Es war eine dunkle, regnerische Nacht. Leise tröpfelte das Wasser auf die Holzdielen. Er hatte schon vor Monaten vorgehabt das Dach auszubessern. Es war schon lange her, dass er geschlafen hatte. Laut hallte das Tropfen in seinem Kopf. Seine blutunterlaufenen Augen starrten in das leere Dunkel. Still bewegten sich seine Lippen. Sie formten Wörter einer Sprache, die es nie gegeben hatte. Donner grollte in der Ferne. Auf einmal erklang der rhythmische Klang von Trommeln, das Prasseln des Feuers und tanzende Schatten. Wohlige Wärme breitete sich auf seiner nasskalten Haut aus. Er fühlte Sand zwischen seinen Füßen. Wie in alten Zeiten, als er noch Löwen jagte. Doch die letzte Jagd war die denkwürdigste von allen gewesen.

Er schaute sich den blutigen Schauplatz an. Überall waren Blut, Gedärme und vereinzelte Körperteile von Menschen. Die Dorfbewohner sprachen von einer Bestie, doch das taten sie öfters bei Löwenangriffen. Der Jäger schaute sich alles genausten an. In all dem Chaos waren viele Spuren des Tieres beseitigt worden. Auch wenn die Bewohner glaubten, das Tier selbst habe sie vernichtet. Es sei aus dem Nichts aufgetaucht und wäre, ohne Spuren zu hinterlassen, verschwunden. Genauestens betrachtete der Jäger die Spuren. Ein Löwe eindeutig. Kein Ungeheuer oder Geist, was es oft für dieses Bauernvolk war. Aber so ein Massaker war selbst für einen Löwen ungewöhnlich. Keine der Leichen war angefressen worden. Warum tötete er ohne zu fressen? Der Jäger folgte den Spuren bis in die Tiefen der Savanne. Doch die Spur endete plötzlich. Als wäre der Löwe vom Erdboden verschluckt worden. Nun stand er da mitten in der Savanne. Ohne eine Spur. Ohne auch nur einen Blick auf seine Beute erhascht zu haben. Er musste zurück, zurück ins Dorf. Das war nicht der erste Löwenangriff gewesen. Angeblich war der von letzter Nacht der dritte gewesen. Als die Sonne begann hinter dem Horizont zu verschwinden, kam er wieder im Dorf an. Schnell stellte der Jäger seine Fallen auf und wartete auf einem der Dächer auf das Tier. Löwen waren Nachtaktiv. Er würde erst kommen, wenn es dunkel war. Der Jäger verzichtete auf ein Feuer, damit das Tier nicht verscheucht wurde. Er hatte sicherheitshalber überall im Lager Öl verschüttet. Ein kleines Streichholz und schon war das Tier in einem Ring des Feuers gefangen. Und so wartete er auf einem der Dächer. Jeder Muskel war gespannt, um jederzeit reagieren zu können. Das Gewehr im Anschlag, um jeden Moment schießen zu können, denn in einem Kampf auf Leben und Tod ging es um Sekunden. Sein Gehör war geschärft. Es nahm das Säuseln des Windes wahr. Das Rascheln kleiner Büsche. Und das plötzliche Zuschnappen seiner Fallen. „Hab ich dich!“, sagte der Jäger. Er wusste sofort, woher das Geräusch kam. Schnell huschte er zu seiner Falle. Als er sie erreicht hatte, war sein Staunen grenzenlos. Die Falle war von selbst zugeschnappt! Er schaute zu den anderen, offenen Fallen. Auch sie schnappten eine nach der anderen zu, ohne erdenklichen Grund. Ein Knurren kam hinter dem Jäger. Schweißgebadet drehte er sich um. Was er sah, war unmöglich. Es war ein Löwe. Ein schwarzer, in schwarzen Nebel getauchter Löwe. Seine bösartigen Augen glommen wie glühende Kohlen. Was der Jäger da sah, war kein Löwe. Es war irgendetwas … anderes. Wütend fauchte das Ding, denn etwas anderes war es nicht, was da den Jäger anstarrte. Mit den Reflexen der vielen Jagten schoss der Jäger dem Löwen in den Kopf. Doch der Schuss riss nur den Nebel beiseite. Der Jäger konnte durch das Loch die Büsche hinter dem Tier sehen. Geistesgegenwärtig nahm er sein Streichholz, zündete es an und warf es zielsicher in eine der Öllachen. Sofort breitete sich das Feuer im gesamten Dorf aus und malte ein riesiges Zeichen in den Boden. Der Jäger war mitten im Feuer eingeschlossen, der Löwe aber auch. Mit einem Wutgeheul sprang das Wesen aber durchs Feuer. Es schien vor ihm zurückzuweichen. Mit einem Sprung begrub es den Jäger unter sich und alles wurde schwarz.

