Dämonisches Blut II

© EINsamer wANDERER

»Guten Tag, mein Name ist Kathleen, aber bitte nennen Sie mich Kat. Es ist mir ein Vergnügen«, sie setzte den Lippenstift an und ließ ihn über die Lippen fahren, »Ihre Bekanntschaft zu machen.« Diese simplen Worte lernte sie nun schon seit Tagen und leierte sie gebetsartig herunter, dennoch bemühte sie sich dabei um eine gewisse Authentizität. Ein jeder sollte ihr glauben, dass sie wirklich die war, für die sie sich ausgab. Aber sie musste zugeben, dass es ihr mit jedem Tag leichter fiel.

    Sie drückte ihre Lippen einander, legte den Stift offen zurück auf die Kommode an der sie saß und schenkte sich abschließend ein reizendes Lächeln. Ihr teils verzerrte Spiegelbild erwiderte es. Vermutlich wäre es noch schöner gewesen, wenn sie nicht in einem Anfall von Zerstörungswut ein Loch in die linke Ecke geschlagen hätte. Denn darum ging es einzig und allein in ihrem Leben. Chaos und Zerstörung waren die einzig schönen Dinge für die es sich zu leben lohnte. Das gesamte Apartment zeugte von dieser Ansicht. Es war heruntergekommen und verwüstet. Das Geschirr stapelte sich, die Möbel waren zerfetzt und auseinandergerissen worden und irgendwo unter ihren Trümmern lag seit Wochen die Leiche eines jungen Mannes und verrottete vor sich hin. Vermutlich handelte es sich um den Freund der echten Kathleen, deren Aussehen sie angenommen hatte. Während sie sich im Spiegel betrachtete erblickte sie im Hintergrund einige Fotos von ihr. Wieso sie ihre Haare nie dunkelgrün gefärbt hatte, würde wohl für immer ein Geheimnis bleiben, denn es stand ihrem Gesicht wirklich ausgezeichnet.

    Ein tiefes Grummeln vom Bett erinnerte sie daran, dass es bald an die Arbeit ging und sie sich zuvor noch um die echte Kathleen kümmern musste. Diese lag nämlich gefesselt auf dem Bett und wurde täglich mit Beruhigungsmittel vollgepumpt. Eines Tages würde die falsche Kathleen sie wieder frei lassen, doch es war noch nicht so weit. Schon allein wegen des Fortschritts ihrer Veränderung. Es war immer noch zu viel Menschliches an ihr, auch wenn ihre Gestalt es kaum erahnen ließ. Sie besaß nun den Körperbau eines Bodybuilders der mit einem Arm zwei LKWs ziehen konnte, was ihr die weiblichen Rundungen kostete. Die mächtigen Arme endeten in gewaltigen mit Krallen bewehrte Pranken. Über ihren Pelz trug sie harte Knochenplatten zwischen denen vereinzelte lange Haare hervor lugten. Ihr Gesicht besaß noch einzelne menschliche Züge, aber es verblasste mit jedem Tag etwas mehr. Ihre blauen Augen waren schon mit dem tiefen Gelb der dämonischen Natur durchzogen die von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie wimmerte die Gestalt ihres ehemaligen Selbst an, ihr Leiden zu beenden, doch dieses hatte nur ein mildes Lächeln für sie übrig. Die falsche Kathleen fuhr mit den zarten Händen über den rauen Körper und zischte ihm beruhigend zu, nachdem sie aus einer Schublade eine lange Spritze hervorholte und diese zwischen die einzelnen Platten in den Körper bohrte.

    »Alles wird gut, meine Liebe. Dein Leben ist in guten Händen und sieh nur an, wie hübsch du aussiehst«, sie streichelte zärtlich über das Gesicht der echten Kathleen und steckte die nun leere Spritze weg. »Du hättest bestimmt nicht gedacht, dass es so enden würde, als du in jener schicksalshaften Nacht in die dunkle Gasse gingst. Bald werden du und der Dämon eins sein. Gemeinsam werdet ihr die Stadt ins Chaos stürzen. Dafür liebe ich dich.« Die falsche Kathleen gab der Kreatur auf dem Bett einen Abschiedskuss und holte daraufhin eine weitere frische Spitze hervor, mit welcher sie Blut abnahm. Anschließend schenkte sie dem kümmerlichen Wesen, welches immer noch ab und an weinerlich wimmerte keinerlei Beachtung mehr. Stattdessen zog sie sich lieber ihre Krankenschwesteruniform an. Sie steckte sich anschließend die mit Blut gefüllte Spritze ein, richtete ihre Brüste und verließ die Wohnung um zur Arbeit zu gehen.

