Kapitel 1 – Tod in der Schenke

© EINsamer wANDERER

Ginger schrak schweißgebadet aus ihrer Ohnmacht auf. Sie lag unter einer dünnen Decke auf dem harten Boden eines Zeltes. Überall an ihrem Körper klebten mit Blut getränkte Bandagen. An der Zeltwand tanzten die Schatten eines knisternden Lagerfeuers. Lautes Gemurmel drang an ihr Ohr, allerdings sie hörte alles wie durch Watte. Eine Flut an Erinnerungen brach plötzlich über sie herein. Schmerzend hielt sich die Elfin den Schädel, während sie vor ihrem geistigen Auge die letzten Stunden noch einmal durchlebte. Die Schlägerei, der Einbruch, das Feuer, die Frauen, ihre Schwester und dann nichts als Schwärze.
Der Zeltvorhang wurde beiseitegeschoben und Liam trat herein. Seine Miene erhellte sich, als er sah, dass sie wach war. >>Ah, Ihr seid erwacht. Das freut mich.<< Er lächelte wie immer freundlich.
Ginger hielt sich den immer noch dröhnenden Schädel, wenigstens kehrte ihr scharfes Gehör langsam zurück. >>Wo bin ich hier?<<, fragte sie matt.
>>Im Lager<<, meinte Liam. >>Könnt Ihr aufstehen?<<
Ginger stand auch schon auf den zittrigen Beinen.
>>Etwas wackelig, aber es wird schon gehen.<<
Die beiden traten ins Freie. Es war unangenehm stickig und schwül. Sofort begann sich ein Schweißfilm auf Gingers Haut zu bilden. Sie hörte das Summen einer Mücke, die sie dann fluchend auf ihren Nacken erschlug. Am knacksenden Lagerfeuer warteten drei fremdartige Gestalten auf sie. Alles in allem schien die Gruppe sehr bunt gemischt zu sein. Zu Gingers Leidwesen erkannte sie auch einen weiteren Menschen unter ihnen. Daneben stand ein vor schwarzen Haaren überquellendes Zwergengesicht. Früher hatte die Elfin immer geglaubt, dass Zwerge ein Märchen seien. Aber vom Gegenteil war sie noch nicht ganz überzeugt. Der Dritte war ein brutal aussehender Ork. Sie kannte die ganzen Gruselgeschichten die man über sie erzählte, aus ihrer Kindheit. Dass sie Kannibalen seien, unartige Kinder fressen und so weiter. Misstrauisch beäugte Ginger das Trio am Feuer.
Das Lager befand sich zu Füßen eines gewaltigen Tempels, der wie ein dunkler Götze in die Nacht ragte und die Sterne verdeckte. Von überall her kam knurren, fauchen, zischen, und jede noch so kleine Drohgebärde her. Erst jetzt erkannte Ginger, dass sie sich im tiefsten Dschungel, fernab sämtlicher Zivilisation befanden.
>>Dann will Euch alle nochmal mit einander bekannt machen.<< Liam schritt auf die dreier Gruppe zu und begann sie der Reihe nach vorzustellen.
>>Das hier ist Kaien.<<
>>Wie geht es Euch?<<, der Mensch hob die Hand zum Gruße. In seiner Stimme lag echte Sorge, die die Elfin aber nicht hören wollte.
>>Wenn ich Euch sehe? Speiübel<<, antwortete die Ginger verächtlich.
>>Das hier ist der stammlose Zwerg Muresch<< Der Zwerg schien nur aus Muskeln zu bestehen. Sein vernarbter mit Tätowierungen überhäufter Oberkörper war bis auf den Gurt seines Breitschwertes entblößt. Aber durch den dichten Bartwuchs sah man, bis auf die kleinen Schweinsäuglein und die breite Knollnase, kaum etwas von seinem Gesicht. Die löchrige Stoffhose war vollkommen verdreckt. Schuhe besaß er keine, dafür aber eine Fußschelle, an der früher wahrscheinlich eine Eisenkugel befestigt gewesen war. Nun war die Kette abgerissen. Die Haut des Zwerges war dunkel. Die Elfin wusste aber nicht, ob er mit dieser dunklen Haut auf die Welt gekommen oder ob der Wicht einfach nur verdreckt war. Vielleicht auch beides.
>>Wenn Ihr Gold findet, gehört es mir!<<, grölte Muresch durch die sternenklare Nacht. Bei dem Öffnen seines Mundes sah man breite Zahnlücken in seinem schlechten Gebiss. Hier und da funkelte auch ein kleiner Goldklumpen. Muresch besaß zudem ein gieriges, fast wahnsinniges Funkeln in den Augen.
