Die Lichtfee


Vorbei?


Tränenüberströmt lief ich in den Tunnel zu meiner U-Bahn-Station. Die abschätzigen Mienen der anderen Leute waren mir egal. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Mein Leben war eh vorbei. Mein langjähriger Freund hatte sich von mir getrennt und mein Vermieter wollte mich aus der Wohnung schmeißen. Ich hatte gehört, dass seine Tochter dort einziehen wollte.
Mein Chef machte mir schon seit Monaten das Leben zur Hölle. Ich brachte nicht mehr genug Leistung, wollte ich auch nicht. Jahrelang hatte ich mich ausnutzen lassen und unbezahlte Überstunden gemacht, jetzt war ich am Ende meiner Kräfte!
Auch die Schäkereien mit seiner Sekretärin behielt ich für mich, obwohl ich mir sicher war, dass seine Frau etwas ahnte aber das war nicht meine Angelegenheit.
Schon früher in der Schule war ich immer die verschrobene Eigenbrötlerin und Büchernarr. Die, die nie Alkohol trank oder, wie die vielen „coolen“ Leute, rauchte oder kiffte.
Als ich dann eine Ausbildung zur Kauffrau machte, wurde es nicht besser. Ich war immer ein gefundenes Fressen für andere.
Ich flüchtete mich oft in meine eigene kleine Welt. Eine Welt voll von fantastischen Fabelwesen mit grünen Wäldern und bunten Blumen. Oft träumte ich auch von dieser Welt, wo ich eine Andere war, mutig und selbstbewusst.
Wenn ich so in meinem Tagtraum gefangen war, sah ich kleine Lichtwesen, die eigentlich nicht existieren sollten. Ich redete mir ein, dass es nur in meiner Phantasie zu sehen war und nichts davon echt war. Da musste ich an die Risse meiner Erinnerungen denken und mir wurde leicht schwarz vor Augen. Dann war sie auch stärker zu spüren, die Stimmen in meinem Kopf, die nicht die meinen waren.
„Verflixt“, rief ich und bückte mich zu meinem rechten Schnürsenkel, dabei stieß mich eine Frau an, die so schön aussah, dass sie nicht von dieser Welt sein konnte. Sie kam mir seltsam bekannt vor, ihre Haare waren feuerrot und umspielten das hübsche Gesicht mit den grünen Augen. Ihre Ausstrahlung hatte so eine Faszination, sie strahlte etwas aus, was ich nur als Macht und Vertrauen bezeichnen konnte.
Diese Aura nahm mich komplett ein, ich hatte das dringende Bedürfnis ihr nachzueilen aber sie war schnell, sehr schnell. Ich rannte ich eine Menge Leute an, die mich mit böse anschauten. Aber es zählte nur diese Frau, sie muss mich hypnotisiert haben. Ich konnte nicht glauben, was die Frau für eine Faszination auf mich ausstrahlte.
Sie rannte um die Ecke der U-Bahnstation und war kurzfristig aus meinem Sichtfeld verschwunden. Ich bekam Panik, wollte sie nicht verlieren. So schnell wie ich konnte, versuchte ich ihr zu folgen aber sie war wie vom Erdboden verschluckt. Ich blickte mich in alle Richtungen um.
„Verflixt“, sagte ich nun schon zum zweiten Mal heute. Das war echt nicht wahr. Hier konnte man nicht einfach verschwinden, da weit und breit keine Abbiegung oder ähnliches zu sehen war. Sie konnte sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben.
Kurz vor einer Wand stutzte ich, sie sah seltsam flimmernd aus. Vorsichtig strich ich über die Struktur und wurde von einem Sog erfasst, der mich mit sich riss. Ich drehte mich im Kreis und wurde, wie in einer Achterbahn, vor uns zurückgeschleudert. Mir wurde übel und ich war mir sicher, dass ich mich gleich übergeben musste, als ich hart aufschlug.
Als ich wieder einigermaßen aufstehen konnte, sah ich mich um. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. In der Ferne war wildes Hufgetrappel zu hören. Ein paar Meter weiter, sah ich einen wunderschönen Wald mit Bäumen, auf denen Blüten in den Farben rot und blau wuchsen. Es war herrlich anzusehen und duftete wahnsinnig gut nach Sommer. Die Blüten schienen sich zu bewegen, obwohl kein Wind herrschte.
„Oh weh, oh weh, oh weh. Was wird nur passieren. Welch Grauen, welch Grauen, welch Grauen, oh weh, oh weh, oh weh.“
