Staffel 3 - Episode 20: Der Friede sei mit euch (Teil 2/2)

Greta, Ken, Felix und Kai befanden sich wenige Momente später bereits im Bordell und waren am Telefonieren. Sie mussten ganz schnell jemanden auftreiben, der ihnen beim Ausräumen half. Sie konnten nicht einfach alles hier lassen und verschwinden. Vieles im Bordell hatte hohen Wert und schon morgen würde das alles zusammen stürzen und nicht mehr sein. Ken organisierte zwei Transporter, in die sie alles einladen konnten. Felix hatte inzwischen einen Freund angerufen, der eine riesige Lagerhalle besaß. Dort konnten die Sachen erstmal zwischengelagert werden. Dieses Lager befand sich weit außerhalb des Dorfes und kostete sie vorerst nichts. Ken hatte einige Freund erreicht, die beim Ausladen halfen. Es würde eine lange Nacht werden, denn die Zeit rannte ihnen förmlich davon und sie mussten auf jeden Fall durchmachen. Zum Glück hatten ihre Freunde noch unzählige Umzugskartons, die sie zum Einladen vorbei brachten. Die Transporter waren schon einige Minuten später am Bordell angekommen und bereit zum Einladen. Da sie eine gewisse Entschädigung bekommen sollten nach dem Abriss, wollte Ken einige Dinge gar nicht erst einladen, sondern später nochmal neu kaufen. So mussten sie nicht das gesamte Inventar abbauen, was auch gar nicht umsetzbar gewesen wäre. Die Stripperstangen waren fest installiert und würden beim Abriß genauso draufgehen wie die Bar. Auch die Zimmer konnte man kaum retten, auch wenn alles eingeladen wurde, was sich darin befand. Als Zip schon nicht mehr weit weg vom Bordell war, befand sich Ken gerade in seinem Büro und räumte es aus. Dies ging relativ schnell, weil es ein kleiner Raum war. Die Unterlagen mussten vollständig sein. Er konnte es gar nicht fassen, wie egal sie Michaela waren. Sie konnte sich ja denken, dass sie von hier verschwinden mussten und bald nicht mehr hier waren. Wie konnte sie davor nur die Augen verschließen. Das Bordell Türkis war einst auch ihr Traum gewesen. Auch sie wollte es damals unbedingt eröffnen und sah es als einen Neubeginn an. Und jetzt hilft sie einem Irren, der nichts anderes im Kopf hat als Frieden. Scheiß auf den Frieden. Er setzte sie unter Druck und warf sie aus dem Dorf. Nannte er das Frieden?

Greta packte alles aus den Zimmern in Kartons und einige Helfer brachten die Sachen in den Transporter. Auch die Bar war mittlerweile leer geräumt und am Eingang herrschte gähnende Leere. Die Transporter waren schon fast randvoll gefüllt, aber selbst die Spielautomaten gingen am Ende noch hinein. Einige ihrer Freunde bauten sogar noch den Billardtisch mühseelig auseinander und schleppten ihn in den Wagen. Die teuersten Sachen waren allesamt verladen. Zuletzt kam noch der PC aus dem Eingang in einen Karton und wurde von Felix vorsichtig nach draußen gebracht. Der Empfang war lange sein Arbeitsplatz gewesen. Er konnte es nicht fassen, dass dies das Ende sein sollte. Auch Ken fiel es schwer jedem der Angestellten zu sagen, dass sie ab morgen keinen Job mehr hatten. Es klang fast wie eine Massenabfertigung am Telefon. Schön war diese Aufgabe nicht. Sorgen machte sich Ken allerdings auch um Zip, denn der war immer noch nicht aufgetaucht. Er war vor Felix und Kai aus dem Haus von Uwe gestürmt und seither nicht mehr aufgetaucht. Auch wenn er irgendwo einen kleinen Zwischenstop gemacht hatte, musste er längst da sein. Es war schon fast Mitternacht. Und genau um diese Uhrzeit wollte Uwe noch einmal vorbei schauen und nach dem Rechten schauen. Als er kurz nach Mitternacht vom Parkplatz aus anrief, weil er niemals ein Bordell betreten würde, war es bereits fast halb eins. Die Transporter waren schon mindestens eine Stunde weg und sollten bereits am Lager angekommen sein. Ihr Kumpel dort hatte extra ein paar seiner Mitarbeiter beauftragt, die Ware in der Lagerhalle auszuräumen, wenn sie ankam. So musste sich Ken nicht darum kümmern und er wusste, dass alles gut unter war. Das Bordell war leer. Ihr Sprechen hallte im Raum. Und Ken musste sich wirklich noch einmal umschauen. Dies fühlte sich diesmal wie ein Ende an. Und was war nicht alles geschehen in diesem Jahr. Gabrielle hatte sich das Leben genommen. Das hatte alles verändert und nicht unbedingt zum Guten. Ihre kleine Tochter Clementine war verschwunden. Das hatte sie nicht verdient. Und Zip hatte es auch nicht verdient, den Verstand dadurch zu verlieren. Um ihn machte sich Ken am meisten Sorgen. Er war nicht mehr wie zuvor. Alles Schlechte, was man ihm einst zuschrieb, war wieder da. Er war wieder ganz der Alte und das war wahrlich kein Fortschritt.

