Es war einmal ein hochbegabter Professor namens Daniel Düsenberg, der in seinem einsam gelegenen Haus, weit am Rande einer Großstadt, zurückgezogen lebte und in seiner alten Garage im Laufe vieler Jahre heimlich eine Zeitmaschine konstruiert hatte, die jetzt fertig da stand. Es kam der Tag, an dem er sie praktisch ausprobieren wollte, ob sie auch funktionierte.
 
In einer mondhellen Nacht, es war bereits weit nach Mitternacht, als die meisten Menschen schon schliefen, entschloß sich der Professor dazu, seine Zeitmaschine in der Garage ans hiesige Stromnetz der Stadt anzuschließen, um sie mit elektrischer Energie versorgen zu können. Er wollte seine Erfindung endlich testen und einen Zeitsprung wagen.
 
Gesagt, getan.
 
Als er den klobigen Lastschalter an der Rückwand seiner Garage vorsichtig nach oben drückte und damit den Stromkreis schloß, fing auch schon kurz danach die Zeitmaschine geheimnisvoll an zu brummen, wobei fast alle Zeiger auf dem Schaltpult schlagartig in den grünen Bereich ausschlugen, die damit anzeigten, dass seine Erfindung wie geplant in den betriebsbereiten Zustand überging.
 
Der Professor hatte sich vorsorglich einen ausgedienten Raumanzug besorgt, den er sich aus Gründen der Sicherheit angezogen hatte, und der ihn vor lebensbedrohlichen Ereignissen beim Zeitsprung schützen sollte. Dann setzte er sich in die Mitte der Zeitmaschine in einen bequemen Lederstuhl und schnallte sich an. Als alles bereit war, schob er langsam den Energiehebel vor sich immer weiter auf volle Leistung, den er schließlich bis zum Anschlag durchdrückte.
 
Schon kurz danach gab es einen ziemlich lauten Knall, der so heftig war, sodass der Professor erschrocken zusammenzuckte. Die Zeitmaschine fing im hinteren Bereich an zu qualmen, lief aber laut brummend weiter. Der beißende Rauch verteilte sich jedoch so schnell in der ganzen Garage, dass der Professor sie überstürzt verlassen musste, um nicht zu ersticken.
 
Als er die Garagentür ganz geöffnet hatte, trat er hinaus ins Freie, legte den schweren Helm seines Raumanzuges ab und sah zu seiner großen Überraschung, dass er mit seiner Zeitmaschine ganz in der Nähe einer großen, futuristisch aussehenden Stadt angekommen war, die vor ihm in einer weiten, grünen Ebene lag. Überall surrten Flugmaschinen der unterschiedlichsten Bauformen in großer Höhe über seinen Kopf hinweg, die in alle Richtungen flogen.
 
Als der Professor sich umdrehte, um nach der Zeitmaschine in der Garage zu sehen, war diese aber nicht mehr da. Auch sein schönes Haus, in der er fast sein ganzes Leben verbracht hatte, stand nicht mehr an seinem Platz und war nur noch ein einziges Trümmerfeld. Hier und da ragten noch die zerbröselten Überreste eines alten Fundamentes aus dem Boden, das jetzt allerdings mit Bäumen und Sträuchern überwuchert war. Der Professor stand wie angewurzelt da und konnte nicht sagen, wie das durch den Zeitsprung passieren konnte. Er fragte sich daher, ob wohlmöglich ein Fehler eingetreten war.
 
Plötzlich kam ein stromlinienförmiges Fahrzeug ohne Räder auf einer alten, mit Schlaglöchern übersäten Straße auf ihn zu, das nur wenige Meter vor ihm mit aufheulendem Motor stehen blieb.
 
Die Fahrertür öffnete sich und ein Mann stieg aus, der genau so aussahe wie er selbst. Dann kam der Mann mit langsamen Schritten näher und blieb schließlich direkt vor ihm stehen.
 
„Sie sind doch Professor Daniel Düsenberg und haben eine Zeitmaschine konstruiert, mit der sie in die Zukunft durch die Zeit und in eine andere Welten reisen können, nicht wahr? Nun, ich weiß alles über Sie, Herr Professor. Ich sage es Ihnen gleich: Sie können hier nicht bleiben, denn Sie sind ausgerechnet in meine Welt gekommen, in der ich ihr Doppelgänger bin. Ach so, darf ich mich der Höflichkeit wegen kurz vorstellen? Ich bin Professor Daniel Düsenberg und Erfinder der Zeitreisen. Es kann daher nur einen von uns geben, Herr Professor. Das werden Sie doch verstehen – oder? Ich möchte nämlich gerne in meiner Welt bleiben. Deshalb muss ich sie leider umbringen, so leid es mir tut. Sie haben hier nichts zu suchen“, sagte der Mann.
 
Der unfreundliche Besucher vor ihm, der sich ebenfalls als Professor Daniel Düsenberg ausgab und wie ein Kopie von ihm selbst aussah, hielt plötzlich einen Revolver in seiner rechten Hand und schoß noch im gleichen Moment ohne Vorwarnung auf den völlig verdutzt da stehenden Professor, der nicht wusste, wie ihm geschah.
 
Das abgefeuerte Projektil traf den vor Schreck erstarrten Zeitmaschinen-Erfinder mitten ins Herz, der jetzt mit einem lauten Schrei die Hände noch oben riß und wie ein nasser Sack Mehl nach hinten weg kippte. Mit einem dumpfen Geräusch schlug der Getroffe zuckend am ganze Körper auf den harten Boden auf und war sofort tot.
 
Sein Doppelgänger, Professor Daniel Düsenberg, steckte nach der Mordtat den schweren Revolver wieder in seine Jackentasche zurück und ging zu seinem Wagen hinüber, der ohne Räder leise surrend über dem Boden schwebte. Bevor er wieder ins Fahrzeug stieg, dreht er sich noch einmal zu seinem Ebenbild um, der aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt gekommen war, dessen Körper sich jetzt auf einmal langsam, wie in Zeitlupe, aufzulösen begann.
 
Der Professor hatte ein Zeitparadoxon verhindert und empfand keine Reue, dass er sein Gegenüber brutal erschossen hatte.
 
Dann stieg er in seinen laufenden Schwebegleiter ein und fuhr mit aufheulender Turbine zurück in sein einsam gelegenes Haus, das irgendwo am äußersten Rand einer futuristisch aussehenden Stadt lag, wo er heimlich in seiner Garage an einer neuen Zeitmaschine arbeitete, mit der er nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit von anderen Parallelwelten reisen konnte.
 
„Ich werden den Professor in seiner Zeit und in seiner Welt wohl besuchen müssen, um ihn daran zu hindern, dass er mit seiner Zeitmaschine fertig wird. Ich werde sie zerstören, um ihn daran zu hindern, dass er in meine Zeit bzw. in meine Welt gelangt. Damit werde ich es erreichen, ihn nicht erschießen zu müssen. Das bin ich meinem Doppelgänger schuldig, der ein begabter Erfinder ist, so wie ich“, murmelter er halblaut vor sich hin, drückte den Gashebel der Turbine seines Gleiters ganz durch, verließ die alte, mit Gras bewachsene Seitenstraße und bog schließlich auf die hell erleuchtete Autobahn ein, die ihn zu seinem Haus am fernen, einsam da liegenden Stadtrand bringen würde, wo seine Zeitmaschine in der Garage auf ihn wartete.

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