    
Cindy saß wie üblich am Empfang. Eine graue Maus wie sie im Buche stand, klein, schmächtig mit Dutt, Brille und allem was dazugehörte. Sie war eine Freundin der echten Kathleen gewesen und ihr somit ein Dorn im Auge. Diese blöde Kuh wusste, dass etwas nicht stimmte, konnte es allerdings nicht besser benennen. Kurz: Sie musste weg.

    Die falsche Kathleen setzte ihr schönstes Lächeln auf. »Hey, du. Tut mir leid, dass ich in letzter Zeit so komisch drauf war. Seit mein M-macker-«

    »Mike«, ergänzte Cindy.

    »Genau der! Seit seinem Verschwinden stehe ich irgendwie total neben der Spur.«

    »Du hast dich schon Wochen vor seinem Verschwinden seltsam benommen.« Sie musste wirklich weg. »Ich meine, du hast dir die Haare gefärbt. Versteh mich nicht falsch, es steht dir wirklich ausgezeichnet.«

    »Oh, vielen Dank.«

    »Aber die echte- Ich meine natürlich, früher hättest du so etwas noch nicht einmal im Traum getan.«

    Die falsche Kathleen klatschte freudig in die Hände. »Ich habe ein Friedensangebot für dich. Hier«, sie überreichte Cindy eine metallene Dose.

    Die Rezeptionistin nahm es neugierig entgegen. In ihr befanden sich Bonbons. Sie waren mit dem Blut der echten Kathleen bestrichen worden und würden bei ihr deshalb eine ähnliche Veränderung bewirken, wie bei all den anderen, wenn auch zeitverzögert. »Ich, äh, danke. Was ist es denn für eine Sorte?«

    »Lass dich überraschen.« Ihr Lächeln war ebenso überzeugend wie sie Kathleen ähnlich war.

    
Eigentlich war Kathleens Arbeit ziemlich öde. Sie arbeitete im Labor und brachte die Bluttransfusionen auf die Station. Somit stand sie streng genommen unter einer Krankenschwester, aber die Doppelgängerin interessierte sich nicht für Berufsbezeichnungen. Eben wegen letzteres aber hatte sie die „Krankenschwester“ ausgewählt. Einen Dämon in einen menschlichen Körper zu sperren war ziemlich konventionell, aber mit seinem Blut andere anzustecken und einen kleinen Teil seines Selbst auf andere zu übertragen war schon ein Geniestreich. Die falsche Kathleen handelte nicht nach einem Plan. Sie wollte lediglich ihre Bedürfnisse befriedigen. Sich an der Pracht ihrer glorreichen Taten zu erfreuen war das Einzige wofür es sich zu leben lohnte. Deswegen manipulierte sie auch die Beutel mit dem Blut der echten Kathleen. Die Menschen würden sich verändern und so wunderschöne Dinge machen wie sich gegenseitig die Rippen herauszureißen und sich die Augen damit auszustechen. Ach, was für eine herrliche Welt das doch war. Das wohl schönste daran war, dass die betroffenen Personen eine selbstzerstörerische Tendenz entwickelten die sich meist im Konsum von Rauschgiften äußerte. Es war wirklich erstaunlich was die Menschen so alles verdrängten und herbei logen, nur um in ihrer eigenen kleinen heilen Welt zu bleiben in der alles seine ganz bestimmte Ordnung hatte. Jegliche Grausamkeit wurde irgendwelchen bösen Drogen zugeschrieben und die Bluttests der Betroffenen dürfte dadurch auch den dämonischen Inhalt in ihren Körpern übertünchen.

    Es würde bestimmt interessant werden, von welcher Substanz Cindy abhängig würde, da es dort große individuelle Unterschiede gab. Vielleicht würden sie doch noch Freundinnen werden. Bei diesem Gedanken musste die falsche Kathleen freudig lächeln.

    
Fortsetzung folgt...


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Es geht weiter mit dem dämonischen Blut.

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