Als sie nach draußen kamen, um mit Uwe zu reden, hatte der ausnahmsweise mal nicht die ganze Belegschaft dabei. Nur Michaela war an seiner Seite. Wo auch sonst. Dass noch jemand im Auto saß, konnten sie erkennen, aber nicht wer es war. Wen hatte Uwe denn da noch mitgebracht? Vermutlich den Bürgermeister. Wen sonst. Aber warum kam er nicht aus Uwes Wagen? "Wie ich sehe habt ihr alles raus geschafft! Sehr schön! Ihr gefallt mir viel besser, wenn ihr tut, was ich sage! Spätestens um 16.00Uhr morgen möchte ich niemanden von euch mehr hier sehen! Das Bordell wird noch am selben Tag dem Erdboden gleich gemacht! Ich denke nicht wirklich, dass ihr das Spektakel mit ansehen möchtet! Eingeladen seid ihr jedenfalls nicht! Dieser Bauplatz wird erstmal eine Weile ruhen, damit das ganze schlechte Karma verschwindet, aber danach wird ein wunderschöner Park mit Bänken und einem Brunnen diesen Ort zieren! Das klingt doch wirklich gut, findet ihr nicht?". Niemand hörte Uwe wirklich zu. Viel interessanter war es, zu erkennen, wer da bei ihm im Auto saß. Wer war das denn nur? Und warum stieg er oder sie nicht aus? "Wir sind schon vorher weg hier! Was ihr mit dem Gebäude macht ist uns egal! Unsere Wertsachen sind allesamt unterwegs in ein Lager!". Uwe grinste. "Wie gut für euch! Zieht möglichst nicht zu nah an diesen Ort, denn wenn meine Gemeinschaft wächst, werden auch die umliegenden Dörfer ihr angehören wollen und dann müsste ich euch ja schon wieder verscheuchen! Das wäre ja wirklich ein peinliches Deja-Vu!". Gott wie er diesen Uwe hasste. Das dachte nicht nur Ken in diesem Moment. Michaela behielt er im Arm, doch sie schaute nicht einmal zu ihren ehemaligen Freunden. "Und du Michaela willst wirklich das alles unterstützen? Du willst, dass er deine ehemaligen Freunde dazu zwingt alles aufzugeben und von hier zu verschwinden? Sind wir etwa Schuld daran, was in diesem Jahr geschehen ist? Sind wir daran Schuld, dass Clementine verschwunden ist und bisher nicht gefunden wurde? Sind wir daran Schuld, dass Gabrielle sich das Leben nahm? Warum willst du uns eins auswischen, wenn die Schuld ganz alleine bei dir liegt! Du hast sie alle auf dem Gewissen und dein schlechtes Gewissen wird auch dann noch bestehen, wenn wir verschwunden sind! Du alleine bist verantwortlich für diese Scheiße! Sie kommen nie mehr zurück!". Das traf Michaela sichtlich. Sie drehte sich sofort weg und stieg ins Auto. Ohne Worte. Auch Uwe verging das Lachen. Zeigte er jetzt sein wahres Gesicht?

