Familienzwistigkeiten in der Unterwelt

© EINsamer wANDERER

Lokis Lungen füllten sich mit dem eiskalten Wasser des Flusses. Sein Plan war, bis auf den Schluss, perfekt gewesen. Er ritt Thor in den Schlamassel und haute ihn wenn es schwierig wurde wieder raus. Und wenn sie schließlich den Hammer hatten, würde er Thor irgendwo sterbend zurücklassen und lachend davon gehen, Mjölnir immer wieder mit einer Hand in die Luftwerfend und -wiederauffangend. Natürlich hatte Loki Thor vorher noch ein paar Mal gerettet, damit er auch vollstes Vertrauen in den Gott des Feuers hatte. Allein dieses von ihm erdachte Szenario hielt ihn noch bei diesen Klumpen primitivem Fleisch. Allerdings musste er sich jetzt erst einmal mit der Wirklichkeit abgeben, in der leider nicht alles so eingetroffen war, wie geplant. Sie waren in diesen dämlichen Fluss gefallen, der sie direkt nach Hel brachte. Einem Ort, von dem noch niemand, weder Gott, noch Mensch, je zurückgekehrt war. So sagte man zumindest. Schreiend wurden die beiden aus der Spalte gespien und landeten wieder im Fluss. Prustend und Wasserspuckend durchbrachen die Götter die Wasseroberfläche. Mit letzter Kraft konnten sie sich an einigen Zweigen festhalten. Wieder aus dem Fluss zu kommen, war da schwieriger. Es bedurfte schon die Kraft eines Thors, damit Loki wieder aus dem Nass kam. So standen beide durchnässt in der Kälte der Unterwelt. Sie war eine graue Ödnis, wo abgesehen von ein paar verkrüppelten Bäumen und Büschen nichts war. „Sind wir in der Unterwelt?“, fragte Thor. „J-ja. W-w-wieso?“, bibberte Loki. „Hab ich mir ganz anders vorgestellt“, meinte der Donnergott. Loki konzentrierte sich auf das Feuer in seinem inneren. Schon bald fing seine Kleidung zu dampfen an. Es hatte Vorteile der Feuergott zu sein. „Ach das“, Lokis Atem bildete kleine Wölkchen. „Ich hab Hel vor einiger Zeit beim Umdekorieren geholfen. Ich sagte ihr: Hel, sagte ich, dieses ganze Eiszeugs ist doch heute nicht mehr aktuell. Wie wär es mit einer grau, düsteren Ödnis, darauf stehen die Menschen heute vielmehr. Ich meine, wenn die Leute noch am Leben sind, verbringen sie ihr Dasein schon in Eis und Schnee, brauchen sie sowas auch noch im Tode? Tja. Und darauf haben wir diese Ödnis hier geschaffen. Das war vielleicht ´ne Arbeit. Wie du siehst haben wir mehr, als nur ein paar Möbel verrückt.“ Thor schnaubte verächtlich. Sein Odem bildete weiße Wölkchen, was an einem dampfenden Teekessel erinnerte. „Aber es ist nicht gerade wärmer geworden“, meinte er verdrießlich. „Ja, aus irgendeinem unempfindlichen Grund, wollte sie es unbedingt kalt haben. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Hat sie bestimmt von ihrer Mutter geerbt. He?!“, Loki stupste Thor gespielt kameradschaftlich mit dem Ellenbogen an. Ich muss mit ihm nur noch einige Zeit auskommen und dann auf nimmer wiedersehen, du Vielfraß, dachte er. „Wir sollten machen, dass wir weiterkommen. Wir vergeuden nur wertvolle Zeit. Wo ist der Ausgang?“, fragte der Donnergott und stapfte dann los. Loki stellte sich ihm mit weitausgebreiteten Armen in den Weg. „Hey, hey, hey. Nicht so stürmisch. Wir müssen Hel darum bitten, dass sie uns hier raus lässt, ansonsten sitzen wir hier fest.