserer unmittelbaren Umgebung, dass aus Vergeltung, gleichgültig wie auch immer sie begründet wird, nur neue Vergeltung, Zweifel und Misstrauen und schließlich abgrundtiefer Hass entsteht?



Doch Mr. Brinkmann hat mit Weisheit und liebender Umsicht gehandelt. Er wusste um die geistige Welt. Wie immer das momentane Bewusstsein eines Menschen auch sein mag, es ist dieses Bewusstsein, das den Körper steuert und seine Wege lenkt.



Also erkannte der Firmenbesitzer aufgrund seiner von Weisheit geprägten Menschenkenntnis, dass es besser ist, das Bewusstsein zu ändern, anstatt den Körper des Individuums zu bestrafen. Die materielle Strafe löst an sich keine Probleme. Das können nur Weisheit, Liebe, Vertrauen und profunde Menschenkenntnis, welche insgesamt dieses aus der Ewigkeit entsprungene Sein und Selbst vermögen aufs Innerlichste anzusprechen, um es zu beeinflussen und zu verändern.



Das Licht des Herzens heißt auch Vertrauen schenken. Vertraut man aber jemanden z. B. eine Arbeit an, so muss dies vollständig und umfassend geschehen. Nur so kann der einzelne Mensch den Antrieb dafür bekommen, Verantwortungsgefühl zu entwickeln und auch Verantwortung zu übernehmen, wenn alles reibungslos ablaufen soll. Wenn man aber jemanden eine Arbeit anvertraut, sich dann jedoch kleinmütig zeigt und dauernd misstrauisch prüft, ob die übertragene Arbeit auch korrekt ausgeführt wird – wohin soll das auf Dauer führen? Kontrolle und Überwachung schaffen Misstrauen und Zweifel. Auf solchem Boden kann kein echtes Vertrauen wachsen. Hier werden vom herrschenden System nur Menschen gegen Menschen ausgespielt und aufeinander gehetzt.



Der Ursprung aller existierenden Probleme in dieser Welt des Menschen liegt demnach wohl in der Regel darin begründet, dass wir kein echtes Vertrauen mehr zueinander haben oder aufbauen können. Die Folge sind Misstrauen, Zweifel und schließlich Hass.



Wie die Liebe unteilbar ist und es keine halbe Liebe oder nur ein bisschen davon geben kann (dann wäre es ja keine Liebe mehr), so verhält es sich auch mit dem Vertrauen. Vertrauen muss immer als Ganzes geschenkt oder gegeben werden. Ansonsten streut man Misstrauen, Zweifel und auf Dauer gesehen sogar den alles zersetzenden Hass.



Wir sollten daher dem Ursprung allen Seins bedingungslos vertrauen. Wer daran glaubt, dass auch er selbst zu diesem ewigen Ursprung gehört und ein wichtiger Teil davon ist, der trägt einen großen Schatz ins sich. Die mannigfaltigen Reibungen des Alltags sind vergänglich. Sie sind nur Schall und Rauch. Sie sind in Anbetracht der Ewigkeit von Raum und Zeit regelrecht bedeutungslos.



Vergessen sie also niemals, liebe Leserin und lieber Leser, dass auch sie diesen unendlich wertvollen Schatz alle in sich tragen, der nicht nur diese Welt umfasst, sondern das gesamte Universum (und darüber hinaus) umschließt.



Nur Vertrauen, gepaart mit ungeteilter Liebe vermögen die Welt des Menschen wirklich entscheiden positiv zu verändern.



Versuchen sie es doch mal!



***



„Vertrauen entsteht dort, wo man bereit ist sich selbst aufzugeben.“



Johann Nepomuk Nestroy (1801-1862)







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