„Wie konnte es nur soweit kommen?“, dachte sich Herr M.. Es war doch mal so ein friedlicher und schöner Ort hier gewesen. Alle vertrugen sich und man kannte sich, aber nun? Natürlich hatte dieses Elend auch einen Anfang gehabt. Wie jede Geschichte nun mal anfängt und auch irgendwo endet. So hat diese Geschichte auch ihren Anfang, auch wenn jeder Anfang einer Geschichte immer willkürlich ist, da es schließlich immer ein davor gab, welches irgendwie die Situation im Hier und Jetzt beeinflusst, aber man muss sich trotz der Werke, welche tausende Seiten lang sind dennoch kurz fassen und dies gilt auch für eine Kurzgeschichte. In diesem Fall hilft Herr M. beim festlegen des Anfangs der Geschichte. Er sieht den Anfang bei der Ankunft der Neuen.
Die Neuen sind nicht freiwillig hierher gekommen. Also in das Land schon, irgendwie, also die mussten aus ihrem Land weg in ein anderes, weil ihr eigenes nicht mehr sicher wahr. Aber unter den hunderten von Ländern haben sie sich dann dieses ausgesucht. Also waren sie schon irgendwie freiwillig hierhergekommen, aber wiederum nicht an diesen Ort. Diesen kleinen Ort in dem jeder jeden kennt und weiß was jener und dieser so treibt und macht. Das lag weniger daran, dass man so super informiert war durch Facebook, weil das Internet hier eher schlecht als recht funktioniert, sondern weil hier kaum mehr als hundert Menschen leben.
Durch die Neuen waren es dann gleich mal doppelt so viele. Diese kannte man auch nicht. Die sahen auch anders aus. Also anders anders. Es gab auch einen Grufti im Ort, welcher immer schwarz gekleidet war und, obwohl er ein Mann war, sehr viel Schminke im Gesicht hatte.Vielleicht trauerte er auch nur, weil er seine Mutter verloren hatte und weil er sparsam war, wollte er nicht die Schminke einfach wegwerfen.
Diese Leute waren, aber jedenfalls anders anders. Die Sprachen nicht mal mehr die gleiche Sprache wie die Dorfbewohner. Okay wenn sich die Dorfjugend am Bolzplatz traf, verstand Herr M. diese auch nicht so genau, aber meistens redeten diese gar nicht, sondern chatteten. Seit es diese Smartphones gab, regte sich die Frau S. auch nicht mehr über die lauten Jugendlichen auf, aber der Trainer vom Tischtennis Verein. Na ja.
Außerdem aßen die auch ganz komische Sachen. Also die Essen die immer noch, aber eben nicht mehr hier. Aber dazu später. Außerdem waren das hauptsächlich Frauen gewesen, welche hier herkamen. Man hatte gleich die Sorge, dass die jungen Männer des Dorfes, durch die reiferen und listigeren Frauen verführt würden, so dass diese Schwanger werden und somit sicher hierbleiben könnten. Also nicht im Ort, sondern hier im Land, weil im Ort wollten sie ja eh nicht sein, aber in diesem Land, also zumindest, so lange ihres nicht wieder ist.
Man weiß ja wie so junge Kerle sind, welche nur das eine von einer Frau wollen oder Mädchen, da hatte man schon Sorgen im Dorf gehabt. Dass die eigenen Kinder Kinder kriegen bevor sie ihren Abschluss gemacht haben am Gymnasium und dann noch mit einer von denen. Man hat dann gleich gesagt, die jungen Kerle sollen dann nachts bloß nicht mehr außer Haus gehen. Man muss sich mal vorstellen, dass die neuen Frauen die Männer angesprochen haben an geflirtet und blöde Witze gemacht haben. So wie früher die Jugendlichen auf dem Bolzplatz als es noch keine Smartphones gab, aber das war ja was anderes, weil die hier schließlich von hier waren und sich kannten, weil sie miteinander geredet haben. Aber mit denen sollte man nicht reden, die haben schließlich keine Erziehung und haben selbst Herrn M. angeflirtet, unmöglich.
