Morgaine die Hexe

© EINsamer wANDERER

Die ersten Sonnenstrahlen des Tages schienen durch die Ritzen der Jalousien. Grummelnd zog sich Morgaine weiter in die Dunkelheit ihrer Decke zurück. Sie wollte noch nicht aufstehen. Niemand konnte erwarten, dass sie bald aufstehen würde. Es war noch nicht mal halb zwölf.
Eine schuppige Hand zwickte sie gemein am großen Zeh. Reflexartig zog sie den Fuß brummend weg. Doch so schnell gab die Hand nicht auf. Hartnäckig wühlte sie sich durch die dicke Decke hindurch. Zu Morgaines Verdruss fand die Hand den Zeh erneut und zwickte sie wieder unangenehm. Laut kreischend explodierte das Bett, so dass Hexe(Morgaine – im Volksmund auch Couchpotato) und Dämon (Bartholomew; Spitzname Perry as himself) durch die Luft flogen. Morgaine packte wutschnaubend den kleinen koboldartigen Dämon an der Gurgel. Ihre von Schlaflosigkeit und dem übermäßigen Genuss von Alkohol geröteten Augen spießten ihn auf.
»Morgen, Schätzchen. Hast du gut geschlafen?«, fragte der Dämon hämisch grinsend, wobei er eine Reihe nadelspitzer Zähne preisgab, die Morgaine ihm gleich ausschlagen würde.
»Ich bring dich um, Perry!«
»Ach du«, meinte Bartholomew – von Morgaine Perry genannt – mit einer abtuenden Bewegung. »Du könntest mir nie was tun, dafür hast du mich viel zu Doll lieb.« Das hämische Grinsen wurde schon unnatürlich breit.
Der kleine, schwarze Dämon schaute mit seinen lilabrennenden Augen nervös umher, was einen Kontrast zu seinem süffisanten Grinsen darstellte. Er wusste, dass seine Existenz gerade auf Messerschneide stand, denn Morgaine war ein gefürchteter Morgenmuffel.
Auf dem Kopf trug Bartholomew eine Maske in Form eines Katzengesichtes. Seine Ohren waren für einen Koboldtypisch sehr groß und Fledermausartig. Bartholomew trug eine dunkelgraue, zerrissene Dreiviertel-Jeans mit ein paar dekorativen Ketten dran. Außer der Hose trug er nur noch ein schwarzes T-Shirt mit Homer Simpson drauf.
Auf dem Shirt war ein ungepflegter Homer in Unterhose mit Bärenschlappen und einer heißen Kaffetasse in der Hand zu sehen, während er sich den Hintern kratzte. Neben ihm stand der Schriftzug „the Last Perfect Man…“. Neben diesem Bild mit benannter Aussage befand sich rechts unten neben Homers extrem lächerlichen Schuhen eine kleine Signatur von Matt Groening selbst darauf.
»Da wäre ich mir nicht so sicher, kleiner Gremlin. Ich steck dich einfach in den Mixer, genau wie im Film.« Auf Morgaines Zügen spielte sich ein diabolisches Lächeln ab. Im Zwielicht des Raumes verzerrten die Schatten ihr Gesicht zu einer furchteinflößenden Fratze.
Dem kleinen Kobold sah man förmlich an, wie ihm das Herz in die Hose rutschte. Panisch fuchtelte er mit seinen dürren Ärmchen und ebenso dürren Beinchen wild um sich.
Morgaine ließ ihn fallen, als der Dämon einen Zufallstreffer landete und auf allen vieren auf dem Zimmerboden aufkam. Gerade als er davonkrachselte warf die Hexe ihm wütend ihr dickes Kissen mit azurblauen Bezug hinterher. Doch der Dämon sprang schnell an die Wand und lief von da kichernd weiter auf allen vieren.
Wie Morgaine es doch hasste, wenn er das tat. So schlitzte er immer die Tapete auf und sie – das hieß eigentlich die niedere, unterbezahlte Putzkraft – konnte es nachher beseitigen. Das war mal wieder typisch. Immer blieb alles an ihr – der Hexe – hängen. Wie sie diesen kleinen Dämon hasste. Wenn es nach ihr gehen würde, hätte sie ihn längst auf Nimmerwiedersehen mit einem fetten Arschtritt in die Dämonenwelt befördert.
Aber leider war Bartholomew dort nicht verankert. Er war Morgaines Dämon des Herzens, was immer das bedeuten mochte. Jede Hexe wurde mit einem Dämon im Herzen geboren. Dieser Dämon verkörperte ihre Macht und zeichnete sie als Hexe aus. Aber wenn Morgaine so an Bartholomew dachte, konnte sie keine besonders mächtige Hexe sein. Er war der größte Schwächling den sie je kennengelernt hat. Sie hätte lieber einen Dämon mit dicken Muckis, der ihre vielen Einkäufe schleppte, wozu auch sonst? Aber nein, ihr Herz hatte ihr einen widerwärtigen kleinen Kobold gegeben, der sich in ihrer Gegenwart permanent die Eier kraulte und beim Essen furzte.
Seufzend ging Morgaine ins Bad. Wenn sie schon wach war, konnte sie sich schon mal fertig machen für einen neuen Tag im Paradies.
Wie jeden Morgen stellte sich die Hexe nackt auf die Waage. Ihre Kleidung trug natürlich zum Gewicht mit bei, wenn auch vergleichsweise wenig. Drum bevorzugte sie es sich nackt zu wiegen.
