oder
Die Geschichte von Marakrishdrananda Dödli


Eigentlich bin ich ursprünglich eine gemeine Kanalratte gewesen und ich muss sagen: Als Kanalratte habe ich mich eigentlich am wohlsten gefühlt. Vermutlich hat das ja auch in allen meinen anderen Inkarnationen eine prägende Rolle gespielt. Aber nein, ich musste ja unbedingt eine gute Tat begehen und „aufsteigen“ in der Hierarchie der Verkörperungen.

Wie das kam? Ganz einfach: Ich hatte Mitleid! Eines Tages traf ich eine elende Sumpfkröte, die den Mund, pardon, das Maul spitzte als sie mich vorbeihuschen sah. Ich war gerade auf dem Weg durch das Londoner Abwassersystem, um Cholera-Bakterien gleichmäßig in der Stadt zu verteilen, als mir plötzlich dieses bedauernswerte Geschöpf begegnete.

„Küss mich“, sagte sie, „denn du bist für mich ein verzauberter Prinz und ich kann dich erlösen“. Ich muss zugeben, ich vögle normalerweise niemals außerhalb meiner Spezies, aber an diesem Tag hatte ich ein Bedürfnis nach Liebe und Zärtlichkeit wie an einem heißen Frühlingstag und so ließ ich mich erweichen. Der wilde Sex mit der Kröte erwies sich dann sogar als „befreiend“.

Doch aus den Eiern der hässlichen Sumpfkröte, die sie in einem Schlamm aus Fäkalien und Erbrochenem platzierte, schlüpften keine wunderbaren grünen Baumfröschlein, oder niedliche kleine Rättinnen, bzw. Ratten, sondern eine Art Spinnen! Entsetzlich deformierte Tierchen, die teils an Schlangen, teils an Wanzen erinnerten. Ich war entsetzt, doch das hatte Auswirkungen!

Als mich die seltsame Brut wunderlicher Ungeheuer drei Jahre später auffraß, weil sie sich rasend schnell in der Londoner Unterwelt verbreitet hatten, erlebte ich das Wunder meines Karmas, indem ich, im Todeskampf bereits erahnte als was ich wiedergeboren werden sollte: Als Schoßhündchen von Lady Bligh, die nichts Besseres zu tun hatte als mich zu verwöhnen.

Durch die häufige und lange Abwesenheit ihres Mannes, der Käpt‘n bei der englischen Marine war, lag ihr einziges Interesse darin mich unentwegt mit den köstlichsten Speisen zu überfüttern. In dieser Zeit war ich sehr glücklich, reagierte auf keine Sumpfkröten, ich fraß und schlief den ganzen Tag und wenn ich schon mal wach war, dann verwöhnte ich meine Besitzerin so gut ich konnte.

Dann starb ich schließlich vor Erschöpfung in den Armen von Lady Bligh, just als ihr Mann auf der Bounty unterwegs war. Zur Belohnung wurde ich dann als Spezial-Beauftragter für Migration wiedergeboren – also ich war das natürlich nicht sofort, weil ich erst einmal als Musterknabe einer gut situierten indischen Familie aufwuchs und mich erst langsam hochschleimen konnte.

Aber als Mitglied der Verwaltung hatte ich es sehr gut und wurde einige Zeit später nach Kalkutta versetzt, wo ich in bedeutenden Ämtern und Würden stand. Ich war sozusagen ein hochdekorierter Bürokratie-Elefant, der keine Gelegenheit ausließ meinen Landsleuten einen Vorteil zu verschaffen. Vielen von ihnen bezahlte ich sogar die Überfahrt nach England, wo sie sich…

ganz zwanglos entwickeln konnten. Meine menschliche Karriere gipfelte in der Berufung indischer Ministerpräsident zu sein! Ich führte mein Land an die Weltspitze. Es wurde zur mächtigsten Nation auf dem Globus und mein Volk avancierte zum geburtenstärksten der Welt. Bei der UN in New York vertrat ich es gebührend durch bemerkenswerte Reden und Drohgebärden.

Aufgrund meiner guten Taten im Leben erfuhr mein Karma dann eine weitere Hochstufung, als ich übereifrig, während einer meiner Reden verstarb: Ich wurde wieder zur gemeinen Kanalratte, die, diesmal allerdings durch die Katakomben der USA stromerte, wo es leider auch sehr viel Abschaum gab. Das schadete meinem Ruf so sehr, daß ich bei den Ratten als unberührbar galt.

Aber: Man höre und staune: Dafür bekam ich den höchsten Lohn! Ich landete verdientermaßen im Nirwana, dem Nichtsein am Endpunkt aller ehemals lebenden Wesen, die, zwischen Himmel und Erde ab und aufsteigen, um einmal die Vollendung zu erreichen, das Nichts. Jetzt kann mir nie wieder etwas passieren und ich kann auch nie wieder etwas anrichten. Ich bin die Würde selbst!

Karma-Kapriolen

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Karma-Kapriolen"

Re: Karma-Kapriolen

Autor: NERVENSCHMIED   Datum: 15.05.2024 9:16 Uhr

Kommentar: Unglaublich gut geschrieben!

Re: Karma-Kapriolen

Autor: Alf Glocker   Datum: 15.05.2024 9:40 Uhr

Kommentar: ich bedanke mich herzlich

Gruß
Alf

Re: Karma-Kapriolen

Autor: Michael Dierl   Datum: 15.05.2024 10:02 Uhr

Kommentar: Hahahahaaaaa......zum Glück wird man nicht als Flasche Wein geboren sonst müßte man sich selbst aussaufen was ja schlecht geht - äääähmmmm.....aber im Nirvana scheint wohl das auch möglich zu sein! Gern gelesen Dein völlig durchgeknallter Text! ;-)))) Da bleibt einem das Lachen als Lähmung im Gesicht zurück!

lg Michael

Re: Karma-Kapriolen

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 15.05.2024 10:14 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
ich habe mich köstlich amüsiert. Du kommst schon auf tolle Ideen.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Karma-Kapriolen

Autor: Sonja Soller   Datum: 15.05.2024 14:50 Uhr

Kommentar: Wieder meisterlich geschrieben lieber Alf, was sonst???

Herzliche Grüße aus dem schmunzelnden Norden, Sonja

Re: Karma-Kapriolen

Autor: Alf Glocker   Datum: 15.05.2024 15:31 Uhr

Kommentar: Ich bedanke mich 1000x bei euch liebe Freunde
LieGrü
Alf

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