Der Krieg der Verführung

© EINsamer wANDERER

Eines Abends in der Gilde des Bösen.

»Von allen bösartigen Kreaturen der Schatten habe ich noch nie ein Wesen getroffen, dessen Herz so schwarz war wie deines! Und nun lass mich dir deine Seele rauben«, fauchte der Dämon.

Günther blinzelte.

»Nein!!! Du kannst meine Seele nicht haben!!!!!!! Ich habe nämlich gar keine!!!!!!!!«

Der dunkle Schatten beugte sich über das Kind und versuchte ihm die Seele aus dem Leib zu lutschen, doch Gunther war nicht von gestern und schlug ihn mitten ins Gesicht. Darauf schlug der mächtige Dämon das Kind von sich, so dass Günther durch die nächste Wand flog und in der darauffolgenden stecken blieb. »Ach, vergiss es einfach!«

»Gunther, was für einen Unsinn treibst du nun schon wieder?! In dieser Wand hast du nichts zu suchen.« Als sich Morrigan des Dämons bewusst wurde, nahm sie kurzer Hand einen Besen und scheuchte ihn unter lautem Quieken fort.

Anschließend zog die Spinnenfee ihren Handlanger aus der Wand, setzte sie auf den Hocker und meinte: »So, du bleibst jetzt hier und wartest auf Kundschaft. Und keine Spielchen mit irgendwelchen Dämonen mehr, verstanden?!«

Günther blinzelte kurz und ihre Herrin verstand diese Geste richtig.

»Gut. Es kann nicht sein, dass du irgendwelchen Unfug machst, wenn ein Kunde kommt und von uns erwartet, dass wir etwas böses tun.« Morrigan blickte sich währenddessen im Laden ein wenig um. »Hm. Du könntest mal ein wenig ausfegen.«

Gunther tat wie ihr befohlen war. Sie sprang vom Hocker, schnappte sich den Besen neben der Tür der eben noch einen Dämon vertrieben hatte und fegte fleißig Staub. Der Schmutz flog jedoch viel zu hoch und ließ alles in einer braunen Wolke versinken. Morrigan hustete schwer und nieste nebenbei auch noch, wodurch sie ihren Untergebenen nicht zur Räson rufen konnte. Günther hatte ja ihr Mundtuch wie sonst auch an und so musste ihr Körper nicht gleichzeitig husten und niesen.

Schließlich ging die Tür auf und eine Dame mittleren Alters betrat die Gilde des Bösen. Unterdessen war es der Spinnenfee zu blöd geworden und sie riss der kleinen Günther den Besen aus der Hand, um sie darauf mit selbigen zu verprügeln. Doch Gunther war nicht doof und sah nicht ein, dass sie geschlagen wurde, weshalb sie durch den halben Laden rannte, während die liebevollen Borsten des Besens stets ihren Kopf prügelten. Dabei war jedoch keinem der beiden klar, dass sich dadurch nur noch mehr Staub im Haus ausbreitete, da der Besen bei jedem Schlag ordentlich staubte.

»Entschuldigen sie, bitte«, versuchte die potenzielle Kundin auf sich aufmerksam zu machen.

Plötzlich hielten beide Schurkinnen inne. Gunther nutzte die Chance, um sich hinter der Theke vor dem bösartigen Haushaltsgegenstand zu verstecken.

»Ja, hallo,«, begann die Frau, »ich habe da ein Problem und hätte gerne, dass sich jemand darum kümmert. Alle meine Freundinnen haben Ehemänner die sie betrügen, nur ich nicht. Mein Mann ist mir treu. Könntet ihr vielleicht dafür sorgen, dass ich ihm Vorwürfe machen könnte wenigstens einmal fremd gegangen zu sein? Das würde mir schon reichen.«

»Also, sollen wir etwas im Auftrag der Liebe unternehmen? Ist dafür nicht die Gilde der Helden zuständig?«

»Die meinten, dass so etwas in Euer Metier fällt.«

»Na wenn das so ist…« Morrigan überlegte kurz und hielt sich mit einem bösartigen Lächeln das Kinn. »Da kommt mir auch schon so eine Idee… Hehehehe.«


In der Taverne saß das Ziel.

Gunther war gezwungenermaßen als Verführerin gewählt worden, da die Spinnenfee laut eigener Aussage ein zu leichtes Spiel mit diesem armen Tölpel hätte – welcher der Bürgermeister dieses Dorfes war – und der Auftrag somit keinen Spaß machen konnte. Außerdem war Morrigan der Boss und somit bestimmte sie letztlich.