»Was?!«, fragte sie genervt. »Ich bin schon wieder fünfzehn Kilo drüber?!« Sie sah auf ihren Bauch und nahm eine Speckfalte in die Hand. Ihr Arsch begann auch schon schwabbelig zu werden.
Es war nicht zu leugnen. Sie war Fett! Fünfzehn Kilogramm über ihrem Idealgewicht, das ging ja mal gar nicht.
Aber Morgaine war eine Hexe mit passenden Zaubersprüchen. Sie schloss die Augen und murmelte eine alte Litanei vor sich hin. Je weiter sie den Spruch herunterleierte, desto mehr verschwanden die unerwünschten Polster auch wieder. Als sie geendet hatte, betrachtete sie ihr Werk mit einem zufriedenen Grinsen. Und all die anderen Trottel mussten zu so etwas wie Weight Watchers. Sie hingegen musste nur ein paar bedeutend klingende Zauberworte sabbeln und schon war die Welt wieder schön. Das Fett war weg und ihr Hintern war wieder knackig.
Die sechszehnjährige Hexe ging zum Spiegeln und schaute in das Gesicht einer zwanzigjährigen Schönheit. Dank eines kleinen Zauberspruchs hatte sie sich etwas älter gemacht.
Mit einem einfachen Spruch ließ sie auch die dunklen Tränensäcke einer unausgeschlafenen Hexe einfach verschwinden.
Ihre dunkelbraunen, fast schwarzen Haare hingen zerzaust von ihr ab. Instinktiv wollte sie nach dem silbernen Kamm greifen, doch dann zog sie ihre Hand mit einer abtuenden Bewegung zurück.
Mit einem kurzen Klatschen rief sie schwarze Hände aus Schatten, die ihr die Haare kämmten, während Morgaine mit ihrem Handy spielte.
Noch drei Tage und sie würde sich ein neues besorgen müssen. Wer wollte schon ein Handy haben, das drei Monate alt war? Nur wer mit den neuesten Trends ging, war In. Alle anderen waren Out.
Die Bilder von der gestrigen Party waren auf Facebook. Man war sie besoffen gewesen. Die Fotos waren mehr als peinlich, aber wenigstens sah sie gut aus. Die Schminke war nicht verwischt und die Frisur hätte dank ihres Zaubers sogar einem Hurrikan standgehalten. Ein paar Machos hatten ihr ein paar Drinks spendiert, nachdem sie die ganze Nacht durchgetanzt hatte. Als einer der spendablen Herren ihr aber an die Wäsche gehen wollte, hatte sie ihm einen schmerzhaften Hodenschrumpfzauber auf den Hals gehetzt. Nicht das da viel zu schrumpfen gewesen wäre.
So war Morgaines Leben. Immer die neusten Trends und immer da wo was los war. Welche andere sechszehnjährige Hexe kann schon von sich behaupten so ein tolles Leben zu führen?
Beim endlosen Scrollen entdeckte Morgaine einen Kommentar, der ihre Aufmerksamkeit erregte.
Ein Mädchen hatte: »Iihh wie siet die den aus? Die Frisur is doch total scheize. Und Lol die hat Segelohren.« geschrieben.
Morgaine gab ein kleines »Hmpf« von sich.
Sie ging auf die Profilseite von der Schlampe. Ein Bild. Ein einfaches Bild, mehr brauchte sie nicht. Und siehe da, da war ein wunderschönes Foto. Wahrscheinlich klebte diese Bitch die Schmiere auf jede ihrer Bewerbungen. Dämlich grinsend in die Kamera guckend mit einem trist grauen Hintergrund. Zum Kotzen!
Ein Lächeln machte sich auf Morgaines Gesicht breit. Mal sehen, wie ihr eine Glatze stehen würde. Aber damit wäre es nicht getan. Große mausähnliche Segelohren, dass würde es bringen!
Sie begann sofort mit einem weißen Pulver aus dem Badezimmerschrank ein kleines Pentagramm auf die Abstelllage über dem Waschbecken zu formen. Im Zentrum legte sie das Handy mit einer Vergrößerung des Profilbildes. Mit ein paar Gesten und Worten in Kombination mit dem weißen Pulver vollführte sie den Fluch. Innerhalb eines Tages würde er seine Wirkung tun. Mit dem nächsten Sonnenaufgang, würde die kleine Fotze ihre eigenen Probleme mit den Haaren und Ohren haben.
Nachdem das Ritual vollbracht war, lehnte sich Morgaine lachend zurück. Die Hände kämmten und stylten ihr immer noch die Haare, bis sie schließlich eine kurze Strobelfrisur mit etwas Gel hatte.
Dazu zog sie sich lange schwarze Stiefel aus italienischem Leder in Kombination mit einem kurzärmeligen dunkelblauen Oberteil von Gucci an. Dazu trug sie um den Hals eine Kette mit einem Ankh-Symbol, welches sie mal aus Lust und Laune in einem No-Name-Shop gekauft hatte. Zu guter Letzt zog sie sich einen kurzen roten Rock von Burberry an.
Als sie sich so im Spiegel betrachtete und posierte, hatte sie das Gefühl etwas vergessen zu haben. Mit einem Schnipsen fiel es ihr es ein. Sie hatte die zwei Piercings in den Nacken vergessen. Etwas was sich sehr schnell nachholen ließ. Gesagt, getan. Der silberglänzende Schmuck ergänzte ihre Tribal-Tätowierung an selber Stelle. Dank des Körperschmucks sah es aus, als wenn die Tätowierung ein Gesicht wäre, dessen Augen die Piercings waren. Es war soo cool!