“ „Also gehen wir zu ihr“, Thor stapfte an den Feuergott vorbei. Loki stellte sich ihm wieder lächelnd in den Weg. „Was soll das jetzt schon wieder?“, Thor hob musternd eine seiner dichten Augenbrauen. „Wieso sollten wir nicht zu Hel gehen?“ Wieso eigentlich nicht? Aber da war noch eine alte Geschichte, weswegen Loki sich von ihr fernhielt. Er wusste aber schon lange nicht mehr, worum es bei der Sache gegangen war. Es war irgendetwas Wichtiges gewesen. Auch egal. Loki musste sich schnell was einfallen lassen, sonst würde dieser Idiot noch etwas Unvorhergesehenes anrichten. Ein Gasthaus fiel ihm ins Auge, welches Scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war. „Thor sieh! Dort hinter dir!“ Der Donnergott starrte ihn lustlos an. „Das ist der älteste Trick der Welt. Der Streich funktioniert nicht“, meinte er bloß. „Nein, wirklich. Da hinter dir! Sieh es dir doch nur mal an!“, dabei sprang der Jüngling aufgeregt auf und ab. Sein Finger zeigte genau auf das Gasthaus hinter dem Donnergott. Schließlich wurde es Loki zu blöd, also drehte er den Barbaren einfach um. „Siehst du! Ich wette, du hast schon einen ziemlich großen Hunger. Ich meine, nach dem Abendteuer mit dem Drachen, könnten wir eine kleine Zwischenmahlzeit einschieben, findest du nicht?“ Grummelnd ging Thor auf das Gasthaus zu. Als er mit dem Rücken zum Feuergott stand, rieb sich dieser verschlagen mit einem dreckigen Grinsen die Hände.

In der Gasstätte war es nicht gerade schön. Ein paar Untote versuchten sich als Bedienstete. Sie schlürften umher und gaben einigen Leuten Getränke. Unter den Gästen waren auch einige Prominente dabei. Da war zum Beispiel Regin, der angeblich von Sigurd getötet worden war. In Wahrheit hatte sich der Idiot aber einen Helm mit ziemlich kleinem Visier für den Kampf ausgesucht. Dann war er schreiend mit geschlossenem Visier auf Sigurd zugerannt, welcher ihm Auswich und ihn geradewegs gegen eine massive Felswand rennen ließ, wo er sich den Schädel einschlug. Dumm gelaufen. Seltsamerweise war das aber ganz anders in die Geschichtsbücher eingegangen. Wahrscheinlich wegen dem Spannungsbogen oder ähnlichem. Aber der Helm war auch zu schön gewesen. Irgendwann später war er in Lokis Besitz gekommen, wo er ihn eingetauscht hatte gegen Frauen mit besonderen … Dienstleistungen. Er hatte nie was davon gehalten, in Asgard zu leben. Lieber streifte er durch die Länder, suchte Schätze, tötete Drachen und ähnliches, rettete Jungfrauen, machte aus ihnen nicht-mehr-Jungfrauen, bestielte irgendwelche Leute die er nicht kannte, Leute die er kannte und vieles mehr. Er war kein Krieger, er sah sich mehr als eine Art Abenteurer. Aber jetzt saß er hier in der Unterwelt fest und als hätte das nicht genügt, musste er die Ewigkeit auch noch mit Thor verbringen. Doch was sollte er jetzt tun? Er brauchte Zeit, um nachzudenken. Und bei einem Mahl mit dem gefräßigsten aller Asen von Asgard hatte er mehr als genügend Zeit. „Einmal Met, bitte“, sagte Thor mit erhobenen Finger. Stöhnend brachte die Kellnerin einen vollen Krug mit Met. Thor guckte hinein. Angewidert fischte er aus dem Met ein Auge heraus und hielt es angewidert der Kellnerin hin. Die schielte mit ihrem verbliebenen Auge darauf und lächelte dämlich. „Entschuldigung, warum ist ein Auge in meinem Met?