>>Von jemanden, der mir nur bis zur Hüfte reicht, lass ich mir schon mal gar nichts befehlen.<<
>>Und das hier ist Urkrosh<<, stellte Liam den Letzten vor.
Der Ork klopfte sich hart auf die Brust. >>Freund!<<
>>Sagst du das zu jeder Elfin, bevor du sie frisst?<<, versprühte sie ihr Gift weiter.
Schließlich zeigte Liam auf die Einzelkämpferin. >>Das ist Ginger, sie ist …<<
>>Eine arrogante Ziege …<<, unterbrach der Hexenjäger.
>>mit einem viel zu fetten Hintern …<<, führte der Zwerg weiter.
>>Freund!<<, sagte der Orkschamane erneut, wodurch er sich einige fragende Blicke einhandelte.
>>Also gut<<, Liam klatschte in die Hände. >>Ihr habt euch alle hier versammelt. Die Teleportation hat bei jedem länger oder kürzer gedauert, da ich euch alle hier und jetzt haben wollte. Für manche sind nur wenige Tage vergangen, für andere einige Wochen. Gut, dann wäre das schon mal geklärt.<< Die schockierten Gesichter ignorierte Liam gekonnt und ging zum nächsten Thema über, bei dem er hinter sich zeigte. >>Das hier ist der Tempel des Arkigosh. Dort drinnen befindet sich eine Kammer. Ihr alle werdet mir helfen dorthin zu gelangen. Danach wartet noch eine Reihe weiterer Aufgaben auf euch. Sobald alles erledigt ist, entbinde ich jeden einzelnen von seinem Eid. Nach diesem Abenteuer wird jeder von euch Vieren ein vielbesungener Held sein, über den noch in Hunderten von Jahren erzählt wird.<<
>>Kling spannend<<, sagte der Hexenjäger, während er mit einem Stock im Feuer herumstocherte. Fauchend und wasserspeiend verwünschte ihn das viel zu nasse Holz.
>>Klingt für mich nach einem Trick<<, meinte die Elfin mit verschränkten Armen.
>>Klingt als ob da eine Menge Gold für mich herausspringen würde.<<, Muresch setzte ein schmieriges Lächeln auf und entblößte dabei seine wenigen Zähne.
>>Werden wir auf Widerstand stoßen?<<, fragte der Mensch.
>>Eine ausgezeichnete Frage<<, Liam zeigte mit seinem Stab auf den Hexenjäger. >>Wir müssen auf jeden Fall mit magischen, sowie nicht magischen Abwehrvorrichtungen rechnen. Außerdem haben solche alten Tempel Schutzwächter, die nur von einer kleinen Gruppe erfahrener Kämpfer besiegt werden können.<<
>>Mir egal, solange wir da drinnen genug Reichtümer finden<<, antwortete der Zwerg.
Ginger starrte angewidert zu dem Zwerg und danach zu jedem anderen dieser unfreiwilligen Gemeinschaft. Nach nur ein paar Momenten hatte sie gelernt jeden einzelnen in der Gruppe zu verabscheuen. Der Mensch war ein Mensch und daher schon mal zum Hassen geboren. Vom Gestank nach Bier und Schweiß ganz zu schweigen. Der Zwerg war gierig und die Elfin hätte schwören können, dass er auf ihre Brüste gestarrt hat. Der Ork war einfach nur verblödet. Und Liam hatte die Elfin an diesem von allen Göttern verlassenen Ort verschleppt. Es konnte also gar nicht schlimmer kommen.
>>Ruht euch alle aus. Bei Sonnenaufgang beginnt die größte Aufgabe unseres Zeitalters<<, damit entließ der Hexer die Gruppe in ihre Zelte.

Kaien stand am nächsten Morgen ausgeruht vor dem gigantischen Steintor. Die beindruckenden Flügel waren mit Ranken und Moos überwuchert. Die steinernen Inschriften waren schon fast nicht mehr zu lesen.
Der Hexenjäger atmete einmal tief ein und dann wieder aus. Er war bereit jederzeit um sein Leben zu kämpfen. Liam murmelte Worte der Macht in seinen langen Bart, um das Tor zu öffnen. Unterdessen schaute sich Kaien zu seinen unfreiwilligen Gefährten um. Die Truppe war stark. Aber noch zu unerfahren. Keiner kannte den anderen, was bedeutete, dass keine Vertrauensbasis existierte. Nur die Göttin mochte voraussehen, wie die Gruppe sich innerhalb einer Kampfsituation ihrer Haut zu erwehren vermochte. Jeder von ihnen war so … anders. Nirgendwo passte zwei so recht zusammen.