Mit einer Müslischale schlürfte die Hexe von der teuren Einbauküche ins Wohnzimmer. Auf dem sandfarbenen Sofa vor dem teuren Flachbildschirmfernseher saß eine schwarze Katze, die gerade eine alberne Disney-Serie glotzte. Morgaine packte die Katze im Nacken und warf sie brutal mit einer Eiseskälte krachend gegen die nächste Wand. »Verpiss dich, Perry! Niemand will deine dämliche Kindershow glotzen.«
Die Katze verwandelte sich in Bartholomew. »Das sind Phineas und Ferb, man! Die sind verdammt geil und tausendmal cooler als das was du guckst. Grays Anatomie ist doch zum Kotzen! Da geht es um Ärzte die alles bumsen was in ihre Praxis rein marschiert«, seine Aussage unterstrich er mit indem er sich eine unbezahlbare Mingvase nahm und damit begann sie begatten zu wollen. Danach warf er sie achtlos in die Ecke, wo sie scheppernd zerbrach. Morgaine hatte die Vase sowieso nie gemocht und auch nie verstanden, warum sie so kostbar waren. Weshalb sie dem Dämon noch einmal verzieh. Aber als er mit seiner Triade fortfuhr, stellte sie stur auf Durchzug. Hier rein da raus, das brachte ihn für gewöhnlich immer zur Vernunft.
»Aber das Beste sind immer die Typen, die mit einem Schnupfen da reinkommen und dann stellt sich heraus, dass es eine seltene, tödliche Krankheit aus den Tropen ist! Obwohl der Typ dort niemals gewesen ist! Und am Ende der Folge verlässt er die Klinik im Leichensack! Okay, du hast ja recht. Es ist immer witzig mit anzusehen wie der Kerl die Klinik im Leichensack verlässt und alle wegen ihm flennen, obwohl sie ihn erst seit fünfzehn Minuten kennen! Just like real life, am Arsch!«
»Kannst du endlich mal die Fresse halten, Perry! Ich will das gucken! Also echt mal.«
Bartholomew ging zum Tisch und zog die Fernsehzeitschrift zu sich, um sie genauer zu studieren.
»Bloß Schrott, eye!«, krächzte Perry nach einigen Sekunden. Schließlich warf er die Zeitschrift hinter sich und ging zurück in die Küche.
Morgaine hörte nur wie einige Dinge mit einem teuren Klirren zu Bruch gingen. Teuer, denn hier gab es nichts Billiges.
Schließlich kam Bartholomew in Katzengestalt zurück und setzte sich gähnend neben Morgaine.
Nach einem Moment brach der als Katze getarnte Dämon das Schweigen. »Wusstest du eigentlich, dass wir eine Diamantschüssel haben?«
»Nö. Is sie Schrott?«, fragte die Hexe ohne ihren Diener anzusehen.
»Sie hat einen kleinen Sprung. Ist aber ansonsten vollkommen okay.«
»Ich bestell zehn neue nach. Man kann nie genug teuren Trödel haben, um seine Freunde zu beeindrucken.«
Darauf murmelte Bartholomew etwas, das wie »Welche Freunde?« klang.
Nach einigen Minuten schielte Morgaine zu ihrem Schoßtierchen. Schon immer hatte sie sich gefragt …
»Wieso eigentlich eine Katze? Könntest du dich nicht in ein Hündchen oder sowas verwandeln. Alles ist besser als so ein schmutziges Drecksviech.«
»Die Katzenform hat eine lange Tradition bei uns Dämonen!«, begehrte Bartholomew auf. »Oder was glaubst du, wieso so viele Hexen in den Hollywoodfilmen Katzen dabei haben? Weil wir Dämonen uns stets als solche pelzigen Tierchen getarnt haben. Ein Hündchen! Ist denn das zu fassen?! Ein Hündchen! Sag mal, willst du mich verarschen?!«
»Jetzt komm mal runter, Kleiner.« Mit einem Griff zog sie der Katze das Gesicht ab. Die Maske von Bartholomew löste sich leicht von seinem Gesicht und verwandelte ihn zurück in den hässlichen Dämon. Hüpfend versuchte er sich die Maske zurückzuholen. Morgaine hielt die Maske hoch, so dass der kleine Kobold nicht rankam, egal wie sehr er sich auch anstrengte.
Er sprang und versuchte trotzdem mit seinen Ärmchen die Maske zu fassen zu kriegen während er von Morgaine mit spöttischem »Na los streng dich an, du kleine Mistgeburt.« überzogen wurde.
Schließlich gab er es auf. Wie ein beleidigtes Kind setzte er sich mit verschränkten Armen auf dem Sofa hin und guckte stur geradeaus.