Es waren die Blüten, die sangen.
Es hörte sich wunderschön an aber auch sehr melancholisch. Ich hatte das Gefühl, dass ich dem Baum etwas Gutes tun musste und strich mit einer Hand vorsichtig über seine Rinde. „Alles wird wieder gut,“ versprach ich ihm und versuchte ihm Mut und Zuversicht zu schenken.
Die Blumen hörten mit dem traurigen Gesang auf und schienen mich nachdenklich anzusehen und stimmten wieder ein Gesang an:
„Sie ist da, sie ist da, sie ist da!“ Das hörte sich schon besser an aber was meinten die Blumen?
„Pass auf, pass auf, pass auf!“, sangen sie dieses Mal, als ich das Hufgetrappel näherkommen sah. Ich konnte noch nicht genau erkennen, wer auf den Pferden saß oder vielmehr, was. Also zückte ich mein Handy und schaltete die Kamera an, um ein Foto zu machen, welche ich heranzoomen konnte.
„Alter!“, rief ich aus. Was sind das für Kreaturen, mit denen war bestimmt nicht gut Kirschen essen.
„Auf den Baum, auf den Baum, auf den Baum“, sangen die blauen Blüten wieder. So schnell, wie ich konnte, kletterte ich auf den Baum. So hoch wie nur irgend möglich, denn die „Pferde“ dieser Monster waren viel größer als gewöhnliche Pferde. Kurz wunderte ich mich über meine Wendigkeit.
Ich bekam es mit der Angst zu tun, wenn die mich erwischten. Als ich fast ganz oben angekommen war, kamen die Reiter in den Wald. Von weitem hörte ich schon, wie der Anführer Handzeichen zum Halten gab. Er stand direkt unter meinem Baum und hielt seine hässliche lange Nase in den Wind. Es dauerte bestimmt nicht mehr lange, dann würde er mich erst riechen und dann sehen.
Und so war es auch, der große Kopf des Monsters ruckte nach oben und es sahen mich zwei pechschwarze Augen an. Sein Mund, mit den spitzen Zähnen verzog sich zu einem teuflischen Grinsen, dabei spritze er eine ekelige Substanz aus, die mich aber nicht traf.
„Hooollllt sie runterrrrrr,“ polsterte der Anführer, während er mich genau musterte. „Sie riecht so leckerrrrrrrrrr, ich will sie fresssssssssssseeeeeeeen.!“
Die anderen Monster stiegen von den großen Pferden ab und versuchten mit Seilen, wo Enterhacken befestigt waren, vom Baum zu holen. Ich versuchte auszuweichen und klammerte mich fester an den Baum. Der Baum bewegte sich ein bisschen, so als wenn er auch versuchte, auszuweichen. Die Blüten wuchsen und schleuderten Blütenstaub auf die Monster, die dabei das nießen anfingen. Der Anführer schrie laut Kommandos und beschimpfte seine Untergebenen, dass die unfähig seien.
„Hollllllllleeeeeee ich mirrrrrrrrr sie halt selberrrrrrrrrrrr. Sie isssst soo leckerrrrrrrrrrr!“
Ich bibberte vor Angst und mir kamen die Tränen. Wo war ich hier nur her geraten, wie konnte eine so schöne Welt, solche Kreaturen hervorbringen.
Der große Anführer hockte sich zum Sprung hin und schnellte zu mir nach oben.
„Halloooo, gleich gibt es Fresssssiiiieeee!“


© Christina Winkelmann


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Beschreibung des Autors zu "Die Lichtfee Teil 1"

Frenny war eine durchschnittliche Frau in einem durchschnittlichen Leben. Wie hätte sie ahnen können, dass sie soviel mehr war und ihre Heimat eine fantastische Welt war?




Kommentare zu "Die Lichtfee Teil 1"

Re: Die Lichtfee Teil 1

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 14.06.2024 21:55 Uhr

Kommentar: Liebe Christina,
ja, in kleinen Häppchen ist deine Geschichte besser zu verdauen. Jetzt lese ich sie auch: Anfang relativ normal, geht dann in eine interessante Fantasie über.
Bin gespannt auf die Fortsetzungen.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Die Lichtfee Teil 1

Autor: CWi   Datum: 14.06.2024 22:12 Uhr

Kommentar: Lieber w
Wolfgang, vielen Dank für Dein Kommentar. Ich bin gespannt, wie die nächsten Teile ankommen :-)

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