X-Files - Das Unfassbare - Staffel 1 - Episode 6: Im Spiegel

Annette Kreis war 82 Jahre alt und hatte das Glück, dass sie sich noch so gut wie alles behalten konnte und auch nicht ans Bett gefesselt war. Sie konnte noch in ihrem Rahmen durchs Haus gehen und sich selbst versorgen. Ihre Wohnung war rustikal eingerichtet. Die Möbel stammten noch von vor vielen Jahren aus ihrer ersten Wohnung zum Teil. Sie hing sehr daran und wollte generell nichts gerne weggeben. Ihr absolutes Heiligtum war ihr großer Kleiderschrank aus Holz, dessen mittlere Tür ein Spiegel zierte. Darin hatte sie sich oft betrachtet und wie sie oft berichtete auch viel gesehen. Es war wohl nur ihre Ansicht, dass die Demenz sie noch nicht ergriffen hatte, denn ihre Tochter war da anderer Meinung. Diese lebte ein Stockwerk darunter und kümmerte sich täglich um sie. Eine ältere Person zu pflegen ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Das war harte Arbeit. 24 Stunden am Tag. Und ihre Tochter war sehr wohl der Meinung, dass sie sich oft Dinge einbildete, die nicht da waren. Oft saß sie oben in ihrem Sessel und sprach vor sich hin. Ob sie mit sich selbst sprach war nicht ganz genau zu erkennen, man hätte auch annehmen können, dass sie mit jemand anderes sprach. Es jagte ihrer Tochter im einen Schauer über den Rücken, wenn sie an die Wand starrte und mit jemandem sprach, der offensichtlich nicht da war. Sie schaute dann stur geradeaus und wirkte fast wie erstarrt. Sie war oft einsam und ihr Mann lange tot. Man konnte verstehen, warum sie sich einen Gesprächspartner erfand.

Als ihre Tochter an einem Abend nach oben kam, um ihr die Tabletten zu geben, war es draußen schon dunkel. Ihre Mutter sollte eigentlich schon im Bett liegen und schlafen, aber man hörte sie schon von Weitem wieder sprechen. Abends war das besonders gruselig, da Sybille, so der Name der Tochter, an diesem Abend auch alleine im Haus war und sich wirklich fast fürchtete vor ihrem Gespräch. Bevor sie das Schlafzimmer betrat, hatte es einige Geräusche im Schlafzimmer gegeben. Es klang fast so, als wären Schränke auf und zu gegangen. Es rumste und hatte gepoltert, deswegen war Sybille auch so schnell nach oben gerannt. Doch sie konnte bereits durch die geschlossene Tür hören, dass sie nahe dem Bett stand. Sie suchte auch oft etwas in den Schränken, das dort nicht mehr war oder sie wühlte einfach nur darin, ohne zu wissen, was sie suchte. Manchmal waren morgens alle Schubladen leer und der Inhalt lag kreuz und quer über dem Boden verteilt. Man hätte meinen können, ein Poltergeist hätte sie heimgesucht, doch nach ihrem Überzeugen war es Jesus gewesen, der das getan hatte. Auf die Frage, warum gerade Jesus so etwas tun sollte, gab sie immer die gleiche Antwort. "Er wird mich bald holen!".

Manchmal fragte sich Sybille wirklich, wie sie alleine solche Unordnung machen konnte. Zeit hatte sie nachts vielleicht genug, aber es sah manchmal aus, als wäre noch jemand bei ihr gewesen. Und das bestätigte ihre Mutter Annette auch stets. Als Sybille an diesem Abend an der Tür lauschte und sie sprechen hörte, riss sie mit einem Ruck die Tür auf und wollte ihr beweisen, dass das niemand war. Sie knipste das Licht an und sah ihre Mutter aufrecht vor dem Spiegelschrank stehen. Sie schaute genau in den Spiegel. Man verstand nicht ganz, was sie sagte, aber sie unterhielt sich wie es aussah mit jemandem im Spiegel. Doch als Sybille zum Spiegel schaute war da nichts zu sehen. Sie berührte sie an der Schulter und versuchte sie wieder zurück in die Realität zu holen. Es dauerte ein wenig, aber sie kam wieder zu sich und meinte, dass Jesus beschlossen habe, sie holen zu kommen. Annette lief es schon wieder eiskalt den Rücken hinunter. "Deine Zeit ist noch nicht gekommen Mama! Jesus hat sicherlich andere Dinge zutun! Er wird wohl kaum in deinen Spiegel fahren und sich mit dir unterhalten! Glaubst du nicht auch, dass er zu beschäftigt dafür ist?". Annette sagte nichts dazu und drückte ihre Tochter, als sie wieder im Bett lag. "Jetzt schläfst du und morgen früh geht es dir viel besser! Du wirst es sehen!". Sie knipste das Licht wieder aus und wartete noch einen Moment an der Tür. Es blieb alles ruhig. Annett schien eingeschlafen zu sein. Doch kaum war Sybille unten in ihrer Wohnung angekommen, polterte es oben so laut wie noch nie. Sie hoffte, dass ihre Mutter nicht aus dem Bett gefallen war und sich etwas gebrochen hatte. Sofort stürmte Sybille in das Schlafzimmer ihrer Mutter, doch das Bett war leer. Es dauerte fast 10 Sekunden, bis Sybille ihre Mutter entdeckte. Sie stand leicht gekrümmt in ihrem Kleiderschrank und bewegte sich nicht mehr. Wie der Arzt kurz darauf feststellte, war sie tot. Wie sie in den Schrank gekommen war in so kurzer Zeit und woran sie gestorben war, fand man nie heraus. Es wurden weder Spuren noch Fingerabdrücke entdeckt. Vor ihrem Kleiderschrank fand man allerdings ihren Anhänger in Form eines Kreuzes. Sie hatte jeden Abend gebetet. Und sollte es ihr einmal nicht mehr so gut gehen, sagte sie immer, dann solle Jesus sie persönlich holen. Bereits am nächsten Morgen sorgte Sybille dafür, dass dieser Kleiderschrank aus dem Haus kam. Sie glaubte zwar nicht daran, aber was auch immer ihre Mutter in diesem Spiegel gesehen hatte, es hatte sie geholt.

Seralgo Refenoir


© Seralgo Refenoir


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