Vorwort


Selbstdenken ist der höchste Mut. Wer wagt, selbst zu denken, der wird auch selbst handeln.

Bettina von Arnim, 1785-1859)

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"Die Menschen von heute verschwenden sehr viel Zeit damit, den Reden und den Gedanken anderer Menschen zu horchen. Es stünde ihnen viel besser, wenn sie sich mit ihren eigenen befassen."

Heiwahoe


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Die Grenzen unseres Wissens

oder

Vom Wahn der Monotheisten





Teil 1: Die Grenzen unseres Wissens

1.1 Sokrates und Jesus

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“, sagte Sokrates. Und er zeigte denjenigen, die zu wissen glaubten, dass sie sehr schnell an die Grenzen ihres Wissens kamen. Sokrates wurde zum Tode verurteilt, weil er „das in der Höhe Schwebende“, also die Welt der Religion, kritisch hinterfragt hatte, und „die Jugend verdarb“. Sokrates musste sterben, weil er ein Ungläubiger war, sich der „Asebeia“ (der „Unfrömmigkeit“) hingegeben und die Autorität der Herrschenden untergraben hatte. Diese Autorität beruhte nämlich auf Religion und Tradition.

„Bin ich Jesus ?“ fragt man, wenn man sagen will: „Ich bin doch nicht allwissend !“ Auch Jesus musste sterben. Nicht weil er an allem zweifelte, sondern weil er alles besser wusste - besser als die Pharisäer, Schriftgelehrten und die Hohepriester. Jesus glaubte, mit göttlicher Autorität zu sprechen. Durch seine Wunder wollte er dies beweisen. Auch er untergrub die Autorität der Herrschenden.

Das von Jesus als unmittelbar bevorstehende Reich Gottes ist nicht gekommen. Jesus täuschte sich. Er wusste nichts. Es ist nur konsequent, dass ihn die Juden nicht als Messias anerkannten. Sie warten noch heute auf den Messias. Aber auch sie werden sich täuschen. Der Messias und das Reich Gottes werden niemals kommen.

Nicht nur Zweifel sind gefährlich. Glaubensgewissheiten sind es nicht minder.

1.2 Wir wissen nichts über das Unerforschliche, und wer dennoch zu wissen glaubt, täuscht sich

Wir wissen nichts über Gott, über das Leben nach dem Tode oder über die ferne Zukunft. Kein Mensch auf der Welt kann etwas darüber wissen. Trotzdem gibt es viele Gläubige, Priester und religiöse Führer, die behaupten, im Besitz der Wahrheit und des Wissens zu sein. Aber sie wissen nichts. Sie täuschen sich und andere. Wer ihnen nicht glaubt, wird als „Ungläubiger“ abqualifiziert und mit der Strafe Gottes bedroht, von den Gläubigen ausgegrenzt, und, wie die Geschichte lehrt, verfolgt, misshandelt und getötet. Aber nicht die Ungläubigen sind die Gefahr, sondern die Gläubigen. Ihre Intoleranz, ihr Fanatismus, ihre Selbstgerechtigkeit und ihre Überheblichkeit, und vor allem: ihr Machtanspruch stellen eine Gefahr für den Frieden, die Sicherheit, den Fortschritt und das Wohlergehen der Menschheit dar.

1.3 Die Fragwürdigkeit religiöser „Erfahrungen“

Das religiöse „Wissen“ stammt aus Träumen („Visionen“ genannt), Halluzinationen, Suggestionen und Hysterie. Neben dem normalen Wachbewusstsein gibt es eine Vielzahl von Zuständen unseres Gehirns, in denen die äußeren Sinneseindrücke ausgeblendet werden und das Gehirn aus sich selbst heraus Bilder, Tonwahrnehmungen und Empfindungen produziert. Diese besonderen Zustände des Gehirns können durch Schlafentzug, Fasten, Drogen, psychische Störungen, Autosuggestion, Erschöpfungszustände bei körperlicher oder seelischer Überanstrengung, durch Tanzen und laute Musik, usw. usw. entstehen. Insofern haben, nebenbei bemerkt, Techno-Diskos und Drogen durchaus eine Dimension archaischer Religiösität.