Günther machte das nichts aus. Sie war froh endlich unter Ihresgleichen zu sein und von ihnen akzeptiert zu werden. Sie war nämlich aufgrund ihrer eigenen verderblichen Macht aus ihrem vereisten Dorf mit seinem glitzernden Schnee verbannt worden. Sie war solange durch die Gegend gezogen bis sie auf die Spinnenfee traf. Es hatte wie die Faust aufs Auge gepasst. Und nun genoss sie jeden Tag ihres Lebens.

Allerdings hätte Gunther sich durchaus gewünscht, dass sie nicht diesen albernen Frauenfummel tragen musste der ihr zum einen zu groß war und zum anderen trug sie immer noch ihre dicken Felle darunter und schwitzte dementsprechend. So hatte sie sich ihre erste Verabredung garantiert nicht vorgestellt. Sie ging mit laut pochendem Herzen auf den Bürgermeister zu und hielt ungefragt seine Hand, doch er unterhielt sich lieber mit seinen Tischgenossen über die baldige Feier, die für die Benennung des Dorfes geplant war, und ignorierte sie ansonsten. Schließlich pfiff Morrigan nach drei Stunden in denen nichts passierte ihren Handlanger zurück. »Wir probieren etwas anderes«, meinte sie verdrießlich.


Somit gingen sie zu Mimi damit diese für ihren Auftrag einen Liebestrank brauen konnte.

Während sie warteten und die Gnomin an ihrem Tisch alles zusammenmixte kam Jaq unerwarteter weise herein.

»Ich bin wegen der Blumen hier«, sagte sie im gewohnt abwesenden Tonfall.

»Einen Moment bitte«, sagte Mimi. Sie ging in ein Nebenzimmer und kam kurz darauf mit lilafarbenen Rosen zurück die im Schein der Sonnenstrahlen die durch die Fenster schienen glitzerten als hätte sie jemand mit Diamanten besetzt. »Hier sind sie«, meinte die Gnomin und überreichte das Unkraut der Elfin mit dem Ihro. Gunther entging dabei nicht, dass die Alchimistin ihr elfisches Gegenüber genau im Auge behielt, als würde sie gleich einen Angriff befürchten. Als die Elfin wortlos das Gebäude verlassen hatte, starrte Mimi ihr noch eine Zeitlang hinterher und schüttelte sich als wenn jemand über ihr eigenes Grab gegangen wäre. Anschließend machte sie sich wieder an die Arbeit und braute den Trank zu Ende.


Auf dem Fest zur Bekanntgabe des neuen Dorfnamens.

»Hey-y! Morrigan! Wir sind hier!«, brüllte die Amazone Riaens über die Menschenmenge hinweg, als wenn ihre imposante Größe nicht ausreichen würde um auf sich aufmerksam zu machen.

»Hey, na, was machen die Geschäfte bei euch?«, fragte Morrigan nachdem sie sich auf halber Strecke getroffen hatten.

»Ganz gut«, meinte die Amazone darauf. »Wir haben gerade erst unseren ersten wichtigen Auftrag von einer prominenten Persönlichkeit bekommen, nämlich dem Bürgermeister.«

»Wirklich? Wurdet ihr Helden auf die dämliche Suche nach einem Namen für unser Dorf ohne Namen geschickt?«, fragte die Spinnenfee spitzfindig.

»Nein, ganz so bedeutend war es nicht. Wir sollten einfach nur seine Ehe retten.«

»Moment, was?!«

»Ja, es scheint bei ihm und seiner Frau etwas zu kriseln. Also haben wir den Auftrag bekommen sie wieder zusammenzubringen.«

»Wir haben aber von seiner Frau den Auftrag ihn zu einem Seitensprung zu bringen.«

»Was?! Aber wieso?«

»So ganz habe ich das auch nicht mitbekommen. Ich höre ja auch nicht immer zu, was unsere Kunden so quatschen, aber so ist nun mal die Situation.«

»Du kannst doch nicht so einfach ein glückliches Pärchen auseinander bringen!«

»Wieso nicht? Wir sind immerhin die Bösen. Wir können alles.«

»Ja, aber…«, Riaens suchte nach Ausflüchten, fand jedoch keine.