Als Uwe gerade dazu ansetzen wollte, ein Wort zu sagen, kam Zip von der Hauptstraße auf den Parkplatz gefahren. SEIN Wagen war das zwar nicht, ab das fiel wohl nur Ken auf. Gott sei Dank ging es Zip gut. Er war doch noch gekommen. Zum Glück. Sofort rannte Ken zur Fahrertür und fragte ihn nach seinem Befinden. Im Dunklen konnte man nichts erkennen, aber er roch fürchterlich. "Hast du dich umgezogen?", fragte Ken ganz verdutzt, denn im Haus von Uwe hatte er noch komplett schwarz getragen. "Ja das habe ich!", sagte er knapp und schaute zum ersten Mal in die Augen des Mörders. Uwe ahnte natürlich nicht, dass Zip in seinem Haus war und was er dort entdeckt hatte. Irgendwo hatte Zip die Waffe sicherlich griffbereit, aber der Moment war wohl scheinbar noch nicht gekommen. Und er weihte auch die anderen nicht in seinen Plan ein. Wenn er ihnen doch nur endlich sagen würde, was er in Uwes Wohnung entdeckt hatte. Aber er sprach nicht davon. Er ging langsam um sein Auto herum und direkt auf Uwe zu. Er hatte genau geplant wie es ablaufen sollte. "Mich hat eben jemand angerufen und gemeint, dass ich dich hier finden würde um diese Zeit!", sagte Zip ohne jegliche Regung und stellte sich vor ihn. "Ach ist das so! Na wer hat dich denn da angerufen? Ich war es sicherlich nicht!". Zip verzog keine Miene. "Die Nummer wurde unterdrückt, aber die Stimme hatte ja scheinbar Recht!". Und wieder grinste Uwe zufrieden. "Und nun? Du kommst etwas spät, um beim Einladen zu helfen! Deine Freunde mussten ganz ohne dich die Zelte abbrechen!". Uwe hatte keine Ahnung, warum Zip hier war. Und die anderen hatten keine Ahnung davon, was Zip gesehen hatte. Und immer noch saß neben Michaela jemand im Wagen von Uwe und bewegte sich. Zip und Uwe schauten sich lange in die Augen. Und dann war der große Moment gekommen. Blitzschnell zog Zip eine Waffe und hielt sie ihm an den Kopf. "So Uwe! Ich sage dir jetzt etwas, was richtig gut zu deiner Botschaft passt! Der Friede sei mit dir!". Und nur wenige Momente später ging ein Schuss los. Es knallte und dann war es wieder ganz ruhig. Uwe stand noch immer an der gleichen Stelle. Doch der jemand, der sich im Auto von Uwe ständig bewegt hatte, war ausgestiegen und hielt ebenfalls eine Waffe in der Hand. Und er war es auch, der geschossen hatte. Zip konnte man nicht mehr sehen. Nur seine Füßen ragten aus einem Schatten am Boden. Er war erschossen worden. Auch Michaela kam nun aus dem Auto gekrabbelt und rannte sofort zu Uwe. "Geht es dir gut?", fragte sie und schaute auf den Boden zu Zip. "Jetzt ist er wieder mit Gabrielle vereint!", sagte Uwe zu Michaela und küsste sie. "Es war das Beste für ihn! Er hätte nur weitere Jahre gelitten! Das hält ja kein Mensch aus!". Und Michaela schien das zu schlucken. Wie es aussah, konnte sie mit dem Mord an Zip sogar leben. Alles für Utopia. Alles für einen guten Zweck.

Und dann trat die Person in den Vordergrund, die geschossen hatte. Der Mörder von Zip also. Und als dieser aus dem Schatten trat, ging ein lautes Raunen durch die Reihe der Freunde. Das war doch nicht möglich. Wie konnte das denn sein? Da standen sie in Reih und Glied nebeneinander. Michaela, Uwe und Sven. Der Exmann von Gabrielle, der im letzten Jahr versucht hatte, sie alle durch ein Feuer aus dem Weg zu räumen. Er hatte ja immer gesagt, dass er irgendwann mal zurückkommen würde. Und dieser Tag war heute. Er hatte es immer wieder gesagt. Gabrielle und Zip sollten sterben. Und weil er es letztes Jahr nicht geschafft hatte, musste er erstmal eine Weile vor der Polizei fliehen und ein Jahr untertauchen. Als er dann hörte, dass sich Gabrielle das Leben genommen hatte, war er schon ein wenig enttäuscht gewesen. Das Vergnügen hätte er gern selbst gehabt. Also musste er sich nur noch um Zip kümmern und das war wahrlich nicht schwer gewesen. Ihm war klar gewesen, dass er nur mit Uwe sprechen musste, um heraus zu finden, wo er sich aufhielt. Dass ein Bordell für Ärger sorgen würde in einem Dorf, dass nach Utopia leben will, war ja eine logische Konsequenz. Und Uwe sagte ihm gern, wo er ihn finden konnte. Es war alles ja fast schon zu leicht gewesen. Sven fühlte sich gut. Sein Ziel war erreicht. In Zukunft würde er mit Uwe und Michaela zusammen arbeiten und Utopia in diesem Dorf verwirklichen. Er hatte ein paar gute Ideen, durch die das Dorf noch mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte. Kurz darauf ließ Sven die Leiche im Kofferraum verschwinden und warnte die anderen davor, auch nur ein Wort darüber zu verlieren. "Niemand hier im Dorf wird euch das glauben, was ihr gerade gesehen habt! Wenn einer von euch den Mund aufmachen sollte in den kommenden Wochen, dann werde ich dafür sorgen, dass derjenige genauso schweigt wie Zip! Haben wir uns verstanden? Habe ich mich deutlich ausgedrückt? Verzieht euch von hier und kommt nie mehr hierher zurück! Schon morgen werden wir eure Bruchbude abreißen und dann wollen wir keinen von euch mehr hier sehen! Verpisst euch!". Und nur wenige Minuten später blieben sie sprachlos auf dem Parkplatz zurück und Sven fuhr mit dem Wagen und Zips Leiche darin, davon. Auch Michaela und Uwe setzten sich in das Auto und taten so, als wäre gerade eben nichts passiert. Zip war tot. Wohin sie seine Leiche brachten wusste niemand. Und Uwe hatte es doch tatsächlich geschafft. Die ganze Zeit über waren sie alle der festen Meinung, Michaela würde doch noch die Seiten wechseln und sie könnten diese gefährliche Sekte aufhalten und das Bordell Türkis retten, doch genau das Gegenteil war eingetreten. Schon morgen mussten sie das Dorf verlassen und durften die Grenzen dieses Gebiets nie mehr übertreten. Und würde sie jeweils ein Wort über den Mord an Zip verlieren, würde Sven sicherlich nur einige Tage brauchen, bis er denjenigen fand und umlegen würde. Was war denn hier nur passiert? Ein Happy-End sah anders aus.