Da war erst einmal diese seltsam aussehende Elfin. Wie kam es, dass sie so bleich war? War sie vielleicht das Produkt einer Inzestfamilie? Eine Abnormalität ihres Volkes? Aber ihr Aussehen stand nicht zur Debatte. Sie war ein Großmaul und schien den Menschen nicht gerade wohlgesonnen zu sein. Wusste sie aber wie man kämpfte? Sie hatte schlimme Verletzungen gehabt, aber Liam hatte sie wieder zusammengeflickt. Aber konnte man der Magie überhaupt soweit trauen? Würden die Wunden vielleicht plötzlich während des Kampfes wieder aufplatzen? Außerdem war der Hexer sämtlichen Fragen nach dem Ursprung von Gingers Verletzungen ausgewichen.
Dann war da dieser Schamane. Der Hexenjäger war schon einigen Orks auf seinen Reisen begegnet. Jede dieser Begegnungen hatte in einem harten Kampf geendet. Dieses Exemplar der mächtigen Kriegerrasse war noch sehr Jung und auch sehr schmächtig, sogar für einen Hexer. Konnte man ihm trauen? Würde er vielleicht einfach losbrüllen und Freund wie Feind in seiner Raserei erschlagen? Würde er zeigen, wie schlecht und verdorben die Magie doch war?
Der Zwerg Muresch schien keinen Hehl aus seiner Gier nach Gold machen. Der Tempel war sicherlich vor Grabräubern wie ihn geschützt. Aus reiner Abenteuerlust hatte Kaien einige verlassene Tempel erkundet. Oftmals gab es dort gewaltige Berge aus Gold und Diamanten. Dass sich dort die Skelete der gierigen Blender stapelten, merkten die Grabräuber oftmals zu spät. Würde Muresch sich zu ihnen gesellen und damit die gesamte Unternehmung gefährden? Außerdem gefiel Kaien das wahnsinnige Funkeln in seinen Augen nicht, welches er nur zu oft in dunklen Gassen gesehen hatte und es zu Recht fürchtete. Wie weit würde der Zwerg gehen, um seine Reichtümer zu erlangen? War er vielleicht sogar mehr ein Klotz am Bein, als eine Hilfe?
Je mehr Kaien über die Situation nachdachte, desto mehr machte sich ein mulmiges Gefühl in seinem Bauch breit.
Und dann war da noch diese Kammer, in die Liam wollte. Was war in ihr? Warum war Liam so an ihr interessiert? Es würde sich sicherlich noch herausstellen.
Bebend und einem Ungeheuer gleich grollend öffnete sich das Tor. Einige Ranken barsten unter dem Druck der sich öffnenden Flügel. Staub wirbelte auf. Bröckelnd fielen Gesteinsstücke zu Boden. Staub schlug ihnen entgegen. Obwohl Kaien den Arm schützend vor Mund und Nase hielt, bekam er den trockenen Geruch von Schmutz und den widerwärtigen Geschmack von Dreck auf der Zunge. Im Inneren war nichts als Schwärze. Nur einzelne Strahlen durchbrachen die undurchdringliche Dunkelheit mit ihrem kleinen Licht. Die Elfin kniff die Augen zusammen und beugte sich nach vorne, um etwas sehen zu können. >>Da drinnen ist es ja stockduster. Was ist wenn dort Fallen auf uns warten? Ich schlage vor, der Mensch, als die Herrenrasse, schreitet voraus.<<
>>Ihr wisst schon, dass gewöhnlicherweise, die Sklaven zuerst voranschreiten, um scheinbar gefährliche Mausoleen nach Fallen zu durchsuchen, damit die sogenannte Herrenrasse nicht ausversehen getötet wird.<<, erwiderte der Hexenjäger schnippisch.
>>Willst du damit sagen, dass ich deine Sklavin bin?!<<, die Elfin gestikulierte brüllend mit ihren Armen.
>>Das habe ich nicht …<<, versuchte der Hexenjäger sich zu erklären.
>>Schluss damit!<<, mischte Liam sich unwirsch ein. >>Hier muss niemand im Dunkeln tappen. Seht<<, er entfachte in seiner Hand eine kleine Lichtkugel. Der Hexer schien etwas am Eingang zu suchen, bis Kaien etwas im Dunkeln glitzern sah. >>Ah … Hier ist es ja.<< Der Hexer stand vor einem Spiegel.