Morgaine sah der Maske dabei zu wie sie sich drehte. Um noch eins drauf zu setzen, wollte die Hexe sich selbst maskieren um Perry zu ärgern. Sie setzte das übelriechende Ding auf und bewegte sich ganz nah an den Dämon ran. »Uh sieht mich an, ich bin eine Katze die lieber ein Schnabeltier sein möchte.«
Perry verzog den Kopf ruckartig zur Seite, weg von Morgaine. »Wenn du mehr trainieren würdest, könnte ich auch mehr Formen annehmen.« Er legte eine kleine Pause ein, bevor er mit einem schiefen Lächeln sagte: »Ich an deiner Stelle würde die Maske nicht aufsetzen.«
Morgaine wollte gerade fragen, wieso, aber es kam nur Miaue aus ihrer Kehle. Als sie an sich herabsah, musste sie erschreckt feststellen, dass sie sich selbst in eine Katze verwandelt hatte. Fauchend sah sie Bartholomew an, der immer noch süffisant Lächelnd und mit verschränkten Armen in die andere Richtung blickte.
Morgaine stellte sich das Fell auf. Sie würde einen Fluch auf den kleinen Kobold loslassen. Einen fiesen Ausschlag an einer unangenehmen Stelle. Oder sie würde ihn zwingen Vom Winde verweht zu sehen.
Sie sammelte gerade ihre magische Energie, doch statt einen Fluch loszulassen, wuchs sie. Das kleine flauschige Kätzchen wuchs zu einem großen schwarzen Panther heran.
Es fühlte sich seltsam an. Hatte sie sich noch als Katze vollkommen normal gefühlt, war sie jetzt in einer Art Trance. Wie im Traum, als wenn ihr Erlebnis nur ein dünner Schleier wäre, der alles verschwimmen lässt. Sie hatte das starke Verlangen zu rennen, auf Bäume zu klettern und sich an harmlose Tierchen heranzupirschen um sie zu fressen. Und dann fiel ihr Blick auf Bartholomew.
Auf einmal sah der Dämon sich doch gezwungen zu seiner Meisterin umzudrehen, nur um in ihr großes mit spitzen Zähnen gespicktes Maul zu schauen. Bevor es zuschnappen konnte, sprang der Dämon von der Couch und floh in Richtung Küche. Die Pantherdame folgte ihm, aber die Kissen gaben nicht genug halt für sie. Morgaine spürte wie sie unter ihren Tatzen wegrutschten.
Als sie den kleinen Dämon davonlaufen sah, übernahm ihr neuer Jagdinstinkt die Führung. Sie wollte jagen und fressen und die einzige Beute die es im Raum zu erlegen gab war nun mal Bartholomew. So rannte sie dem kleinen Kobold hinterher, der es in der Zwischenzeit geschafft hatte sich ein Fleischermesser zu schnappen. Ungeschickt stocherte er damit nach der verwandelten Hexe. Schließlich warf er das Messer haarscharf an ihren Pantherohren vorbei.
»Scheiße! Jetzt habe ich keine Waffe mehr! Wie konnte ich auch nur so blöd sein und meine einzige Verteidigungsmöglichkeit wegwerfen?!«
Morgaine roch die Panik der kleinen Kreatur. Ihr Maul öffnete sich und würde gleich den Kopf des Dämons zu packen bekommen. Ab da würde sie nur einmal kräftig zubeißen müssen und der Schädel würde knacken wie eine Nuss in den Fängen eines Nussknackers.
In einem Anfall von Lebensmüdigkeit sprang Bartholomew auf ihren Rücken. Sie buckelte und schlug wie ein Pferd aus, um den ungebetenen Reiter los zu werden. Schließlich fiel Bartholomew nach vorne über und riss im Fall das Panthergesicht von Morgaine, die sich darauf sofort wieder in einen Menschen zurückverwandelte.
Keuchend drehte sie sich auf den Rücken. Ihr Dämon lag genauso erschöpft neben ihr. Mit einem Seufzer schlug Morgaine Bartholomew ihre Faust in seinen verschlagenen Magen. Sie hörte wie der Schlag sämtliche Luft aus den kleinen Lungen des Dämons presste.
»Wenn du so etwas noch einmal machst, bringe ich dich um«, keuchte sie.
Nach einem Augenblick der Ruhe schaute Bartholomew nachdenklich zur Decke. »Wenn du mich frisst, gibt es keinen Dämon mehr der dich nicht auffressen würde.«
»Dann fresse ich sie halt zuerst«, meinte die Hexe nur mit einem Schulterzucken.
Dämonen fraßen Hexen und Hexen fraßen Dämonen. Je mehr und mächtigere Leben verzehrt wurden, desto mächtiger wurde der oder die Betreffende.