Das Gehirn kann nur richtig funktionieren, wenn sich Blutdruck, Sauerstoffgehalt, Blutzuckerwert, Elektrolytgehalte und vieles andere innerhalb bestimmter Grenzen bewegen. Menschen, die religiöse Erfahrungen machten, haben vorher oft bewusst oder unbewusst ihr Gehirn aus dem Gleichgewicht gebracht. Diese religiösen Erfahrungen können gewaltig und aufwühlend sein, und auf den Menschen den Eindruck einer Offenbarung machen. Nicht selten fühlen sich diese Menschen dazu getrieben, den anderen diese Offenbarungen mitzuteilen, also zum Verkündiger und Lehrer zu werden. In diese Kategorie sind Moses, Jesus und Mohammed einzuordnen, die sich in die Wüste zum Fasten zurückgezogen haben und als Verkünder einer neuen Lehre zurückgekehrt sind.

1.4. Religiöse Erfahrungen können auch „auf Bestellung“ produziert werden

Religiöse Menschen führen diese außergewöhnlichen Zustände oft bewusst herbei. Eine gemäßigte Form ist die Meditation und die mystische Versenkung. Dabei spielen oft Atemtechniken eine Rolle, die den Blutsauerstoffgehalt absenken. Die Mystiker wollen ihr Bewusstsein völlig von allen Gedanken leeren, damit Gott von ihnen Besitz ergreift. Magier und Schamanen streben es an, Wachträume zu haben (oder bei andern zu erzeugen) und sich in dieser Traumwelt zu bewegen und das Traumgeschehen zu steuern bzw. zu beeinflussen. Was früher unter Anleitung von erfahrenen Lehrmeistern erlernt wurde, wird heute von unbedarften und ahnungslosen Laien praktiziert, die sich nicht über die Gefahren dieses Tuns für ihre geistige Gesundheit Rechenschaft ablegen.

Durch kreative Wachträume sind viele Mythen der religiösen Literatur entstanden. Wie viele erfundene Geschichten gehen sie aber von realen Dingen aus und können durchaus auch tiefe Wahrheiten ausdrücken. Aber man darf sie nicht wörtlich nehmen und man muß kritisch sehen, wo offensichtlicher Unsinn produziert wird – manchmal auch gefährlicher Unsinn.

1.5 Die Kreativität des Menschen in außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen

Es soll hier nicht geleugnet werden, dass diese außergewöhnlichen Bewusstseinszustände dem Menschen eine besondere Kreativität verleihen können. Während im normalem Wachzustand sich das Gehirn sehr viel mit den äußeren Sinneseindrücken und ihrer Einordnung und Verarbeitung beschäftigt, wobei das Denken oft in immer wiederkehrenden Gedankenabläufen kreist, kann es im Schlaf, Halbschlaf, Trance, Meditation, unter Drogeneinfluss oder anderen Bewusstseinszuständen zu einer Befreiung aus dem alltäglichen Rahmen kommen, und es können ganz neue Ideen und ganz neue Geschichten entstehen. Aber die Kritikfähigkeit des Menschen ist in diesem Zustand stark herabgesetzt, und es werden ganz abstruse Dinge in die Welt gesetzt; und wenn sie erste einmal in der Welt sind, können sie dann ein zähes Eigenleben entwickeln, z. B. als fixe Idee.

1.6 Durch Meditation zum Übermenschen – eine Illusion

Es wird von einem „höheren Bewusstseinszustand“ geredet, der dem Menschen göttliche Einsichten vermitteln kann. Man sollte aber nicht glauben, dass damit eine überirdische Intelligenz erreicht werden kann. Immer wieder wird so getan, als würden weite Teile des Gehirns brachliegen und als könnte man durch besondere Methoden diese Bereiche aktivieren und zu einer übermenschlichen Intelligenz zu gelangen. Wie die bisher recht kläglichen Versuche der Computerexperten zeigen, den Robotern beizubringen, sich wie Menschen zu bewegen, sind selbst die einfachsten Dinge, die der Mensch macht, z. B. einen Ball im Laufen aufzufangen, ungeheuer komplexe und schwierige Vorgänge, die von einem Computer, der das ganze Wissen der Welt hat, bisher nur sehr unvollkommen geleistet werden können. Wer seinen Alltag meistert, beweist damit ungeheure Fähigkeiten. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die Gurus und religiösen Führer im Berufsalltag nicht selten versagt haben ? Dass sie, die sie manchmal wie Halbgötter daher kommen, mit den einfachen Dingen des Lebens nicht klarkommen ? Könnte dieses ganze Überlegenheitsgetue nicht eine Überkompensation von Mängeln sein ?