Bei dem Anblick weiteten sich sofort die Augen des Zwerges. >>Gold<<, raunte er. Und tatsächlich bestand der Spiegel aus dem für ihn begehrtesten Metall. Da sah Kaien es wieder. Dieses gierige Funkeln in seinen Augen.
>>Ja, Muresch. Gold. Aber wir brauchen den Spiegel für etwas anderes.<< Der Hexer drehte den Spiegel etwas, bis er das Licht in eine bestimmte Richtung reflektierte. Der Lichtstrahl prallte an der glatten Oberfläche ab und traf auf einen anderen Spiegel, der dann wieder an einen anderen Spiegel abprallte. Das Licht wurde so immer weiter getragen und erhellte die gesamte Ruine.
>>Seht Ihr, es muss niemand im Dunkeln herumirren<<, Liam lächelte angespannt. Irgendetwas schien ihn nervös zu machen.
Der Tempel sah von innen genauso aus wie von außen. Er war alt, verfallen und schien jeden Moment in sich zusammen zu fallen. Kaien schaute von den dicken tragenden Säulen zu den Wänden, an denen überall verblichene und überwucherte Wandgemälde zu sehen waren. Aber man konnte auf ihnen nichts Genaues erkennen.
Auch die Bauweise des Gebäudes war seltsam. Es passte zu keiner bekannten Rasse. Die alten Elfen hätten die schneeweiße Borke, ein Baum der hart wie Stein sein konnte, benutzt statt dieses bräunlichen Gesteins. Den Zwergen hätte Kaien die Wandbilder durchaus zugetraut, doch dafür waren die Säulen einfach zu schmucklos. Sie waren zu glatt und zu schmucklos. Ohne jegliche Schnörkel und Verzierungen. Und für die Menschen war dieses Gebäude einfach zu alt. Dieser Tempel musste schon lange erbaut worden sein, bevor die Menschen vor den Drachen aus dem hohen Norden geflohen waren.
>>Und hier soll es Wächter geben?<<, die Elfin trat gegen eines der vielen herumliegenden Gerippe mit zerrissener Rüstung und rostigen Waffen, welches auf der Stelle zu Staub zerfiel. Scheppernd fiel das Kettenhemd mit rostzerfressenen Helm zu Boden.
>>Seid vorsichtig, was Ihr hier macht, dieser Tempel ist unglaublich gefährlich.<<
Kaien sah gedankenversunkend auf die Überreste. Skelete. Es waren also noch andere hier. Ich sehe Knochen von Menschen, Zwergen, Barbaren, Orks und vieles andere. Die Waffen und Rüstungen stammen aus den verschiedensten Epochen. Höchst eigenartig. Was wollten sie alle hier?
Unterdessen näherte Muresch sich langsam dem goldenen Spiegel am Eingang. Seinen Bewegungen sah man die unendliche Gier an. >>Was soll uns hier schon gefährliches geschehen? Dieser Tempel ist doch nichts weiter, als eine verlassene Ruine<<, dabei löste der Zwerg eine Druckplatte aus, worauf aus einigen Löchern in den Wänden Flammen herauskamen. Glücklicherweise war die Falle nicht für Zwerge ausgelegt, da nur Mureschs Helm angefackelt wurde. Hastig trat der Zwerg einen Schritt zurück. Sein Helm glühte von der Hitze rötlich.
Kaien sah damit seine Ansicht als bestätigt an. Zwerge konnten diesen Tempel nicht erbaut haben. Der Höhe der Falle nach, mussten die Erbauer ungefähr so groß gewesen sein wie ein Mensch. Aber das war unmöglich. Zu dieser Zeit gab es hier keine Menschen. Und jetzt schien es hier auch nicht gerade von ihnen zu wimmeln.
>>Hui<<, schnaubte der Zwerg. >>Das war knapp.<<
>>Passt einfach besser auf<<, ermahnte der Hexer die Gefährten.
>>Zu schade, dass es dich nicht erwischt hat, Zwerg. Denn dann hätte ich das ganze Gold für mich alleine einheimsen können<<, meinte Ginger frech grinsend.
>>Nur über meine Leiche<<, knurrte der Zwerg und zog seine Waffe.
>>Da ließe sich was arrangieren<<, nun zog auch die Elfin ihre Waffe.