Bis auf Bartholomew waren alle Dämonen ihre Sklaven. Der Kobold hingegen war ihr Dämon des Herzens. Er folgte ihr überall hin egal was geschah. Und letztlich würde er mit ihr sterben, es sei denn sie schenkte ihm die Freiheit und dann wäre er ein echter Dämon und kein Sklave mehr. Aber für Morgaine waren Dämonen dazu da, sie zu bedienen. Und die bloße Vorstellung einen von ihnen zu Essen war für sie mehr als Widerlich. Wenn sie sich so Bartholomew ansah, sah er nicht sonderlich appetitlich aus. Diese schwarzglänzenden Schuppen. Igitt!
»Hast du es dir überlegt?«, fragte eine ältere Frauenstimme wie aus dem Nichts.
Morgaine richtete sich vor Schreck kerzengerade auf. Vor ihr stand auf einmal eine ältere Dame (Wynn – Sie ist nicht erfreut). Sie trug einen teuren weißen Blazer mit einem muffigen Fuchspelz um den Hals. Ihre langen schwarzen Haare, wiesen schon die ersten altersbedingten silbergrauen Strähnen auf. Ihr Blick war kalt, verachtend und berechnend. Morgaine unterdrückte ein frösteln als diese Blicke versuchten sie zu töten.
Stöhnend stand die Hexe auf. Sie hatte diese Schlampe so etwas von Satt. »Ganz ehrlich? Nein, ich will nicht zu eurem kleinen Freak-Club gehören, okay?«
»Entweder du fügst dich der Schwesterschaft oder du wirst vernichtet werden. Das ist dir doch bewusst?«
»Ja klar, dass sagen sie doch alle«, meinte Morgaine mit einer abtuenden Bewegung. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, während Bartholomew panisch an ihrem Hosenbein zerrte, doch sie ignorierte beides.
»Hör mir gut zu, junges Fräulein…«, meinte die Frau erbost. Ihre schwarzen Augen spießten sie förmlich auf.
»Hör mir gut zu, junges Fräulein«, äffte Morgaine sie mit der Hand nach.
Ihr Dämon wurde immer panischer, während die Hexe gerade erst richtig in Fahrt kam.
»Du bist nicht meine Mutter, also hör auf so zu tun, du alte Schabracke.«
Die Frau ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie machte einige schnelle Schritte auf die junge Hexe zu. Der Raum verdunkelte sich und ließ unheimliche Schatten auf dem Gesicht der Fremden erscheinen.
»Unterschätz mich nicht, Kleines. Ich habe Jahrhunderte lang gelebt. Ich habe die Schlacht …«
Morgaine konnte ihre Angst nicht weiter ignorieren. Deshalb versuchte sie ihre Furcht hinter Spott zu verbergen. »So riechst du auch. Alt. Ich wette du hast den Kometen überlebt, der die Dinos ausgerottet hat.«
Die ältere Hexe packte sie an der Gurgel. Ihre Stimme hatte auf einmal einen unnatürlichen Widerhall. Er war dunkel und kalt. Unwillkürlich musste Morgaine an schwarzes Eis denken. »Als ich in deinem Alter war, wurden wir noch gejagt. Vom Pöbel wie von der Kirche. Nach langer Zeit haben uns die Menschen vergessen und das soll auch so bleiben. Ich werde die Sicherheit unserer Gemeinschaft nicht wegen eines aufmüpfigen Balgs wie dir aufs Spiel setzen. Lebe nach unseren Regeln oder stirb! Du entscheidest. Jetzt!«
»Okay. Okay«, krächzte Morgaine angestrengt durch den Würgegriff. »Ich gebe auf. Du hast gewonnen.«
Der Griff der Hexe wurde lockerer und ließ Morgaine unsanft fallen. »Gut. Morgen wirst du abgeholt. Punkt acht Uhr morgens und keine Minute später. Solange hast du Zeit deine Koffer zu packen. Komm bloß nicht auf dumme Gedanken, Mädchen. Wenn du dich aus dem Staube machst, werden wir dich jagen und töten.« Damit verschwand die Hexe in einer schwarzen Rauchwolke, die aus dem Nichts aufgetaucht war.
Bartholomew klopfte der hustenden Morgaine auf den Rücken. »Sieht so aus, als wenn wir jetzt wieder mal in der Scheiße sitzen würden.«
Trotzig schaute Morgaine auf die Stelle an der die andere Hexe verschwunden war. »Von wegen. Ich bin nicht von Zuhause weggelaufen, um mir jetzt wieder von jemand sagen zu lassen, wie ich zu leben habe«, krächzte das Mädchen.
Noch am heutigen Tage packte sie all ihre Sachen die sie brauchte und verließ mit ihrem Dämon die Stadt.