Teil 2: Die Macht der Ideen

2.1 Was Ideen sind und was sie bewirken

Ideen sind zunächst einmal nur Vorstellungen und Bilder - auch Bilder, die wir mit unseren eigenen Augen gesehen haben, und die in uns nachwirken. Es können aber auch Bilder sein, die der Vorstellungskraft entspringen. Da unsere Sinne uns nur einen beschränkten Ausschnitt der Welt liefern, sind wir auf unsere Vorstellungen und Ideen angewiesen, um uns ein umfassendes Bild von der Welt zu machen. So können wir die Welt verstehen und begreifen, und wir können unter den Wahlmöglichkeiten, wie wir handeln sollen, die Richtige herausfinden. Dieses Verhalten ist intelligentes Verhalten. Ohne Ideen könnten wird die Welt nicht begreifen und wären dumm.

Die Ideen haben aber auch die Fähigkeit, unseren Körper und unser Verhalten zu steuern. Ohne die Vorstellung: „Ich gehe“ könnte ich gar nicht gehen. Bevor ich eine Handlung vollziehe, stelle ich sie mir erst vor und mein Körper führt sie aus. Ideen steuern den Körper. Darauf beruhen viele suggestive Heilerfolge, auch viele „Wunder“. „Nimm dein Bett und geh !“, sagt Jesus zu dem Gelähmten.

2.2 Das Eigenleben der Ideen

Ideen neigen dazu, sich selbst in die Tat umzusetzen, oft gegen den Willen des Menschen, von dem die Idee Besitz ergriffen hat. Ideen sind wie Computerprogramme, die auf verschiedenen Computern laufen können. So kann die gleiche Idee von vielen Menschen Besitz ergreifen und sie in Bewegung setzen. Die Summe einer Vielzahl von Ideen bilden einen „Geist“, z. B. den christlichen oder islamischen Geist.

Ideen können also von Menschen Besitz ergreifen, so wie ein Gott oder ein Dämon von einem Menschen Besitz ergreift. Aus der Voodoo-Religion kennen wir das Phänomen, dass ein „Loa“, (das ist eine Voodoo-Gottheit) von einem der bei einer kultischen Veranstaltung Anwesenden Besitz ergreift und durch ihn spricht. Schon immer wurden Menschen von ihrem Gott ergriffen und gerieten in heiliger Ekstase.

So ist die Welt der Götter, Geister und Dämonen im Grunde eine Welt der Ideen und Vorstellungen. Für die Gläubigen ist diese Welt die eigentliche, die reale Welt, die unserer alltäglichen Welt übergeordnet ist, und die immer wieder in alltägliche Welt hineinwirkt.

2.3 Die Bedeutung der Wunder für die Gläubigen

Wenn man davon ausgeht, dass alle Vorgänge in der materiellen Welt gemäß den Naturgesetzen ablaufen, dann bleibt kein Platz für das Eingreifen der übernatürlichen Mächte. Wenn Gott sich stets an die Naturgesetze halten muß (wie das Bolzano postuliert), wie kann Gott dann in das Weltgeschehen eingreifen ?

Für die Gläubigen ist eine Gottheit, die nicht in das Weltgeschehen eingreifen kann (oder auch will) nicht akzeptierbar – denn dann hätte es keinen Sinn, zu beten oder Opfer zu bringen. Ein solcher passiver Gott könnte die Wünsche der Gläubigen nicht erfüllen. Ein Gott, der weder belohnen noch bestrafen kann, ist für die Gläubigen uninteressant.


Der Beweis dafür, dass Gott doch über den Naturgesetzen steht und in das irdische Geschehen eingreift, ist für die Gläubigen das Wunder. Wer an den Wundern zweifelt, der unterminiert das ganze Glaubensgebäude. Deshalb werden die Wunder von den Gläubigen vehement verteidigt. Hinzukommt, dass die Fähigkeit, Wunder zu tun, die Wundertäter (Jesus, Maria und die Heiligen) über die gewöhnlichen Menschen hinaushebt und den Kult an ihnen fördert. Kult bedeutet kritiklose Bewunderung und Zustimmung. Die ist natürlich von Seiten derer, die ihre Glaubensgewissheiten durchsetzten wollen, hoch erwünscht.