>>Aufhören!<<, schrie Kaien. Sein Gebrüll prallte an den Wänden ab und wurde als Echo zurückgeworfen. >>Reißt euch gefälligst zusammen!<<
Ein Donnern ließ die Erde erbeben. Ein schnaufender Troll rannte um die Ecke, nur um dann brüllend auf sie zu zu rennen und anschließend verwirrt dreinschauend stehen zu bleiben. Die gräuliche Haut des plumpen Geschöpfes war mit Moos, Pilzen und Schmutz bedeckt. Einzelne Käfer krabbelten über seinen dicken Leib. Die einst prächtigen Hauer waren inzwischen schwarz und zerfressen. Seine Augen waren fest zusammengekniffen. In der fleischigen Pranke hielt das Geschöpf einen alten Baumstamm.
>>Hättest du nicht noch etwas lauter Brüllen können, Mensch?<<
Kann diese Elfin denn nie ihr Maul halten?!, fluchte der Hexenjäger in Gedanken, versuchte sich dann jedoch zu beruhigen. Wenn er unruhig war, konnte er nicht nachdenken. Warum kneift dieser Troll seine Augen so zusammen? Wahrscheinlich haben sie sich zu sehr an die Dunkelheit gewöhnt. Es ist zu hell für ihn. Was bedeutet, dass er sich auf seine anderen Sinne verlassen muss.
>>Das ist es! Ginger! Schleicht Euch so leise wie möglich in den Rücken des Trolls und versucht ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Muresch, Ihr lenkt ihn unterdessen ab. Attackiert seine Beine oder sowas. Liam, Urbosh<<
>>Urkrosh<<, brüllte der Ork ungehalten.
>>Urkrosh<<, korrigierte der leicht verängstigte Hexenjäger mit leicht verbeugter Haltung, >>Ihr unterstützt uns mit euren Zaubern.<<
>>Schon klar. Alle müssen arbeiten, nur unsere Herrenrasse nicht<<, ungehalten verschränkte die Elfin ihre Arme und neigte empört ihren Kopf zur Seite.
>>Ich warte auf eine passenden Gelegenheit, um dem Troll den Gnadenstoß zu versetzen, außerdem ziehe ich die Verletzten vom Schlachtfeld, damit sie medizinisch versorgt werden können.<<
Während die Gefährten ihre Taktik besprachen, schaute der sabbernde Troll verwirrt von einem zum anderen. Unschlüssig wen er nun zuerst in Stücke reißen sollte, zuckte sein Zeigefinger von der Elfin zum Zwerg, von da zum Menschen und so weiter. Aber Muresch nahm dem beschränkten Geschöpf diese Entscheidung ab. Brüllend rannte der Zwerg mit seinem Breitschwert los und attackierte die Beine des Ungetüms. Als der Troll abgelenkt schien, schlich sich die flinke Elfin schnell in den Rücken ihres Gegners. Zuerst schien alles nach Plan zu laufen, bis Muresch vom Troll gegen eine der Säulen getreten wurde. Dabei geriet sie gefährlich ins Ruckeln und stürzte anschließend auf den Troll hinab. Mit weitaufgerissenem Mund sah er das Unheil kommen, ohne zu begreifen, was er dagegen hätte tun können. Ganz anders die Elfin, die versuchte schnell aus der Reichweite des herabfallenden Gesteins zu fliehen, wobei sie leider ein durch die Luft segelndes Stück Decke außeracht ließ. Sie wäre dem Troll gleich davon erschlagen worden, wenn nicht eine plötzliche Schockwelle den herabfallenden Brocken von ihr geschleudert hätte. Kaien sah sich um, wer der Verursacher war. Liam stand breitbeinig mit ausgestreckter, zittriger Hand hinter ihm.
>>Alles in Ordnung mit Euch?<<, rief der Hexer zur Elfin.
Ginger nickte bloß. Der Schock schien ihr wohl zum ersten Mal im Leben die Sprache verschlagen zu haben.
Der immer noch perplexe Troll wurde brüllend unter all dem Schutt und Staub begraben.
>>Puh!<< Liam rieb sich den Schweiß von der Stirn.
Kaien kniff die Augen zusammen. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber er konnte einfach nicht mit den Finger darauf zeigen.
Liam schien nichts von seinem Argwohn zu merken. >>Das hätten wir geschafft. Geht es euch allen gut?<<
>>Ihm nichts gut gehen<<, brüllte der Schamane, welcher sich über den bewusstlosen Muresch beugte. Ein Blutrinnsal lief seine Schläfe hinab.