Fortsetzung folgt…


© EINsamer wANDERER


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Beschreibung des Autors zu "Morgaine die Hexe"

Dies hier sollte ein neues Gemeinschaftsprojekt, welches ich mit einer Dame namens Volumenhaar hier bei DA hatte. Leider hat sie ihren Account deaktiviert, weshalb ich die Sache schlussendlich alleine durchziehen werde.

Hier ist meine Teenie-Hexe Morgaine mit ihrem Dämon Perry. Zum letzteren gibt es auch schon ein kleines Bildchen und zwar hier: http://benutzernamesakar.deviantart.com/art/Bartholomew-357110500

Im nächsten Kapitel wird sie in die Dämonewelt kommen. Weitere Details werde ich noch nicht nennen. Ich werde hier versuchen aus der eher unheldenhaften Hexen eine Heldin zu machen, um mal so zu sehen wie Helden überhaupt geboren werden.

Next: https://www.schreiber-netzwerk.eu/de/2/Geschichten/12/Fantasie/46925/Willkommen-in-der-Daemonenwelt/




Kommentare zu "Morgaine die Hexe"

Re: Morgaine die Hexe

Autor: Varia Antares   Datum: 24.11.2017 21:13 Uhr

Kommentar: Du schreibst richtig interessante, tolle Geschichten.

LG
Varia

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