Und schon am kommenden Tag setzten sich Ken, Felix, Greta und Kai in den Wagen, um das Dorf endgültig zu verlassen. Weder Sven noch Uwe tauchten am Morgen noch einmal auf und bevor sie los fuhren, schauten sie noch einmal gemeinsam in Richtung des Bordells. Es war eine schöne Zeit gewesen. Und irgendwie würde es weiter gehen. Irgendwo. Garantiert.

Nur wenige Minuten später verließen sie das Dorf über die Grenze und fuhren in eine Zukunft, die bisher noch keine Formen besaß. Was sollten sie jetzt tun? Wie würde sie jetzt Geld verdienen und sich am Leben erhalten? Doch eins konnte ihnen keiner nehmen. Ihren Zusammenhalt. Auch wenn viel im letzten Jahr geschehen war, konnte sie doch niemand ganz voneinander trennen. Und sie dachten an Gabrielle und Zip. Jetzt waren sie wieder vereint. "Ich frage mich, ob die Polizei jemals herausfindet, wo Clementine ist!", sagte Ken während der Fahrt und schaute die Anderen an. "Ich hätte es Zip gewünscht, dass er seine Tochter noch einmal sehen könnte!".

Sie hatten keine Ahnung...


ENDE

Seralgo Refenoir

PS: Jetzt am Ende der 3.Staffel würde ich mich ganz besonders über einen Kommentar bezüglich der gesamten Staffel freuen. Was hat euch gut gefallen und was nicht? Wie findet ihr das Ende dieser Staffel?

Ob und wann es eine 4.Staffel geben wird, erfahrt ihr in Kürze in meinem Blog zu "Bordell Türkis".


© Seralgo Refenoir


1 Lesern gefällt dieser Text.


Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Bordell Türkis (Staffel 3) (Das große Staffelfinale!)"

Re: Bordell Türkis (Staffel 3) (Das große Staffelfinale!)

Autor: axel c. englert   Datum: 21.09.2014 18:53 Uhr

Kommentar: Hallo Seralgo!

Der Schluss hatte einen echten Überraschungseffekt, weil er durch das Auftauchen Svens eben nicht „wie erwartet“ ablief.

Ich habe die komplette Geschichte von Anfang an gelesen – es hat sich gelohnt!

Ich persönlich mag Hitchcocks alte Filme, weil da der Horror quasi ein Humor – Gegengewicht erhält.
Vielleicht hätte man so etwas ebenfalls installieren können – so war die Gewichtung stark auf „dramatisch“, bzw. „Krimi“ gesetzt.

Dies soll aber keine Kritik, sondern lediglich eine Anregung darstellen.
Mir haben die Geschichten wirklich gefallen – ansonsten hätte ich auch nicht „Gefällt mir!“ angeklickt.

LG Axel

Kommentar schreiben zu "Bordell Türkis (Staffel 3) (Das große Staffelfinale!)"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.