2.4 Ohne Gläubige keine Opfer, ohne Opfer keine Priester

Wenn es keine Erhörung der Gebete gibt, dann braucht der Gläubige seinem Gott und seiner Priesterschaft keine Opfer und Geldspenden darzubringen. Dann müssten die Priester, Gurus, Sektenführer von ihrer Hände Arbeit leben. Also haben sie ein existenzielles Interesse daran, den Wunderglauben in der Bevölkerung zu fördern. Allerdings sind Wunder eine zweischneidige Sache für die etablierten Glaubensgemeinschaften: Wenn herauskommt, dass die Wunder eine Fälschung sind, ist das peinlich, denn man fragt sich, ob nicht alle Wunder Fälschungen und Irrtümer sind.

Außerdem stellen „freiberufliche“ Wundertäter immer ein Konkurrenz zu den etablierten Priestern dar (siehe Leben und Leiden Christi), und außerdem leben wir in einem Land, in dem die Kirchensteuer auch ohne Wunder fließt – was irgendwie eigentlich doch allmählich zum Wunder wird.


„Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind“, heißt es.

2.5 Der Kampf der Ideen

Aber nicht nur die Religionsgemeinschaften stehen untereinander in Konkurrenz um diejenigen, die bereit sind zu glauben. Auch die Ideen selbst stehen in Konkurrenz zueinander. Sie entfalten ein Eigenleben, so wie Computerviren und Computerprogramme ihr Eigenleben entfalten und sich immer mehr ausbreiten wollen. So, wie die Computer nur die „Wirtstiere“ für die Viren und Programme sind, so sind die Menschen auch die „Wirtstiere“ für Ideen.

Die Ideen helfen dem Menschen, die Welt zu verstehen und zu gestalten; Ideen können einem Menschen bei anderen Menschen Einfluss, Macht und Würde geben. Ideen können der beste Freund und der ärgste Feind eines Menschen sein. Man kann jedem Menschen nur raten, zu den Ideen, die er in sich trägt, kritische Distanz zu wahren. Oft ist das für Menschen mit einer „soliden Halbbildung“ besonders schwierig. Meist haben sie ihr Wissen nicht durch qualifizierte Lehrer und gründliches Studium, sondern durch Lesen zweifelhafter Bücher oder durch zweifelhafte Autoritäten erlangt. Menschen ohne richtige Bildung stehen dem Ideenschatz, den sie sich angeeignet haben, unkritisch gegenüber – weil ihnen niemand die Skepsis beigebracht hat. Als Menschen mit so einer gefährlichen Halbbildung würde ich z. B. Hitler ansehen, der sein „Wissen“ aus Pamphleten wie die „Ostara-Hefte“ und von seinem Mentor Eckhart bezog.


2.6 Hitler- ein von Ideen Besessener

Wie konnte diese halbgebildete, verkrachte Existenz Hitler so große Wirkungen auf seine Umwelt entfalten ? Weil er Ideen verkörperte, die weithin verbreitet waren bzw. sich auch recht gut verbreiten ließen, weil sie der menschlichen Psyche entgegenkamen. Ohne seine Ideen wäre Hitler ein Arbeitsloser geblieben, der in Wien sein Leben vom Verkauf von Architekturbildern fristete und später in München als Spitzel für die Reichswehr arbeitete. Die Ideen, die er in sich aufsog, gingen letzten Endes auf die altorientalische Geisteswelt, vermittelt und ausgebaut durch die Juden, zurück. Das ist das Paradoxe: Hitler war letztlich von jüdischen Ideen besessen. Lange vor den Rassegesetzen der Nazis gab es die Rassengesetze der Juden. Hitler sah sich als Messias des deutschen Volkes, das er für das auserwählte Volk hielt.



2.7 Altorientalische Ur-Ideen

2.7.1 Die Idee vom auserwählten Volk

Dies ist die Idee, dass ein Volk dazu berufen ist, über alle anderen Völker zu herrschen, weil es von Gott bevorzugt ist. Jedes Volk, dem es gelingt, andere Völker zu unterwerfen, möchte seine Herrschaft legitimieren und ihr den Anstrich der Rechtmäßigkeit zu geben. Die Herrschaft wird durch Überlegenheit begründet: „Unser Gott ist überlegen, unsere Kultur ist überlegen, unsere Rasse ist überlegen. Deshalb sind wir zu Herrschaft berufen.“ Dies sind in etwa die Ideen, die sich in dem herrschenden Volk und in der herrschenden Klasse leicht ausbreiten und festsetzen, denn diese Ideen sind angenehm und willkommen. „Du, Römer, bist dazu berufen, über die Welt zu herrschen“ heißt es in etwa bei Vergil.