“ „Ich glaube die korrekte Frage lautet, wie kommt Met in das Auge?“, versuchte Loki einen Scherz, der ihm nicht recht gelang. Zornig funkelt Thor ihn an. „Hör auf mit deinen Witzen! Du hast uns schließlich in diesen Schlamassel gebracht. Ohne dich wären wir nicht hier!“ „Ach ja?!“, fuhr Loki den Donnergott an. „Wer ist denn in den Fluss gefallen und hat mich am Bein gepackt, damit ich ebenso hier festsitze?“ „Das hab ich überhaupt nicht getan!“ Das stimmte, aber Loki brauchte gerade eine Ausrede. Und wäre Thor nicht so dämlich gewesen und hätte sich seinen Hammer von Loki abluchsen lassen, hätte der wiederrum diese fette Lüge nicht auftischen müssen. „Stimmt doch!“, schrie Loki ihn an. Wütend standen die beiden auf und gingen sich gegenseitig an die Gurgel. Loki zog Thor am Bart und biss ihm in die fleischige Hand, während Thor den Jüngling an der Kehle packte und ihm die andere Faust in den Magen rammen wollte. Plötzlich wurde die Tür der Gaststätte von einem eisigen Luftstoß aufgerissen. Herein kam eine wutentbrannte Frau. Sie war wunderschön. Schwarz wallendes Haar. Die Beine der Schönheit schienen auch kein Ende zu nehmen. Zornig blitzten ihre Augen auf, als sie die beiden Streithähne sah. Sie trug einen schwarzen Mantel, welcher unheildrohend wallte. Ihre rechte Hand bestand nur noch aus Knochen, mit welcher sie auf die beiden zeigte. „Du!“, zischte sie wütend. Die beiden Streithähne erstarrten in ihrer Bewegung. „Du! Jetzt bezahlst du für deine Taten!“ „Was meint sie?“, fragte Thor. Loki war rasch hinter Thor verschwunden. „Keine Ahnung“, sagte er hecktisch. „Aber du bist von uns beiden der Stärkere. Also los Thor! Fass!“, grob schupste er den Gott in Richtung der Frau. Der schaute sie nur verdutzt und leicht ängstlich an. Aber sie ließ ihn links liegen und ging auf den Feuergott zu, der nach hinten stolperte und immer weiter vor ihr zurückwich. „Hel. Liebling. Schätzchen. Es ist nicht das, wonach es aussieht“, versuchte er sich in Ausflüchte zu retten. Ihm war wieder eingefallen, weswegen er seine Tochter mied. „Du hast mir meinen Freund ausgespannt!“, kreischte sie. Thor schaute verdutzt auf Loki. „Ähm, das war ich nicht. Das war deine Tante Laki. Ich hatte mit der Sache überhaupt nichts zu tun.“, er wedelte dabei abwehrend mit den Händen. „Vater, jeder Narr wusste, dass du das warst.“ Nicht jeder, dachte Loki, der Trottel hat mich weder erkannt, noch ist ihm die namentliche Ähnlichkeit aufgefallen. Er verehrte den Boden auf den ich lief sogar noch, als meine Tarnung aufgeflogen war. Ein hoffnungsloser Fall, dem ich nie im Leben meine Tochter gegeben hätte. „Ähm. Ich wollte nur das Beste für dich. Der Typ hatte dich gar nicht verdient. Und außerdem er, … er … er hatte eine Affäre mit Zwillingen. Ich habe ihn zusammen mit hübschen Zwillingen gesehen. In … in irgendeiner Taverne.“ „Und das soll ich dir glauben?!“ Nein, dachte Loki, das würde ich mir nicht einmal selber abkaufen. Also blieb den beiden Göttern nichts anderes übrig, als sich der Gnade von Hel auszuliefern. Sie wurden in Ketten gelegt und von untoten Wikingern begleitet.

