Drei mal abgeschnitten und immer noch zu kurz

© Clker-Free-Vector-Images/Pixabay

Der Slogan eines auf handwerklich hergestellte, zum Teil sehr retro anmutende und vor allem sehr, sehr teure Produkte spezialisierten Ladens lautet „Es gibt sie noch, die guten Dinge“.
Ich wünschte, dies würde auch für Fachkräfte gelten, denn da habe ich des Öfteren so meine Zweifel. Entweder sind sie grottenschlecht, schweineteuer oder, wenn sie gut sind, sind sie über Monate hinweg ausgebucht.
Gute Handwerker sind rar.
Mein Vater kommentierte schlecht ausgeführte Handwerksarbeit anderer Leute immer mit der Aussage „Drei Mal abgeschnitten und immer noch zu kurz.“ Bis der von ihm kritisierte Handwerker begriff, was er damit meinte, war mein Vater schon über alle Berge.
Heute wäre er heiß begehrt, zumal sich seine Fertigkeiten nicht auf ein Fachgebiet beschränkten.
Er bearbeitete Holz, konnte Fliesen verlegen; sogar senkrecht an den Wänden, Mauern hochziehen und verputzen, malern, tapezieren und einbauen. Er kannte sich mit Elektroinstallation genauso gut aus wie mit der Zubereitung von Kartoffelpuffern und leckerem Quark mit selbst gezogenen Kräutern, bediente virtuos eine elektrische Nähmaschine und konnte Brot backen.
Mein Vater – das Multitalent.
Glücklicherweise habe ich einige seiner handwerklichen Fähigkeiten geerbt oder mir abgeschaut. Natürlich hat er auch versucht, mir das eine oder andere beizubringen. Brot backen kann ich ganz gut, gerade Nähte allerdings bekomme ich ohne zu riskieren, meine Finger festzunähen nicht hin, daher werden es Schlangenlinien. Beim Fliesenverlegen baue ich Luftblasen ein, Tapeten hat doch heutzutage sowieso kein Mensch mehr an der Wand und was das Maurern und Tischlern angeht, dafür fehlt mir die Kraft.
Ich kann jedoch Wände und Möbel streichen; sogar beidhändig, wie ich vor einiger Zeit zu meiner eigenen Überraschung festgestellt habe. Auch einen Schraubendreher kann ich sowohl mit der rechten als auch mit der linken Hand handhaben. Das finde ich richtig cool.
Als ich einmal - nur so aus Neugier - versucht habe, mit der linken Hand einen Hammer zu schwingen, um einen Nagel in die Wand zu schlagen, ging das nicht gut aus. Muss ja auch nicht sein. Mein Vater hätte mit ziemlicher Sicherheit einen seiner schlauen Sprüche vom Stapel gelassen: „Wo gehobelt wird, fallen Späne.“
Das klingt doch irgendwie netter, als würde man „Selbst schuld!“, sagen. Stimmt´s oder habe ich Recht?


© Marie Bousiller


3 Lesern gefällt dieser Text.

Unregistrierter Besucher
Unregistrierter Besucher


Beschreibung des Autors zu "Drei mal abgeschnitten und immer noch zu kurz"

Drei mal abgeschnitten und immer noch zu kurz - Eine Murksgeschichte rund ums Handwerken

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Drei mal abgeschnitten und immer noch zu kurz"

Re: Drei mal abgeschnitten und immer noch zu kurz

Autor: Michael Dierl   Datum: 03.08.2024 9:10 Uhr

Kommentar: Hi, hmmm....ich glaube Du sprichst über MICH!!! Bin ebenfalls ein Multitalent dass ich sicherlich von meiner Oma geerbt hat denn die hat mich schon sehr früh für alles interessiert gemacht was irgendwie mit Nahrung und Handwerk zu tun hatte. Vom Pilzesammeln über das was man im Wald an eßbaren ergattern kann, bis hin zum Bau diversen nützlichen Dingen, wie ein Holzkiste, denn damals gab es noch kein Plastikzeug und man brauchte eben einen Sack oder eine Kiste die man selbst bauen kann. Wie man Obst und Gemüse einkocht, also haltbar macht. Wie man leckeres Brot backt oder Kuchen, Salate usw. kürze mal ab. Es gibt fast nix war man nicht alleine irgendwie hinbekommt außer Elektronik reparieren das ist noch eines der wenigen Felder in der ich leider das Handtuch werfen muss. Denn dazu braucht man viel Wissen und der Tag hat leider auch nur 24 Std. Leider kann man nicht alles machen aber das was mich interessiert hat mich immer schon gereitz mich daran auszuprobieren. Was gibt es nicht besseres als sich an Dingen zu testen die man nicht kann. Es ist das beste Gesellschaftsspiel, dass ich kenne. Wie geht was und wer kann mir Tips geben wie's besser geht. Ich lerne gerne auch von Menschen die was drauf haben als von Idioten die nur dumpfes Zeug labern. Wenn meine Oma damals nicht so früh gestorben wäre, hätte ich bestimmt heute mehrere Berufe ergriffen, wie Bäcker, Koch, Gärtner, Maler, Fleisenleger, Maurer, Zimmermann, Dachdecker lieber nicht da ich nicht schnwindelfrei bin usw. Nur ist das Leben leider auch begrenzt und auf immer und ewig ein Lehrling zu sein ist wohl auch nicht so erstrebenswert. Also muss man sich die Dinge selbst drauf schaffen. Achja, Modellbau habe ich auch noch so nebenbei gemacht, wegen der Elektronik die man da nur zusammenstecken brauchte. Immerhin sind die Dinger geflogen! Danke für die tolle Erinnerung an eine schönere Zeit mit meiner Oma!

Lg Michael

Kommentar schreiben zu "Drei mal abgeschnitten und immer noch zu kurz"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.