2.7.2 Die Idee von der „Vorsehung“

Dies ist die Idee, dass die Götter oder ein Gott die Geschicke der Welt lenkt und dabei das auserwählte Volk besonders bevorzugt. Im persischen Weltreich waren dies selbstverständlich die Perser, für die Ägypter die Ägypter, für die Römer die Römer. Die Juden brachten das Kunststück fertig, sich für das auserwählte Volk zu halten, ohne dass sie ein großes Reich beherrschten.

2.7.3 Die Idee vom Messias

Der Messias ist ein von Gott erwählter Führer, der sein Volk aus Knechtschaft und Demütigung befreit und es zu Ruhm, Macht und Ehre führt – vielleicht sogar bis zur Weltherrschaft.

2.7.4. Die Idee vom königlichen Blut

Der ägyptische Pharao beanspruchte, von den Göttern abzustammen. Das königliche Blut legitimierte seine Herrschaft. Die frühen Christen legten Wert darauf, dass Jesus von König David abstammte und damit königliches Blut in seinen Adern hatte. Königliches Blut legitimierte zur Herrschaft. Ein Gedanke, den das europäische Mittelalter gerne aufnahm. Der Adel legitimierte sich ebenfalls durch seine Abstammung und bei den Nationalsozialisten legitimierte das arische Blut zur Herrschaft. Wir sehen, wie uralte Ideen unausrottbar sind und über Jahrtausende hin wirken.

2.7.5 Die Idee von der Reinhaltung der Rasse

Von der Idee, das königliche Blut rein zuhalten (deshalb heiratete der Pharao seine Schwester), bis zur Idee von der Reinhaltung der Rasse ist es nur ein kleiner Schritt. Von der Idee der Reinhaltung der Rasse bis zu den Reinheitsgesetzen der Juden war es auch nur ein kleiner Schritt. Und von der Rassegesetzen der Juden war es auch nur ein Schritt zu den Rassegesetzen der Nazis. Die Menschen wechseln, aber die Ideen bleiben immer dieselben.

Teil 3: Von der Anmaßung und der Intoleranz der Gläubigen

3.1 Das Göttliche bleibt unergründbar

Wer oder was Gott ist, welche Eigenschaften, welche Pläne und welche Motive er hat, kann niemand wissen. Wir wissen nicht einmal, ob das Göttliche eine Person ist. Die drei monotheistischen Religionen behaupten, dass Gott eine Person sei, mit der man in eine persönliche Beziehung treten kann. Aber woher wissen sie das ? Woher kennen sie all die Eigenschaften und Pläne Gottes ?

Gott bleibt unerforschlich. Alle religiöse Offenbarungen und alle Glaubensgewissheiten beruhen auf Täuschung – sei es auf Selbsttäuschung oder auch auf bewusster Täuschung anderer. „Frommen Betrug“ nennt man das.

Nicht der Glaube ist eine die Tugend, sondern der Zweifel.

3.2 Warum es zwischen den monotheistischen Religionen keine Versöhnung geben kann

Seit Jahrhunderten beobachten wir die Versuche, zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen katholischen und orthodoxen Christen, zwischen Christen, Juden und Moslems eine Versöhnung und Wiederangleichung herbeizuführen. Aber es werden nur mikroskopische Fortschritte gemacht. Warum wohl ? Weil die Intoleranz und die Intransigenz ein ganz entscheidender Charakterzug des Monotheismus ist.

Monotheismus ist „Monopoltheismus“. Er ist das Ergebnis des erfolgreichen Versuchs der jüdischen Jahweh-Priesterschaft zur Regierungszeit des Königs Josia (639 bis 608 v. Chr), das Tempelheiligtum in Jerusalem zur einzigen erlaubten Kultstätte des einzigen erlaubten Gottes im gesamten Land zu machen. Durch dieses Monopol sollte gewährleistet werden, dass alle Opfergaben und Spenden an die Priesterschaft des Jerusalemer Tempels flossen.