Hel und Thor blieben den ganzen Marsch über still. Loki wäre fast wahnsinnig geworden. Egal wie sehr er sich auch bemühte, er konnte seinen Begleitern kein Wort entlocken. Die beiden Wikinger waren sowieso tot. Sie konnten nicht reden. Man sagte nicht umsonst, Tote reden nicht. Dann war da Hel. Sie wollte Loki nur Angst machen. Und Thor. Tja Thor. Loki wusste nicht genau, was in seinem primitiven Verstand vorging. Vielleicht wollte er Loki ebenfalls ängstigen. Vielleicht wollte er aber auch nur, dass Loki seine Ehre wiederherstellte oder sowas ähnlich dämliches. Schließlich erreichten sie eine Felsspalte. Mit einem Nicken gab Hel ihren Dienern zu verstehen, Loki von den Fesseln zu befreien. Unsanft wurde der Jüngling in die Spalte gestoßen. „Gut. Hier mein Vorschlag. Du folgst der Schlucht in Richtung Norden. Dann kommst du zu einer Höhle wieder raus. Und dann gestatte ich dir, dich und deinen Freund hier laufen zu lassen. Du hast drei Tage Zeit.“ Und so verschwand sie. Loki wollte ihr noch eine freche Bemerkung hinterher brüllen, doch sie war schon weg. Thor hatte auch nichts gesagt. Odin wusste, was in ihm vorging. So musste Loki wohl oder übel an diesem Wettrennen teilnehmen. Schließlich wollte er nicht für Ewig hier versauern. Zuerst versuchte Loki die Dunkelheit mit einem kleinen Feuerball in seinen Händen zu erleuchten, doch es war so kalt, dass er sich lieber die Augen einer Katze aneignete und seinen feurigen Atem in die Hände pustete, damit ihm warm wurde. Geschwind versuchte er aus diesem Tunnellabyrinth zu entkommen. Die Zeit arbeitete gegen ihn und dass alles nur weil Thor nicht auf seinen Hammer aufgepasst hatte. Während er durch die Dunkelheit schritt, verwünschte er den Gott. Er war so sehr in seine Flüche vertieft, dass ihm die abgenagten und staubbedeckten Knochen um ihn herum nicht weiter auffielen. Weder ihr brechen, noch ihr knacksen erreichte die Ohren des Feuergottes. Er trat sogar wütend gegen welche, ohne ihre stummen Warnungen zu vernehmen. Schließlich hörte er doch noch etwas. Das schlagen von Trommeln. Sie kamen von irgendwo aus den Tiefen der Tunnel. Loki wurde hellhörig. „Oh-oh. Das kann nichts Gutes bedeuten.“ Viele Gestalten kamen aus den Tunneln. Sie hatten schwarze Haut, ihre Augen waren tellergroß und milchig. Während sie brüllten, kreischten und schreiten zeigten sie dem Gott Mäuler voller nadelspitzer Zähne. Zuerst wollte Loki weglaufen, doch es kamen weitere aus den Nebentunneln, welche er schon passiert hatte. Jetzt gab es nur noch einen Weg. Loki zog seine Armbrüste. Er hasste es zu kämpfen, lieber bestritt er sein Leben mit der Zunge, als mit so etwas wie einem Schwert oder einer Armbrust. Aber die schwarzen Wesen sahen nicht so aus, als ob sie mit sich verhandeln ließen. Loki stellte sich mit dem Rücken zur Wand. Er selbst wusste nur zu gut, wie leicht man von hinten angegriffen werden konnte. Er kreuzte die Arme. Mit geübtem Blick betrachtete er seine Gegner. Suchte nach Schwachstellen in ihrer Panzerung. Die Schlitze zwischen Helm und Brustpanzer sahen vielversprechend aus. Das sie aber die Achseln unverhüllt ließen, war auch nicht gerade uninteressant. Die Wesen rannten auf ihn zu. Loki betätigte den Abzug. Die ersten Bolzen forderten bereits Opfer. Er feuerte auf die Schwachstellen seiner Feinde. Zum Glück hatte er nicht irgendwelche Armbrüste und musste somit nicht nachladen. Das Holz stammte aus magischen Wäldern, welche sogar den Asen unbekannt waren. Dazu waren sie noch vom besten Waldläufer der Welt angefertigt worden. Loki hatte viel Zeit und Ausdauer aufgebracht, um sie anzufertigen. Hatte die Zutaten sorgsam ausgewählt. Und just in diesem Moment schienen all die Mühe und all der Schweiß es wert gewesen zu sein. Die Armbrüste fällten eine Kreatur nach der anderen. Sie konnten sogar mehrere Bolzen auf einmal verschießen. Irgendwann änderte sich die Moral der Wesen. Die Mordgier schlug in Verzagen und Angst um. Ihre Trommeln verstummten, als sie flohen. Loki schoss einigen noch in den Rücken. „Ja, genau Flieht. Fürchtet den Gott des Feuers. Ich werde euch alle töten. Erfindet Geschichten, damit eure Kinder auch ja zu Bett gehen!