Der Geschichtenerzähler...

Nicht weit von hier, in einem Tal von Felder und Wiesen umsäumt,
da steht ein Haus, klein und unscheinbar, ein wahrer Zauber liegt darauf.

Sobald man die Schwelle übertritt, tut sich eine Welt der Wunder auf.
Mitbringsel aus aller Welt, die hier die Wände schmücken, Traditionelles,
bunt und fremd, der Besucher kann nur noch staunen über Dinge, wie man
sie hier in unserem Land nicht kennt. Krummsäbel aus fernen Landen,
Schwerter wie die Soldaten sie getragen haben aus längst vergangenen Tagen. Kanonenkugeln, sie können gottlob nicht mehr fliegen, kann sein auf einer saß vielleicht Baron Münchhausen drauf.
Tücher, Helme und Hüte, Spielzeug aus Holz, alles schon sehr alt und etwas angestaubt, die Aura, der Zauber von Vergangenheit sich hier niedergelegt.
Die Räume, in leichtes Dämmerlicht gehüllt, versetzt die großen und kleinen
Besucher in eine erwartungsvolle, aufgeregte Stimmung.

Der Bewohner von diesem Zauberhaus ein Geschichtenerzähler ist, den hier im
Dorf wohl jeder kennt. Silberweißes Haar seinen Kopf bedeckt, ein flauschiger Schnäuzer ziert sein freundliches Gesicht. Niemals würde ihn jemand ohne seine Joppe sehn, seine Filzpantoffeln durften auch nicht fehlen, ohne diese beiden lebenslangen Begleiter fiele es ihm schwer, seine Geschichten so mitreißend zu erzählen.

Der Besucher wird weiter in den nächsten Raum geführt, vom Kamin her hört
man ein leises Knistern, ein Lehnstuhl aus Großmutters Zeiten, hinten an der
Wand, so ziemlich in der Mitte steht, schon sehr abgewetzt und in die Jahre gekommen.
In dieser Stube leuchtet nur gebremstes Licht, eine ganz besondere Atmosphäre strahlt sie aus, der Duft von Abenteuer liegt in der Luft.
Vor dem Lehnstuhl, im Halbkreis liegen große und kleine Kissen auf dem Boden verstreut, zum Sitzen oder zum Liegen, ganz wie es dem kleinen und großen Besucher gefällt, dazwischen sind kleine Tischchen mit Tellern aufgestellt, sie wurden mit selbst gebackenen, leckeren Plätzchen gefüllt. Der Geschichtenerzähler möchte, dass seine Gäste sich wohl und heimelig fühlen.

Er hat ein besonderes Talent Geschichten zu erzählen, er liest nicht vor, er erzählt einfach aus seinem Leben. War in vielen Ländern gewesen und hatte mehr erlebt, als man es sich vorstellen kann.
Die Wände sind geschmückt mit Bildern von den Reisen, wo der Geschichtenerzähler überall schon gewesen ist. Man konnte ihn sehen, wie er mit Affen auf den Bäumen in Afrika klettert, auf einem Elefanten ritt oder mit einem Krokodil im reißenden Gewässer kämpft, sah ihn mit Menschen, kleinen Menschen, die kaum größer sind als ein Kind, die in Hütten wohnen, aus Bast und Bambus gebaut.

Der Geschichtenerzähler hat schon die ganze Welt bereist, er weiß, wo die Eisbären wohnen, ging in der Arktis mit den Eskimos Robben und Walrösser jagen, hat mit ihnen zusammengelebt. Man konnte ihn in wallenden Gewändern und mit Turban sehen. War bei Menschenfressern zu Gast, hat mit den Indianern getanzt.
Die Bilder an den Wänden zeugen von einem aufregenden, abenteuerlichen und spannenden Leben.
Die kleinen und großen Gäste sehen sich die Bilder mit Begeisterung an, sie können sich wünschen, von welchem der Bilder die nächste Geschichte handeln soll.

Keine der Geschichten wurde jemals aufgeschrieben, sie waren alle im Kopf des Erzählers geblieben, er nahm seine Zuhörer so sehr mit, dass sie am Ende glaubten, sie seien selbst ein Teil dieser Geschichte gewesen. Und diese Plätzchen, diese Zauberplätzchen, alle Kinder lauschten und knabberten mit Genuss an dem Gebäck herum.
Wenn er sich in den Lehnstuhl setzte, sich zurück lehnte und die Hörerschar begrüßte, wurde es ganz still, ganz leise vernahm man das Knistern der Spannung
in der Stube. Das Bild, von dem er erzählen sollte, wurde von der Wand genommen, nahm es in die Hand, schaute es einen Moment lang an, schmunzelte und ein
Lächeln flog über sein Gesicht.
Man sah ihm die Freude an, gerade von diesem Bild die Geschichte zu erzählen.

Da war einmal... so fing bei ihm jede Geschichte an.


© Soso


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