Durch diesen Akt wurden die Heiligtümer aller anderen Götter zur Plünderung und Zerstörung und ihre Priesterschaft zur Abschlachtung bzw. Vertreibung freigegeben.

Wer im Besitz des Heiligtums des einzigen Gottes auf der ganzen Welt ist, verwaltet den Mittelpunkt der Welt. Wer den Willen des einzigen Gottes auf der ganzen Welt kennt, kann natürlich der ganzen Welt sagen, was sie zu tun hat. Wer im Besitz der göttlichen Weisheiten ist, braucht auf niemand anders mehr zu hören, sondern der hat immer recht.

Hier liegt der Grund für die unerbittliche Starrheit, welche die drei monotheistischen Religionen auszeichnet.

Der Islam ist im Grunde nur ein auf die arabischen Verhältnisse übertragenes Judentum. Die Parallelen sind offensichtlich: In beiden Religionen gibt es eine Heilige Stadt, die der zentrale Wallfahrtsort ist. Beide Religionen haben ein heiliges Buch, das absolut verbindlich ist. Beide wollen eine Herrschaft Gottes, also eine Herrschaft der Priester, die nicht demokratisch, sondern durch Gott legitimiert ist. Beide Religionen legen großen Wert auf Reinigungsrituale. In beiden Religionen gibt es die Beschneidung usw.

Auch zwischen Christentum und Judentum gibt es natürlich zahlreiche Parallelen. Schließlich haben beide das alte Testament als Heiliges Buch gemeinsam. Aber das Neue Testament ist nicht nur vom jüdischen, sondern auch stark vom griechischen Geist geprägt. Das macht das Christentum prinzipiell philosophischer und rationaler. Aber im innersten Kern ist das Christentum altorientalisch.

Was spräche also dagegen, die drei Religionen in einer einzigen Religion zu vereinen ? In der Theorie nichts, in der Praxis alles. Denn die Praxis ist vom Monopolanspruch der drei Religionen geprägt. Nur einer kann das Monopol haben. Da ist kein Raum für Kompromisse.

3.3 Warum der indische Kulturkreis toleranter ist



Der Hinduismus kennt eine Vielzahl von Göttern. Die indischen Gläubigen haben kein Problem, die verschiedenen Götter gleichzeitig zu verehren. „Leben und leben lassen“, das ist die Devise im Polytheismus. Ebenso war es in der heidnischen Antike. Dieses Paradies der Toleranz haben die monotheistischen Religionen zerstört.

Es ist kein Zufall, daßssaus Indien und Ostasien immer wieder Ideen zu uns gelangen, dass alle Religionen doch im Grunde dasselbe wollen und dass man alle Religionen in einer einzigen, synkretistischen Religion vereinen könne. Hier wirkt der Geist des indischen Kaisers Ashoka nach. Aber die Intoleranz der monotheistischen Religionen wird alle Versuche, die Spaltung der Religionen zu überwinden, scheitern lassen.

Teil 4: Kann der Humanismus die Religion ersetzen ?

Die Religion stellt Gott, seine Kirche, seine Propheten und ihre Lehren in den Mittelpunkt. Das ganze Leben ist darauf ausgerichtet und die ganze Welt wird aus diesem Blickwinkel erklärt. Der Mensch und sein irdisches Glück spielt in der Religion eine Nebenrolle.

Beim Humanismus wird der Mensch in den Mittelpunkt gerückt. Gut ist jetzt nicht mehr, was der Kirche nützt, sondern das, was für den Menschen gut ist. Der Mensch wird mündig, er befreit sich aus seiner „selbstgewählten Unmündigkeit“ (Kant).

Durch den Kontakt mit der Antike lernte man in der Renaissance, daß es noch andere Religionen und andere Philosophien denkbar sind als die christliche. Man lernte zu zweifeln und man lernte unvoreingenommen die Wahrheit zu suchen und sie zu verbreiten. So folgte auf die Renaissance das Zeitalter der Entdeckungen, der Aufklärung und der Vernunft.

Aber es entstand eine neue Gefahr: Der Mensch, der nur sich selbst verantwortlich ist, der nur sein Glück und die Befriedigung seiner Begierden sucht, der sich keiner Religion und keiner Tradition beugt, sondern der schrankenlos seinem Streben nach Macht und Lustgewinn nachgeht, kann zu einem Unmenschen werden. Es ist kein Zufall, dass sich Joseph Goebbels als „Renaissancemensch“ gesehen hat.

