Der Anfang eines seltsamen Endes 2



Bevor mich die nächste Tsunamiwelle erfasst versuchte ich natürlich noch zu ermitteln welche Nummer in meinem Körper sichtbar werden wurde, wenn es mir gelang ihn durchsichtig zu machen, die Zeit sozusagen als transparenten Streifen zu sehen. Ich erschrak nicht schlecht als ich feststellen musste, daß da nichts war! Ich hatte keine Nummer, also kein Schicksal, keine Rolle. Wofür war ich dann vorhanden? War ich ein Fake? Dann wunderte mich nichts mehr. Nicht, daß mich die Frauen und Mädchen zuerst überhaupt nicht registriert hatten und ich zwei große Zauberer gebraucht hatte um ins Leben zu finden. Alleine konnte ich mich ja weder gegen meine Eltern, noch gegen sonst wen effizient wehren. Nur meine Trollausbildung rettete mich vor dem Schlimmsten. Oder wäre es gar nicht schlimm gewesen wenn ich auf Erde ganz einfach still und leise vertrocknet wäre?

Ich war nicht unbedingt neugierig darauf zu erfahren was noch alles auf mich zukommen sollte oder wollte, aber ich wollte versuchen es quasi modo zu bewältigen...an ein „meistern“ war ohnehin nicht zu denken. Und wie um mir zu beweisen, daß diese Welt für mich voller Widerstände war, ist und sein würde, kamen jetzt öfter einmal winzige schwarze Kügelchen aus der Luft auf mich zu, wie gierige Stechmücken, die jedoch keine waren. Ich wischte sie mit der Hand beiseite und konzentrierte mich auf meinen Lebensweg.

Nicht so einfach wegwischen konnte ich die seltsame Post aus dem Briefkasten. Als ich ihn leerte hielt ich ein Schreiben in den Händen das mir völlig zuwider war: Darin teilte mir ein gewisser Dr. Schlori (Rechtsanwalt) mit, daß ich sämtliche (analog) angefertigte Fotografien seiner Mandantin und deren Partnerin sofort an diese auszuhändigen hätte. Des Weiteren sei mir eine Verwendung der Motive, sowie eine Anfertigung von Kopien derselben verboten. Andernfalls müsse er die Sache dem Gericht übergeben und einen Prozess gegen mich anstrengen.
Ich blickte in mich hinein und sah dort wie mein Troll lächelte!
Ja, das Ganze war lächerlich und ich beschloss es tief in mir aufzubewahren, ohne mich jedoch an die dämlichen Zeilen dieses Geldmachers Schlori zu halten, der nicht davor zurückgescheut war so einen Auftrag überhaupt erst anzunehmen.

Am späten Nachmittag radelte ich dann ins Stadt-Atelier um den Malunterricht mit Frau Restöv fortzusetzen. Folgendes spielte sich ab...
Ich hielt Ausschau und entdeckte wie gewöhnlich das arme verstörte Wesen, von einem meiner Atelierfenster aus auf der Straße herumirren. Ich holte sie ab und unterhielt mich mit ihr ein wenig, damit sie zur Besinnung käme und sich konzentrieren könne.

Kurz darauf kam es zu einem Zwischenfall: Die Restöv starrte mich weltentrückt an! Was glaubte sie in mir zu erkennen? Ein Monster? Dann hätte sie wohl recht gehabt. Die Wahrheit sah allerdings so aus: Sie sah mich überhaupt nicht. Sie sah eine andere Stunde, einen anderen Tag und ein anderes Umfeld! Dann begann sie sich auszuziehen!!
Ich bekam Herzrasen...aber nicht weil die Gutste so schön war, auch nicht weil sie so hässlich aussah (sie hatte voll behaarte Beine, von der Schamgegend an abwärts bis zu den Füßen), sondern der Umstände wegen.
Was würde sie jetzt tun? Würde sie plötzlich teilweise aufwachen, die Türe aufreißen und schreiend auf die Straße laufen und „Vergewaltigung!“ rufen?
Das hatte ich bei ihrem letzten Anfall schon befürchtet, aber das war zum Glück noch einmal gut ausgegangen. Dieses Mal standen die Dinge weit pikanter: Sie war, bis auf ein winziges Höschen und einen kleinen BH nackt! Das würde für mich schlecht aussehen! Zu befürchten war außerdem, daß sie sich während ihrer Flucht vor dem „Vergewaltiger“ vermutlich am Treppengeländer, einer Türschnalle, oder durch einen Sturz verletzen würde.