Als der Jäger wieder zu sich kam, befand er sich in einer Hütte. Er versuchte aufzustehen. Als seine Schulter zu schmerzen begann, hielt er inne und sog die Luft scharf durch die Zähne ein. „Du hattest Glück gehabt.“, sagte jemand in der Sprache der Eingeborenen. Ein Einheimischer lehnte sich an der Wand. „Die meisten sterben bei einem Kampf gegen den Geist.“ „Wo bin ich hier?“, fragte der Jäger. „In Sicherheit. Du warst schwer verletzt.“ „Wo ist meine Waffe?“ „Zerstört. Ich versteh zwar nicht viel davon, aber sie kaputt. Sie ist im Kampf vollkommen zerborsten worden.“ Der Jäger fluchte. Keine Waffe und dann auch noch schwer verletzt. „Er wird dich heimsuchen.“, sagte er. „Soll er nur. Ich habe noch eine Rechnung mit ihm offen.“ „Wenn du dich erholst hast, musst du verschwinden, sonst werden wir ebenfalls heimgesucht.“ „Wie werde ich das Viech wieder los?“, fragte der Jäger. „Gar nicht“, antwortete sein Gegenüber. „Aber angeblich soll er mit einem geheiligten Speer zu töten sein. Wir werden dir einen als Schutz mitgeben. Deine Waffe ist ja zerstört.“ Es brauchte einige Tage, bis der Jäger wieder zu Kräften kam. Die Eingeborenen behandelten ihn zwar höflich, doch erkannte der Jäger Furcht in ihren Augen. Sie hatten Angst. Angst davor vom Geist heimgesucht zu werden. Als die Wunden des Jägers verheilt waren, gaben sie für ihn ein Fest. Es diente mehr dem Schutz vor dem bösen Geist, denn als Ehrung. Die Eingeborenen tanzten ums Feuer zum Klang der Trommeln. So verließ der Jäger anschließend das Eingeborenendorf und ging in die schwarze Nacht hinaus. Den Speer fest umklammert, schaute er sich nach allen Seiten um. Jede Zeit konnte die Bestie zuschlagen. Fauchend sprang der Geist aus dem Dunkel. Der Jäger sprang nach vorne und rollte sich ab. Die beiden schauten sich unverwandt in die Augen. Die des Löwen waren erfüllt mir hass. Grimmigkeit spiegelte sich in den Augen des Jägers. „Heute werde ich nicht sterben“, sagte er sich selbst. Die beiden umrundeten einander. Sie ließen sich nicht aus den Augen. Der Löwe knurrte. Jeder Muskel des Jägers war gespannt. Seine Welt beschränkte sich allein auf diesen Moment. Er fühlte mehr, als er sah, wie der Löwe die Muskeln zum Sprung bereit machte. Als die Pfoten von Boden abhoben, ruckte der Speer in die Höhe. Schnell stach der Jäger zu und spießte den Geist auf. Er hätte gedacht, dass das Wesen schwer war, doch eigentlich war es ganz leicht. Es hing der Luft, wie ein nasser Wassersack. Aus der Wunde kam kein Blut. Aus dem Körper des Wesens brach Licht durch. Kreischend zerstob es in tausend Funken.

Was dann geschah? Nichts weiter. Er war alt geworden. Hatte aufgehört zu Jagen, aber diese eine Jagd würde ihn immer im Gedächtnis bleiben. Selbst seine fortgeschrittene Demenz konnte die Erinnerungen an diesen Löwen nicht tilgen. Im letzten Moment seines Lebens, sah er die rotglühenden Augen der Bestie.

The End


© EINsamer wANDERER


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Beschreibung des Autors zu "Löwenjagd"

Mal eine Kleinigkeit, die ich in der Schule geschrieben habe.




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