>>Das haben wir auch gleich<<, meinte der Hexer bloß. Mit grünleuchtenden Händen fuhr er einmal über Mureschs Kopf.
Der Zwerg riss die Augen auf und japste nach Luft. Verwirrt schaute er sich zu allen Seiten um. >>Was ist? Wo? Wo bin ich?<< Dann erkannte er die Personen um sich herum wieder. >>Bäh! Hättet ihr nicht einfach willige Zwerginnen sein können? Eure Visagen sind ja widerwärtig!<<
>>Soll das bedeuten, dass du mich nicht mehr attraktiv findest? Und das nach all den Jahren, die ich dir geopfert habe<<, schmollte Ginger gespielt.

Einige hundert kleinere Fallen später und einige hundert Meter weiter trafen sie auch schon auf das nächste größere Hindernis. Ein Gang aus dessen Wänden und Böden Speere flink herausfuhren machte ein weiteres Vorankommen unmöglich.
Kaien sah sich den Rhythmus der Speere genau an. >>Was jetzt?<<, fragte er. >>Die Speere tauchen fast willkürlich auf. Es gibt keine Lücken. Wie sollen wir da durchkommen.<<
Urkrosh knackte mit den Fingerknöcheln. >>Nicht Probleme<<, grunzte er. Mit einigen Handbewegungen beschwor der Schamane gewaltige Wände aus Stein herauf. Wild hämmerten die Speere mit einem dumpfen Donnern auf das Gestein ein. >>Beeilt. Haben nicht Zeit<< Hastig rannte er weiter. Die anderen folgten ihm dichtauf.
>>Gut, dass Ihr Euch uns angeschlossen habt<<, hechelte Liam lächelnd.
>>Gern Geschirr, Freund.<<
>>Gern Geschehen. Geschirr ist etwas anders<<, korrigierte Kaien keuchend, während er den Todesgang entlang jagte. Wie der Schamane gesagt hatte, war die Zeit nur knapp bemessen gewesen. Kurz bevor die Wände brachen, schafften es alle heil heraus. Die Speere durchbrachen den Stein und machten weiter als wäre nichts geschehen.
>>Gerade noch rechtzeitig, denn sonst …<<, Kaien ließ den Satz unvollendet.
>>Äh, Kameraden.<< Muresch zeigte schnaubend und ächzend auf den nächsten Gang, der noch unmöglicher zu sein schien, als der vorherige. Brennende Pfeile schossen aus den Wänden. Zwei mit Nadeln gespickte Baumstämme sausten vorbei und trennten die Pfeilwände in drei Abschnitte auf. Jeder Abschnitt hatte einen anderen Rhythmus.
>>Hm<<, der Hexenjäger rieb sich nachdenklich das unrasierte Kinn. >>Der Schalter zum Abstellen der Fallen scheint am Ende des Ganges zu liegen<<, er zeigte dabei auf einen Holzhebel, der sich vor einem großen steinernen Tor befand.
>>Das schaffe ich schon.<< Ohne weitere Vorwarnungen sprang die Elfin nach vorne.
Geschickt rollte sie sich ab, nutzte die Pausen zwischen den Pfeilen, sprang über den ersten Baumstamm, wonach sie unter den zweiten Baumstamm durchsprang. Im Sprung zog sie ihren schwarzen Dolch, mit dem sie dann die brennenden Pfeile in der Luft abwehrte, als sie kniend auf den Boden landete. Ruhig und konzentriert erhob sie sich und setzte einen Fuß vor dem anderen.
Obwohl sie sich konzentrieren muss, kann sie die Pfeile mit dem Dolch abwehren. Ist das Magie? Oder durch Magie verursacht? Sowas habe ich ja noch nie gesehen. Wer ist dieses Mädchen? Die Fragen des Hexenjägers wollten gar nicht enden.
Am Ende des Ganges angekommen, zog die Elfin an dem hölzernen Mechanismus. Ächzend zog sie kräftig am Hebel und brach ihn mit einem Ruck ab. Unsanft landete Ginger auf ihren Hintern, stand jedoch sofort wieder auf. >>Aua!<< Schmerzend rieb sie sich das schmerzende Gesäß, während sie stöhnend den abgebrochenen Hebel hinter sich wegwarf.
>>Das war gut<<, Muresch zeigte lachend mit seinen schwieligen Fingern auf sie, doch die Elfin starrte ihn wütend an.
Der Hebel war ab der Mitte durchgebrochen. >>Schaffst du das?<<, fragte Kaien.