“, grölte er ihnen übermütig hinterher und lachte dabei. „Das war doch leichter als Gedacht. Ich denke nicht mal Thor hätte das geschafft. Hiermit ernenne ich mich selbst zum Klügsten und Stärksten unter den Asen. Hahaha. Kinderschreck. Loki der Kinderschreck. Gefällt mir.“ Der Jüngling sonnte sich in seinem Erfolg. Doch das Hallen von schweren Schritten ließ die Vermutung aufkeimen, dass die Kreaturen vielleicht nicht vor ihm geflüchtet waren. Es donnerte, als ein schwergepanzerter, zweieinhalb Meter großer Dämon aus einem der Stollen kam. Er besaß eine blass schimmernde Haut. Sein gesamter Körper war mit Narben übersät, von denen viele einen normalen Menschen schon längst das Leben gekostet haben müssten. Zwei abgebrochene Hörner saßen auf seinem Haupte. Von seinem schütteren Haar war nur noch ein Kranz übrig, der dafür sehr lang war und ihm bis zu den Schultern reichte. Er hielt eine Axt in der einen und ein großes Breitschwert in der anderen Hand. Die Klingen waren schartig und zerfressen. Sie hatten ohne Frage viele Kämpfe gesehen. Das Wesen schnüffelte herum und sah dann auf Loki. Wütend brüllte es den Gott des Feuers an. Dabei flogen einige Speichelfäden aus dem Rachen des Untieres. Loki feuerte einige Bolzen in die Brust des Dämons. Unbeeindruckt riss sie das Viech wieder heraus. Es versuchte den Feuergott mit dem Schwert zu erschlagen. Loki weichte dem Schlag gerade noch aus, doch er konnte nicht verhindern, dass die Klinge seine Schulter streifte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaute Loki auf sein eigenes Blut. Angst stieg in ihm auf. Flink wie ein Wiesel, flitzte er durch die Beine des Dämons und rannte durch die Stollen. Er war kein Krieger. Sein Leben war ihm immer am Wichtigsten gewesen. Irgendwann kam ein helles Licht. Mit der Hoffnung, dass es der rettende Ausgang sei, verdoppelte er seine Anstrengungen. Seine Enttäuschung kannte keine Grenzen, als er auf einen riesigen Berg aus Gold und Edelsteinen in einer Höhle traf. Der Schimmer eines kleinen Spaltes brach das Licht mehrmals und erhellte damit den gesamten Raum. In einiger Entfernung hörte Loki das Gestampfe des Dämons. Ängstlich drehte er sich in Richtung Stollen um. Er schien den Feuergott durch seine Witterung aufgespürt zu haben. Loki wollte sich in eine Fliege verwandeln und dann durch das Loch in die Freiheit fliehen. Aber etwas ließ ihn erstarren. Er erblickte einen Kampfstab. Etwas umgab ihn. Es war weder zu sehen, noch zu schmecken oder zu hören. Es war ein Gefühl, welches der Stab irgendwo in den tiefsten Tiefen von Lokis Herzen entfachte. Langsam, wie eine Motte zum Licht, bestieg er den Berg aus Gold und Silber. Er zog den Stab aus all dem wertlosen Tand. Er war aus schwarzem Holz. Am oberen Ende war der Stab geflochten und hatte die Form einer Flamme, während am unteren Ende eine vierzig Zentimeter lange Klinge saß. Als er den Stab in Händen hielt, spürte er eine Welle der Macht, welche von ihm ausging und im Feuergott etwas auslöste, was er nicht kannte. So etwas wie Kampfeswille. Loki schaute sich um. Ihm fiel auf, dass nicht nur Münzen und Steine den Berg ausmachten. Darunter waren auch Waffen und Rüstungen. Schnell schnappte sich Loki zwei nietenbesetzte Panzerhandschuhe, deren Fingerspitzen krallenähnlich waren und zwei Panzerstiefel. Während er sie sich anzog, verwandelte sich seine Gestalt. Aus dem Jüngling wurde ein Mann mit Vollbart. Seine Gestalt war auch nicht mehr so Schlaksig, sondern Sehnig. Und ihm stand die Grimmigkeit, einem gewissen Thor nicht unähnlich, ins Gesicht geschrieben. Er erwartete den Dämon schon längst, als er die Höhle betrat. Als wenn er den Dämon damit verhöhnen wollte, schmierte er