Konrad und Blauäugelein...


Vor vielen, vielen Jahren lebte im Dörfchen Kaltenbrunn der Milchmann Konrad.
Er war schon alt, jedoch sein Alter konnte man nicht recht einschätzen. Konrad war groß und hager, und hatte einen schlohweißen Kinnbart.
Sein Gesicht strahlte immer Freundlichkeit und Liebe aus. Der Milchmann Konrad war zu allen Menschen gut, aber vor allem liebte er Kinder.
Den Kindern schenkte er öfter schwarze Lakritzstangen.
Er war bei allen Dörflern beliebt, und die Kinder nannten ihn „Onkel Konrad.“
Konrad verkaufte in den umliegenden Dörfern Milch und Molke.
Er besaß einen Karren, der von seinem Esel Grauohr gezogen wurde.
Auf dem Karren waren große Kannen, in denen er Milch und Molke transportierte.
Läutend fuhr er mit seinem Gefährt durch die Dörfer, und die Leute eilten ihm
immer entgegen. Manchmal kamen Leute zu ihm, die kein Geld besaßen, denen gab er dann Michl und molke gratis.
Der Milchmann war bei jeden Wetter unterwegs, selbst an Wochenenden.
Es war ein Tag im November und es regnete wie aus Schleusen.
Konrad hatte seine Milch und seine Molke verkauft, und wollte bei diesem
Sauwetter schnell nach Hause. Als er an der Kirche vorbei kam, sah er auf den Treppenstufen eine alte Frau sitzen.
Ihr blasses Gesicht drückte Milde und Liebe aus. Sie trug ein schwarzes, zerschlissnes Gewand, und ihre Füße steckten in rauhen Holzpantinen.
Mit leiser Stimme sagte die alte Frau: „ Bitte, kann ich von dir einen Schluck
Milch bekommen.“
Konrad sagte zu ihr: „Ich habe schon alle Milch verkauft , aber ich kann dir
meine dicke Joppe schenken, denn dein Gewand ist ja sehr zerschlissen.“
Die alte Frau freute sehr, und sie zog die Joppe über ihr Gewand. Der
Milchmann gab ihr noch seinen ledernen Beutel mit all den Tageseinnahmen.
Er sagte danach: „ Da kannst du von diesem Geld, mehre Tage, in der Gastwirtschaft gut essen.“
Der alten Frau liefen vor Dankbarkeit Tränen über das blasse Gesicht.
Sie verbeugte sich und sagte: „ Der Herrgott wird es dir lohnen!“
Zu Hause angekommen spannte Konrad seinen Esel aus, und er brachte ihn
in den schützenden Stall.
Er betrat seine Lehmkate und staunte nicht schlecht. Auf dem Küchentisch lag sein lederner Beutel . Konrad öffente den Beutel und wurde von einem kolossalen Lichtstrahl geblendet. Die Kupfermünzen waren verschwunden und viele Silbermünzen blitzten ihm entgegen!
Der kalte Winter war wie im Fluge vergangen, und der Frühling hatte Einzug gehalten.Überall blühten die Winterlinge und die Krokusse. Die Weiden hatten ihr zartes, grünens Kleid angezogen, und die Meisen ließen ihr frohes Geläut hören. - 1- Es war wieder die schönste Zeit, vom ganzen Jahr.
Konrad hatte sich von den Silbermünzen einen neuen Karren und einen
jungen Esel gekauft, der auf den Namen „ Wolli“ hörte.
Seinen alten Esel Grauohr ließ Konrad täglich auf der Koppel grasen.
Es war ein herrlicher Frühlingstag, und der Milchmann fuhr mit seinem Gefährt in die Stadt. Er saß auf dem Kutscherbock und pfiff frohgelaunt
vor sich hin.
Vor dem Stadttor traf er wieder auf die alte Frau, und er rief ihr zu: „Mütterchen, heute kann ich dir Milch abgeben“ Konrad reichte ihr einen Meßbecher voll Milch. Die alte Frau dankte, und sie trank die Milch genüßlich aus. Sie sagte wieder: „ Der Herrgott wird es dir lohnen!“ Kaum hatte sie es ausgesprochen, da war sie urplötzlich verschwunden.
Konrad verkaufte seine Milch und seine Molke, und es zog ihn zum Wirtshaus „Zur goldenen Gans.“
Im Wirtshaus trank er so manchen Schnaps und auch etliche Biere. Der
Milchmann war so voll, dass er einige Male unter den Tisch fiel. Der dicke
Wirt Bernhard setzte den trunkenen Konrad auf den Kutschbock und gab
den Esel einen Schlag auf die Kruppe. Das Gefährt setzte sich in Gang.
Konrad mußte auf seiner Heimfahrt immer ein Stück durch den dunklen Wald
fahren. In diesem Wald hausten etliche Räuber, die die Kaufleute und Reisende überfielen und ausraubten.
Konrad wußte gar nicht wie ihm geschah, als zwei Räubergesichter in den
Karren guckten. Er richtete sich auf und sagte zu sich: „ Ich muß ja noch sternhagelblau sein.“
Ein Räuber meinte darauf: „ Da können wir dich noch bequemer ausrauben!“ Mit all seiner Kraft schrie Konrad: „ Hilfe, Hilfe, Hilfe!“ Der Räuber mit der Augenbinde sagte zu dem Milchmann: „ Schrei ruhig weiter, hier im
Wald hört dich sowieso niemand.“
Kaum hatte der Räuber das ausgesprochen, als aus dem Nichts, plötzlich
die alte Frau vor ihnen stand. Sie klaschte drei Mal in ihre Hände und von
überall her kamen Kobolde. Einige trugen Wurzelstöcke, andere wieder Reisigbesen, mit denen sie auf die Räuber einschlugen. Die Räuber flüchteten unter großem Geschrei. Konrad wollte sich bei der alten Frau und bei den Kobolden bedanken. Jedoch so schnell wie sie gekommen waren, waren sie auch wieder verschwunden.
Es war inzwischen Herbst geworden. Die Felder waren abgeerntet. Die Hagebutten glänzten weithin sichtbar am Strauch. Die Bussarde zogen am Himmel rufend ihre Kreise, und in der Luft lag eine schwere Süße.
Konrad war in den Wald gefahren um Brennholz für den Winter zu sammeln.
Er fand viel Brennholz, und seine Karre war schnell beladen. Der Milchmann fuhr los, und als er an den Waldrand kam, sah er auf dem Grenzstein, die alte Frau sitzen. Sie hatte ihren linken Strumpf ausgezogen und sie hielt das Bein in die Luft.Konrad hielt an und er fragte: „ Mütterchen, was ist dir denn passiert?“ - 2-
„ Ach,“ meinte die Alte „ ich habe mir einen Dorn eingetreten!“
Konrad befreite die Alte von dem Dorn. Doch plötzlich verwandelte sich die Alte Frau in eine hübsche Waldfee. Sie hatte ein Engelsgesicht und ihre langen, blonden Haare, reichten bis fast auf den Waldboden. Ihr Gewand aus hellblauer Seide war durchsichtig, und an ihren Füßen trug sie silberne Sandalen.
Die Waldfee schlug „ ein Kreuz,“ und sie sagte: „ Du hast mich von einem bösen Zauber befreit. Zum Dank sollst du dein ganzes Leben glücklich
sein, und dir soll es an nichts fehlen.“ Es war die Waldfee Blauäugelein!

Er lebte viele Jahre glücklich im Rheingau.














7. Juni 2022 Klaus-Jürgen Schwarz


















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© Jürgen


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