>>Ob ich das schaffe?<< Erneut zog sie ächzend an dem Hebel. >>Als ob ich mir von einem verdammten Menschen helfen lassen würde.<< Diesmal gab der Hebel nach, ohne zu brechen und schaltete die Fallen aus.
>>Lasst uns nun weiter zur Kammer voranschreiten<<, verkündete Liam

>>Da wären wir auch schon.<< Die Gruppe stand vor einer gewaltigen Tür aus Stein mit großen Türklopfern.
>>Furcht!<<, heulte der Ork.
>>Ja, ich spüre es auch<<, sagte der Hexenjäger. Seine Stimme war ruhig, doch er kniff die Augen zusammen. Hinter der Tür lauerte eine große Gefahr. Sie war magisch. Mehr ließ sich aber aus den Schwingungen nicht herauslesen.
>>Was denn?<<, fragte der Zwerg. >>Ist da Gold?<< In seinen Augen lag das Glitzern der Gier.
>>Nein<<, antwortete Kaien düster.
>>Rubine?<< Der Zwerg war nicht bereit aufzugeben.
>>Weder noch.<<
>>Lasst es gut sein. Ihr alle. Stellt bitte keine Fragen. Später werde ich euch allen erzählen, was sich hinter diesem Tor befindet, doch nun müsst ihr mich entschuldigen. Ich habe in der Kammer etwas zu erledigen.<<
>>Ich wette, er muss mal für kleine Hexer<<, meinte die Elfin und setzte sich mit einem Gesteinsbrocken.
>>Mir gefällt das nicht<<, sagte der Zwerg mit dunkler Stimme.
>>Du meinst, weil es hier keine Reichtümer gibt<<, meinte der Hexenjäger.
>>Nicht nur das, mein langer, dürrer Freund. Es gibt hier auch nichts zum Erschlagen.<<
>>Sind eigentlich alle Zwerge so?<<, fragte die Elfin.
>>Wie bin ich denn so?<< Das Lächeln hätte kein geistig normales Wesen zustande gebracht.
>>So …<<
>>Da!<<, der Schamane zeigte hinter ihnen. Die Skelete des gesamten Tempels torkelten mit ihren zerfressenen Waffen und rostigen Rüstungsteilen auf sie zu.
Sofort zog Muresch sein Breitschwert und sprintete brüllend auf die Gegner zu. Dicht hinter ihm folgte die Elfin.
>>Verdammt!<< Der Hexenjäger hatte keine Chance eine passende Strategie für die Gruppe zurechtzulegen.
Der Orkschamane klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. >>Siehe.<< Mit seiner grünen Hand zeigte er auf die beiden.
Jetzt erkannte Kaien, dass die beiden keine Strategie brauchten. Der Zwerg kämpfte in einem unbändigen Rausch gegen seine Feinde. Schaum trat aus seinem Mund. Mit wütendem Gebrüll hackte er mit seinem Schwert wie ein Wahnsinniger auf einen der Untoten ein. Die Elfin unterdessen schlug lachend einen Kopf nach dem anderen ab. Sie hatte sehr schnell herausgefunden, wo die Schwachstelle ihrer Gegner lag. Aber war ihr Haar nicht vor wenigen Augenblicken noch Schwarz gewesen?
Seufzend setzte sich Kaien hin. >>Diese Chaoten brauchen keine Strategie.<<
>>Ist manches Mal guter<<, der Schamane setzte sich neben ihn. Beide schauten zu, wie der Zwerg und die Elfin die Untoten zurückschlugen.
>>Sollten wir ihnen nicht helfen?<<, fragte Kaien.
Mit schüttelnden Kopf meinte Urkrosh: >>Zwerg sich befinden in Turoksh.<<
>>Turoksh?<<, fragte der Hexenjäger.
>>Schaum<<, er zeigte auf den Mund.
>>Ach Ihr meint seinen Kampfrausch. Ja, er ist wirklich ein Berserker.<<
>>Können gefährlich sei Krieger in Turoksh zu stören. Fraue seien anderer<<, er zeigte auf Ginger.
>>Ja, die Elfin ist ganz anders. Sie kämpft mit ihrem Verstand und ihrer Geschicklichkeit. Zusammen sind die Beiden nicht aufzuhalten.<<
Der Kampf endete schneller als Kaien erwartet hatte. Mit grimmiger Miene stieß Muresch seine Klinge in den Schädel des letzten Untoten und brüllte, dass der Putz von der Decke rieselte. Sein Brüllen ging dann in ein Siegesgeheul und anschließend in ein schallendes Gelächter über.
