Blaupapier

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Blaupapier … Kennt das noch jemand?
Bevor Kollege Computer Einzug in die Arbeitswelt hielt, mussten wir Schreibtischtäter*innen von Hand schreiben. Allein die Vorstellung, von einem Schriftstück zwei Durchschläge mit Blaupapier anzufertigen, trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Wenn ich Pech hatte, reichten meine Bemühungen nicht einmal aus, und auf Blatt Nummer drei waren nur geisterhafte hellblaue Schemen zu erkennen. Die Arbeit mit Blaupapier erforderte ein Höchstmaß an Konzentration und Muskelkraft. Nur ein Schreibfehler und ich musste noch einmal von vorn anfangen. Ein Albtraum …
Wenn ich wenigstens eine Schreibmaschine zur Verfügung gehabt hätte. Die waren jedoch den Schreibkräften – Kanzlei wurde das damals genannt – vorbehalten.
Dort wurden aber nur die Briefe getippt, die das Haus verlassen sollten. Dafür durfte ich dann das Diktiergerät nutzen. Yeah!
Interner Schriftwechsel und sonstige schriftliche Dokumente allerdings bedeuteten: Blaupapier.
Manchmal läutete ich meinen Feierabend mit verkrampften Fingern, Muskelkater, und/oder mit Pflastern übersäten Händen ein. Papier mag ja geduldig sein, es verfügt aber auch über scharfe Kanten.
Ungeschickt gehandhabt hinterließ es des öfteren schmerzhafte Schnittwunden. Einmal kam ich sogar mit einer ordentlichen Quetschung an einer Hand nach Hause. Die Ursache war ein defekter Locher. Frag´ mich bitte niemand, wie ich das geschafft habe. Das Büro-Utensil hatte sich in meine Hand verbissen und ich benötigte einige Zeit und die Hilfe einer Kollegin, um es wieder loszuwerden.
Bis ich an diesem Tag zu Hause ankam, ähnelte meine Hand einer Aubergine und mein Mann fragte, ob ich eine Zulage ausgezahlt bekäme, da ich ja offenbar einen sehr gefährlichen Job ausübe.
Das Gefahrenpotenzial sank zwar nicht als ein PC in mein Büro einzog, bedeutete aber das Ende der Blaupapier-Ära.
Der erste Rechner war so ein klobiges dickes Teil, das viel zu viel Raum einnahm, später kam dann ein flacher Monitor. Inzwischen gibt´s Laptops und Tablets fürs mobile Arbeiten oder im Homeoffice.
Locher und Papier sind aber noch da. Nicht mehr lange und es wird ihnen ergehen wie dem Blaupapier. Sie werden nicht mehr gebraucht und wandern entweder ins Museum (vielleicht) oder in den Müll (wahrscheinlich), wie die letzten Bögen Blaupapier, die ich neulich beim Aufräumen gefunden habe. Vielleicht war es ein Fehler, sie wegzuschmeißen.
Mein Neffe findet Blaupapier cool, sagt er.
Mmh… Die Retro-Welle … Möglicherweise hätte ich es verkaufen und damit reich werden können … So ein Mist!


© Marie Bousiller


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Beschreibung des Autors zu "Blaupapier"

Blaupapier - Eine Retro-Büro-Geschichte

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