Die Religion sozialisiert den Menschen; sie lehrt ihn, sich einer höheren Macht zu unterwerfen und zu dienen. Wo keine höhere Gesittung ist, wird der Mensch trotz aller Bildung zum Barbaren.

Für die christliche Religion ist der Mensch zu seiner Errettung auf seinen Glauben und auf die Gnade Gottes angewiesen. „Sola fide, sola gratia“, das war auch für Luther klar. Für den Humanismus ist es der Mensch selbst, der sich befreit und zum Glück führt. In diesem Punkt berührt er sich mit dem Buddhismus. Dort befreit sich der Mensch von den Leiden der Welt selbst – allerdings mit Hilfe eines Lehrers, letztlich Buddha. Aber dieser Lehrer ist Mensch, nicht Gott. Daß Buddha dann wieder zum Gott gemacht wurde, ist eine andere Sache und von Buddha sicher nicht gewollt.

Der Humanismus berührt sich auch mit der indischen und islamisch-persischen Mystik (dem Sufismus), indem er in dem Menschen etwas Göttliches sieht, etwas, das ein Teil Gottes ist und damit, extrem formuliert, selbst Gott ist. Aber Gott ist nicht nur im Menschen, sondern in der ganzen Welt. Das Göttliche ist also nicht wie im Judentum in einem Gott konzentriert, der als Person gesehen wird, sondern für den Mystiker ist Gott quasi über die ganze Schöpfung verteilt, so dass alles mit allem verbunden ist und eine große Einheit bildet. Diesem Gedanken trägt das Christentum durch den „heiligen Geist“ Rechnung. Das ist der griechische Einfluss, letztendlich wohl indischer Einfluss, denn das Reich Alexanders und seiner Diadochen reichte bis Indien.

Die Gefahr, dass der Mensch sich Gott gleichsetzt, kann zum Größenwahn führen. Nietzsche, ein typischer Humanist, hielt sich am Schluss seiner geistigen Umnachtung für Gott selbst.

Wenn sich der Mensch auch nicht gleich zum Gott macht, so neigt er, aus den Fesseln der Religion befreit, dazu, sich über alle Moral und alle Gesetze hinwegzusetzen. Man glaubt nur noch an das Recht des Stärkeren und sieht in der christlichen Moral mit Nietzsche nur eine Sklavenmoral. Jener unselige Satanist und „Magier“ Alleister Crowley sagte: „Tue was du willst, das sei dein Gesetz.“

Da nun der Mensch nicht selbstherrlich nur einem Egoismus leben darf, muss er doch wieder einer höheren Instanz verpflichtet sein. Diese Instanz kann nur die Menschheit als Ganzes sein. Nicht der Mensch als Individuum, sondern die Menschheit als Ganzes muss in den Mittelpunkt gerückt werden. Ob Gott die Dienste und die Verehrung des Menschen braucht, wage ich zu bezweifeln. Aber die Menschheit braucht die Dienste des einzelnen Menschen.

5. Schluss

Mit Recht weisen Wissenschaftler darauf hin, daß die Religionen nur der Vorwand sind, um handfeste materielle Konflikte mit einen ideologischen Überbau zu versehen. Aus ihrer Sicht gab es keine Kriege, die wirklich um der Religion willen geführt wurden. Es ging stets um Macht und materiellen Gewinn. Diese Sichtweise ist zum großen Teil zutreffend. Aber es ist genauso zutreffend, daß vor allem die monotheistischen Religionen dem Geist der Gemeinschaft aller Menschen und der Versöhnung entgegenstehen. Solange man sagt: „Vereinigung der Menschheit ? Da sind wir auch dafür. Aber selbstverständlich Vereinigung des der Menschheit unter dem grünen Banner des Propheten und Unterwerfung aller unter den Willen Allahs (oder Vereinigung unter dem Kreuz unseres Herren Jesus Christus)“, wird es keine friedliche Vereinigung aller Menschen geben.


Deshalb stehen die monotheistischen Religionen (eigentlich müsste es Sekten heißen) der Einheit der Menschheit im Wege.



(c)Heiwahoe





Wie sehr Macht der Wahrheit im Wege steht, ergibt sich schon daraus, dass zur Macht die Angst gehört.

Hans A. Pestalozzi


© (c)Heiwahoe


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