So kam es dann wie es kommen musste. Zu erst flogen Steine durch die Fenster. Nicht bei Herrn M., der hatte nichts gemacht. Aber die Flüchtlinge... naja die hatten eigentlich auch nichts wirklich gemacht. Aber die waren neu und anders, also anders anders. Herr M. konnte sowas natürlich nicht gutheißen, aber was dagegen hat er auch nicht gesagt. Das waren schließlich nur besorgte Bürger, welche sich Sorgen machten über die Sicherheit im Ort wegen Kriminalität und so was. Man weiß schließlich da wo mehr Ausländer sind, gibt es auch mehr Straftaten, also von den Neuen nicht den Ortsansässigen. Außerdem waren es bestimmt nur ein paar Mädchen, welche es aus Dummheit gemacht haben, wohl weil ein Mädchen ihren Freund an eine Neue verloren hatte oder so.
In sich war es dann schon fast konsequent als beim nächsten Mal keine Steine, sondern Molotowcocktails durch die Fenster flogen und das Haus niederbrannte. Man muss schließlich die deutschen Werte verteidigen und wenn man dafür auch mal das Gesetz übertritt. Haben andere gesagt, Herr M. fand die Neuen auch nicht gut, aber das Verhalten auch nicht. Er hatte diesmal auch die Leute gesehen, welche das gemacht hatten, denn Herr Ms. Haus lag direkt gegenüber. Aber eigentlich wollte er nichts sagen. Er kannte die Mädchen von klein auf und sie meinten es gewiss nicht böse, auch wenn drei, vier... ein dutzend der Neuen ins Krankenhaus mussten. Jeder macht in seiner Jugend Dummheit.
Beim erstenmal war die Polizei auch ganz ruhig geblieben. Man kannte sich und es waren ja nur besorgte Bürger oder dumme Görenstreiche oder besorgte Bürgerinnenstreiche. Aber nachdem es gebrannt hatte, ging man vor und nahm die Mädchen fest, welche sich bei einer der sozialen Plattformen damit brüstete, darf man das bei Mädchen sagen? „Brüs-te-te?“ Nun ja einige Bürger beschwerten sich darüber als die Neuen den Laden von der Tante Emma überfielen nichts gemacht wurde, nur hat die Emma nie so etwas mitbekommen und daher auch nie eine Anzeige gemacht hatte. Doch verhinderte es nicht, dass bald die Polizei brannte. Sie wissen wohl warum, die waren Ortsverräter. Um an dieser Stelle es etwas abzukürzen. Auch der Bürgermeister musste gehen, obwohl er noch vor ein paar Monaten gewählt wurde mit absoluter Mehrheit im ersten Wahlgang. Doch die toten Ratten im Briefkasten und die brennende Garage war quasi ein Gegenvotum. Irgendeiner Mehrheit, vielleicht der Mehrheit der besorgten Bürger oder schweigenden Mehrheit oder der handelnden Mehrheit.
Herr M. fand dies nicht gut, aber sagte es auch nicht. Aber Herr Ms. eigentliches Problem war, dass er es nicht guthieß und das auch nicht öffentlich tat. So brennt nun auch das Haus von Herrn M. und er kann nur zusehen wie es zu einer Ruine wird. Er schaut sich etwas um und sieht durch die Fenster seine Nachbarn, welche nicht zur Hilfe eilen um sein Haus zu löschen. Aber warum nur? Dann fiel es Herrn M. wieder ein: „Ich habe das Haus der Neuen nicht gelöscht, habe nicht die Polizeistation gelöscht, habe nicht die geistigen Brände gelöscht und nun... ist niemand mehr da, welcher mir helfen kann beim Löschen.“


© PeKedilly 2015


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