>>Dreiundfünfzig<<, verkündete er mit vor stolz geschwellter Brust.
>>Was? Nur dreiundfünfzig? Ich habe zweiundsechzig<<, erzählte die Elfin höhnisch auf einen Berg von Knochen sitzend.
>>Was?! Unmöglich! Ein Spitzohr kann keinen Zwerg übertreffen!<<
>>Ach weißt du<<, begann die Elfin süffisant lächelnd, >>es ist kein Wunder, wenn jemand länger braucht etwas zu töten, wenn er seinem Gegner nur bis zur Hüfte reicht.<<
Der Kopf des Zwerges lief knallrot an. >>Das reicht! Ich fordere Euch zu einem …<<
>>Genug jetzt! Das Reicht! Endgültig!<< Es war Liam.
Seine Stimme hallte von den Wänden wieder und ließ Kaien verschreckt zusammenzucken. Er hatte weder den Hexer noch die schwere steinerne Tür gehört. Sie hatte sich weder geöffnet noch geschlossen. Aber die Vibrationen von Liams Magie die er jetzt ausstrahlte waren gewaltig. Er hatte sich verändert, seitdem er in der Kammer gegangen war. Doch war diese Veränderung gut? Eigentlich kannte er Liam nicht. Was war mit den anderen? Kannten sie ihn?
>>Wir sind hier fertig<<, verkündete der Hexer.

Liam teleportierte die Gruppe aus dem Tempel und ging mit ihnen in eine Schänke, um auf ihren Sieg anzustoßen. Die Schenke war auf einen vielbefahrenen Handelsweg. Drinnen war eine heitere Stimmung, auch wenn einige zwielichtige Gestalten darunter waren. Aber alle starrten auf die Gruppe, als sie das Gasthaus betraten. Schnell bestellte Liam für jeden etwas zu trinken. Spätestens nach der dritten Runde war jeglicher Streit vergessen. Alle lachten und tranken, nur der Schamane bestand auf Wasser, aber auch er konnte sich nicht ganz der trunkenen Heiterkeit seiner Kameraden entziehen.
>>Habt ihr gesehen, wie ich eines dieser Skelete mit meinem Schwert zu Staub zerhackt habe!<<, der Zwerg lachte dreckig.
>>Ich weiß nur noch, wie du gegen eine Steinsäule geflogen bist<<, erwiderte die Elfin. Jetzt war es an den anderen zu lachen.
Plötzlich schaute Kaien nachdenklich in seinem halbleeren Krug. >>Liam. Ist es jetzt nicht an der Zeit uns einzuweihen, was wir heute getan haben?<< Der Hexenjäger nahm daraufhin einen kräftigen Schluck von dem schäumenden Gebräu.
Vor Schreck verschluckte sich der Hexer, worauf er einen Hustenanfall bekam.
>>Es geht schon<<, sagte er, als Urkrosh ihn einen kräftigen Schulterklopfer geben wollte. >>Ja …<<, er hustete noch etwas, >>Ihr habt recht, Kaien. Es wird Zeit. Also zuerst einmal, müsst ihr wissen, dass wir als nächstes zu den wilden Elfen gehen werden, die im Viprogt Wald hausen. Dann wird euch allen einiges klar werden.<<
>>Kommt schon<<, unterbrach Kaien die ausweichende Antwort. >>Wollt Ihr uns nicht endlich erzählen, was wir tun sollen?! Was ist die-größte-Aufgabe-unseres-Zeitalters und so weiter? Hm? Sagt es uns!<< Jetzt schienen auch die anderen Neugierig geworden zu sein. Sie alle starrten gespannt zu dem alten Mann.
Der Zauberer ließ ergebend die Schultern sinken. >>Also gut. Eure, ich meine natürlich, unsere Aufgabe wird sein … wird sein …<<, den Satz hat er nie vollendet. Liam verdrehte die Augen und kippte wie ein Stein nach hinten weg. Sofort waren alle über ihn gebeugt.
>>Liam?<<, Muresch schlug ihn hart mit seiner fleischigen Faust. >>Liam!<< Blut sickerte langsam aus den Mundwinkel des Hexers, nachdem der Zwerg ihn eine zweite Ohrfeige verpasst hatte.
Kaien packte Mureschs baumstammdicken Oberarm, als er zum dritten Mal zuschlagen wollte. Mit schüttelnden Kopf sagte er: >>Es ist gut, Muresch. Er hat es hinter sich.<<
>>Und was machen wir jetzt?<<, fragte Ginger.


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