»Außerdem hatten wir die Idee zuerst!«, behauptete Morrigan steif und fest.

»Wer sagt das denn?!«

Währenddessen begann die Rede des Bürgermeisters und für Günther wurde es Zeit sich ans Werk zu machen. Inzwischen war aus dem Gezanke ein richtiger Streit entbrannt, doch Gunther hatte ihre Mission. Laut Mimis Anweisungen musste der Trank über das Haupt der betreffenden Person geschüttet werden, worauf sich diese in das erste Gesicht verlieben würde, welches sie sieht. So kletterte die Helfershelferin auf das Dach des Rathauses und öffnete die Flasche. Sobald die Flüssigkeit mit Luft in Berührung kam kristallisierte sie sich und es galt sie schnell loszuwerden ehe das jetzige Pulver zerfiel und wirkungslos wurde.

So schüttete Günther das Pulver aus und klopfte sogar noch mal auf den nach oben zeigenden Boden um auch ja alles rauszubekommen. Doch leider berücksichtigte sie den Wind nicht, so kam es, dass nur ein kleiner Teil auf das Haupt des Bürgermeisters landete und der Großteil auf das versammelte Dorf niederging. Dennoch reichte das bisschen aus um die extreme Wirkung zu entfalten. Was darauf geschah ging in die Geschichte ein. Alle Bewohner begannen sich zu küssen und zu umarmen, in Liebe vereint. Die Frau des Bürgermeisters küsste seinen besten Freund und sah ihn verliebt an, während der Bürgermeister sich mit der alten Gloria zusammengetan hatte. Mimi machte Jaq einen Heiratsantrag und die beiden Streithähne Morrigan und Riaens kuschelten sich eng aneinander. Als Günther vom Haus runterkam und all die Liebe und Zärtlichkeit betrachtete, zuckte sie schicksalsergebend mit den Schultern und machte ganz einfach mit, indem sie den nächstbesten Baum umarmte.

Als die Wirkung nachließ behaupteten viele sie wüssten nicht, was passiert sei, doch das war gelogen. Dieser Tag sollte zu noch größerem Chaos führen als ohnehin schon, doch die Gilde des Bösen hatte ihren Auftrag mit Erfolg absolviert und kassierten darauf die Belohnung. Die Frau des Bürgermeisters konnte ihrem Mann nun endlich vorhalte machen und sogar bei ihren Freundinnen mitreden wenn es um das Betrügen ging. Allerdings konnte der Bürgermeister dasselbe von ihr behaupten, jedoch war er ein gutgläubiger Kerl und versuchte stattdessen jeden Tag ihr Herz auf Neues zu erobern. Diese Beziehung war glücklicher denn je.

Die Anführerinnen der Gilden hingegen beäugten ihre Aktivitäten nun mit etwas mehr Missgunst, doch der aufziehende Krieg zwischen beiden Häusern war abgewandt worden indem Günther ihn unfreiwillig im Keim erstickt hatte. Aber die Freundschaft zwischen den Gilden sollte noch lange fortbestehen. Mimi unterdessen grübelte lange nach ob sie den Heiratsantrag gegenüber Jaq zurückziehen sollte, doch nur die Zeit würde ihre Überlegungen Früchte tragen lassen.

Alle waren jedoch unglücklich. Der Trank hatte ihnen Gefühle aufgezwungen die gar nicht die ihren waren. Was Böse war. Jedoch hatten andere wiederum ihre alten Beziehungen hinter sich gelassen und versuchten nun neue zu knüpfen. Zu jenen gehörte Gloria die seit jenem Tag tierisch in den Bürgermeister verknallt war und heimlich einen Schrein für ihn in ihrem Wandschrank errichtete. Doch es gab natürlich auch noch andere die ähnlich dachten.

Deswegen war es wichtig, dass sowohl das Gute als auch das Böse in diesem Dorf vertreten war, denn nur so hatten die Bewohner des Dorfes – das bald Dunkelwalddorf genannt werden sollte – eine Chance wahrhaftiges Glück zu finden.


The End


© EINsamer wANDERER


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Beschreibung des Autors zu "Der Krieg der Verführung"

Damit beende ich diese kleine Kurzgeschichtenreihe auch. Vielleicht kommt da noch etwas nach, vielleicht auch nicht. Eventuell kommt es auch auf das Interesse meiner Leserschaft an. Wir werden sehen wovon ich es abhängig mache.

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