Das durfte nicht passieren. Ich stellte mich also breitbeinig, ihren wüsten Ansturm erwartend vor der Ateliertüre auf! Vielleicht würde sie ja gnädigst bald wieder erwachen und ihren Irrtum einsehen?? Sie setzte sich in Bewegung, kam drohend auf mich zu und ich versuchte mir vorzustellen ich sei mindestens so kräftig wie drei gestandenen Sanitäter, die sie schon einmal bändigen konnten. Aber sie stemmte nur die Hände in die Hüften und zischte mich an: „Herrr Dr. Trolll, was machenn sie in meineemm Schlaafzimmer??“

Nun war ich völlig irritiert! Daß sie eine Teilverzerrung der Realität erlebte war mir ja klar gewesen, daß diese Verzerrung allerdings in diese Richtung ging erstaunte mich doch. Da gab es also noch einen Spielraum für die Diplomatie...
„Liebe Frau Restöv, sie befinden sich keineswegs in ihrem Schlafzimmer, wo ich als Spanner unterwegs bin, sie befinden sich vielmehr in meinem Atelier, wo sie gerade eine exhibitionistische Vorstellung geben!“ Sie hob den Zeigefinger „Verlassen sie sofort mein Haus!“ rief sie erbost. Würde sie jetzt versuchen mich zu schlagen? Meine Muskeln versteiften sich wie bei einem Schäferhund in Rage. Irgendwie musste ich ihren Angriff aushalten können – zurückschlagen war ja unmöglich. Ich schlage niemals Frauen, auch nicht wenn sie noch so klein sind.

Endlich, endlich kam sie wieder teilweise zu sich. Sie durfte sich auf keinen Fall daran erinnern fast nackt gewesen zu sein, das wäre uns beiden vermutlich sehr peinlich gewesen und hätte die Fortsetzung des Malunterrichts wahrscheinlich unmöglich gemacht. Aber ich war jung und brauchte das Geld. Haha.
Gentlemanlike half ich ihr beim Anziehen und wir wurden zu meinem unverdienten Glück gerade rechtzeitig vor ihrem gänzlichen Aufwachen fertig.

„Was ist passiert?“ meinte die Malschülerin verblüfft. „Hatte ich einen Aussetzer?“ Mir blieb nichts anderes übrig als meine Schutzbefohlene zu trösten. „Nicht der Rede wert, Frau Restöv, sie waren nur eine Minute vielleicht abwesend – geht es ihnen gut?“

Dann begann der Unterricht, wenn man es so nennen will, denn sie hörte kaum auf meine Vorschläge wie dieses oder jenes am besten zu machen sei, damit es später nach einem gemalten Bild und nicht nach einer gestrichenen Fläche aussah.
Frau Restöv begann ganz langsam zu begreifen...
Nach 2 Stunden konnte ich endlich den aufreibenden Betreuungsaufwand abbrechen und mich erschöpft auf den Heimweg machen. Würde ich jemals Erfolg haben mit meinen Bemühungen? Und warum nun ausgerechnet wieder ich??
Wer legte Wert drauf, daß ich nervlich bis ans Limit belastet wurde?
Ich hatte die Elfen im Verdacht mir durchgehend übel mitspielen zu wollen, um eines Tages einen ganz bestimmte Gewinn daraus ziehen zu können? Aber welchen? Ich tat doch schon alles was ich konnte? Das dies nicht stimmte sollte ich Jahre später erfahren...

Ich ließ es damit genug sein.

Zum Schluss des heutigen Tages schaute ich nur irritiert in meinen Badezimmerspiegel. Das soll also ein Troll sein, dachte ich...von mir ganz zu schweigen. Der dort im Glase ist doch nicht verrückt – oder? Mir kamen fundamentale Zweifel! Nicht, daß mir nicht bewusst gewesen wäre, daß ich wahrscheinlich nur eine nicht nummerierte Projektion in ein (auch noch fremdes) Holodeck war, aber das durfte doch alles gar nicht wahr sein!
Ich fühlte mich ausgeliefert und verraten, dann wieder kam mir in den Sinn, daß womöglich auch ein Dr. Troll noch weitere Prüfungen zu bestehen hatte, „Fortbildungsmaßnahmen“ sozusagen. Ich fragte mich jetzt allerdings ob ich mich nicht einfach vom nordischen Troll auf den arabischen Dschinn umschulen lassen sollte, bevor ich zuletzt noch dem ordinären Gin verfiel, dem unreinen Wein, oder dem übermäßigen Bierkonsum... Daraus könnten mir viele Vorteile erwachsen – und erwachsen wollte ich doch immer schon werden.
Dabei vergegenwärtigte ich mir andächtig das Phantasiebild eines mit mir befreundeten Dichters (Axel C. Englert), der sich ein virtuelles Supergewissen, in Form einer gemeingefährlichen Putzfrau (seine gewalt(ät)ige „Frau Bertha Krause“) erschaffen hatte, das ihn andauernd zur Unordnung rief.


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 37"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 37

Autor: Sonja Soller   Datum: 08.10.2022 12:55 Uhr

Kommentar: Fortsetzung folgt???

Wieder sehr lebendig und unterhaltsam geschrieben, jedes Wort ein Treffer!!!

Herzliche Grüße aus dem gespannten Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 37

Autor: Alf Glocker   Datum: 08.10.2022 15:39 Uhr

Kommentar: klar folgt Fortsetzung!

Herzl Grü aus dem enstspannten Süden
Alf

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