Seit Neuestem brauche ich ja 4 Stunden bis zur Arbeit. Seit dem Regierungswechsel sind so viele Gesetze erlassen worden, die ich auch alle gern befolge, denn ich bin ein guter Staatsbürger und vertraue der Regierung,denn die weiß was sie tut.
Nachdem ich heute früh mein Fahrrad gepackt habe, mit allem was ich benötige, machte ich mich auf den Weg. Die Luft ist so wunderbar frisch um drei Uhr morgens, seit die Spritpreise auf zehn Euro je Liter gestiegen sind. Es fährt nämlich niemand mehr Auto. Ich nun auch nicht mehr, denn zwei Mal im Monat müsste ich nun für tausend Euro tanken. Als ich meiner Frau sagte, dass ich mir einen Kredit aufnehmen müsse um arbeiten zu dürfen, sah sie mich ganz komisch an, nahm mir den Autoschlüssel weg und gab mir ihr Fahrrad.
So stehe ich nun hier um zehn nach drei , puste mein Schlauchboot auf, da die Brücke, über die ich früher immer fuhr inzwischen eingestürzt ist. Dieses konnte nur passieren, weil keine Steuergelder mehr da sind, um die Straßen und Brücken instand zu halten. Alle fahren nun nicht nur nicht mehr,nein alle haben auch die Fahrzeuge abgemeldet. Das tut dem Staat weh. Ich darf eigentlich gar nicht drüber nachdenken, dass ich inklusive Arbeitsweg nun einen 18 Stunden Tag habe, wovon acht Stunden nicht bezahlt werden. Auf dem Bau muss das wohl so sein, ja und die Regierung braucht ja auch dringend ihre Diätenerhöhungen, damit sie voller Elan die Geschicke des deutschen Volkes leiten kann.
Außerdem bin ich nun fünfundfünfzig und darf zum Glück noch bis achtzig arbeiten, darum ist das Rad- und Schlauchboot fahren ja so wichtig, damit ich fit bleibe, um dieses hohe Renteneintrittsalter zu erreichen. Ich beneide diese schlauen Regierungsköpfe um ihren Scharfsinn und bedanke mich an dieser Stelle, dass sie sich so gut um mich kümmern.
Wenn ich hier so links und rechts von mir gucke, habe ich den Eindruck, dass ich hier bei einer Ruderregatta mitmache. Die anderen Pendler müssen ja auch irgendwie an das andere Ufer.
Vielleicht mache ich mich ja selbstständig mit einer Fähre mit Holzgasgenerator. Ich glaube diese Dinger kommen irgendwann wieder in Mode. Überhaupt, seit es vorwärts gehen soll geht es eher Rückwärts. Weiß eigentlich einer, dass es Fahrzeuge mit Elektroantrieben schon in den zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts gab?
Ich finde es toll, dass ich auf meinem Arbeitsweg soviel Zeit habe mir derartige Gedanken zu machen.
Früher war ich nach meinem zehn Stunden Arbeitstag auch schon müde, aber nun ist es egal. Abends kann ich mich einfach auf dem Rückweg vor Erschöpfung mit dem Rad ins Gras fallen lassen und unter freiem Himmel schlafen. Toll nicht?
Alles in allem soll man ja mit dem was man hat zufrieden sein. Ich versuche danach zu handeln, ob es mir gelingt weiß ich erst, wenn einer von der Regierung meinen Arbeitsweg kreuzt...


© Picolo


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Kommentare zu "So ists fein"

Re: So ists fein

Autor: Angélique Duvier   Datum: 20.03.2022 19:56 Uhr

Kommentar: Lieber Michael, es könnte leider so kommen als wir uns jetzt vorstellen können.
Gut geschrieben.

Liebe Grüße zu Dir,

Angélique

Re: So ists fein

Autor: Michael Dierl   Datum: 21.03.2022 0:24 Uhr

Kommentar: Hahahahaaaaaaaaaaaaa...........ich muß trotzdem lachen drüber weil's einfach klasse geschrieben ist. Ja, das könnte die Zukunft sein die auf uns zu kommt! Dann werde ich mir schon mal ein Schlauchboot kaufen, denn auch ich müßte über einen Fluss!

lg Michael

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