sich sein eigenes Blut ins Gesicht. Im geflochtenen Ende des Stabes entzündete sich von selbst eine Flamme. Der Dämon ließ ein paar Laute von sich, welche an das Kichern eines Mädchens erinnerten. Loki ließ die Klinge etwas in den Boden versinken und rannte dann los. Die Klinge zog sich kreischend und funkensprühend durch das Gestein. Als Loki vor dem Dämon stand, ließ er all die Kraft seines Sprints in die Klinge leiten und zog sie Ruckartig hoch. Der Dämon konnte der Klinge gerade noch entkommen. Sie zerschnitt einige seiner Haare, welche dann durch die Luft segelten. Der Dämon setzte zu einem vernichtenden Schlag von oben an. Loki hielt den Stab mit zwei Händen und ging in die Knie, um die Wucht des Schlages abfangen zu können. Die Arme des Feuergotts wurden Taub, als der Schlag seinen Stab traf. Der darauffolgende Druck war, als würde Thor seinen Hammer ein Bisschen kreisen lassen. Loki hatte Angst, dass dem Stab etwas passieren könnte, dass er entzwei brechen könnte. Seine Hände wurden schwitzig. Lange würde er dem Druck nicht mehr standhalten können. Mit gefletschten Zähnen beugte sich Loki etwas nach hinten und schleuderte dann seinen Gegner von sich fort. Schnell zog er eine Armbrust, welche sofort in Flammen aufging und einen Feuerbolzen in den Dämon jagte, welcher auch prompt explodierte. Der Knall wirbelte etlichen Staub auf und ließ das Wesen in einer Wolke verschwinden. Zuerst lächelte Loki freudig, doch sein Sieg währte nur kurz. Aus der Wolke formte sich der Schatten des Dämons. Langsam schritt er aus dem aufgewirbelten Staub. Als er vor Loki stand, lachte er hämisch. Loki stierte ihn grimmig an. Der Dämon sprintete los, dabei zielte er auf Lokis Kopf. Der Feuergott versuchte zu parieren, aber der Schlag war eine Finte und stattdessen rammte der Dämon sein Großschwert in Lokis Bauch. Ächzend und Blutspuckend knickte er ein. Mit einem Ruck zog der Dämon seine Waffe aus den Innereien des Gottes und wandte sich lachend ab. Ins Leere starrend ging Loki in die Knie. Aber nur für einen kurzen Moment fand er sich mit seinem eigenen Tod ab. Ächzend schaffte es der Gott wieder auf die Beine. Mit einer Hand malte er sich ein Zeichen in den Bauch. Zischend versiegelte es seine Wunde. Verwundert drehte der Dämon sich um. Vor Lokis geistigem Auge spielte sich sein ganzes Leben ab, der zu diesem Moment geführt hatte. Seine Geburt. Alle seine Pläne die er durchgeführt hatte und die er noch durchführen würde. Die Intrigen in Asgard und und und. Er war der Gott des Feuers. Nicht wenige verehrten ihn. Und er würde nicht in so einem räudigen Loch verrotten. Von der Hand eines dahergelaufenen Dämons niedergestreckt. Nein, er würde sich nicht aufhalten lassen. Die Flamme des Stabes wurde größer, sie passte sich Lokis Zorn an. Seine Augen begannen zu glühen und roter Rauch stieg aus ihnen. Aus seinen Fingern schossen Flammen. Der Dämon kreuzte die Waffen um sich vor dem Angriff zu schützen. Mit einem wütenden Brüllen fegten die Waffen den Angriff beiseite, dabei flogen kleine Gesteinssplitter aus dem Boden. Die Bestie schaute nach oben, als Loki auf sie niedersauste. Seine Füße landeten auf der Brust des Dämons und warfen ihn nieder. Die Klinge seines Stabes versank da wo normalerweise das Herz jeder Kreatur saß. Schnell zog Loki die Klinge aus dem Fleisch. Der Dämon schien sich davon nicht beeindrucken zu lassen. Er streckte die Arme nach oben und versuchte den Gott des Feuers zu packen. Blitzschnell versenkte der Mann, der erst vor kurzem ein Jüngling war, die Klinge in den Rachen der Kreatur. Röchelnd und blutspuckend starb der Dämon endlich.

Einige Zeit später erreichte der Gott des Feuers den Ausgang des Labyrinths. Er sah Hel und den gefesselten Thor, wie sie vor dem Eingang standen. Schweigsam. Sie schienen ihn nicht zu sehen. Als Loki ins Licht trat, hielt er seinen neuen Stab in der einen Hand und den abgetrennten Schädel des Dämons in der anderen. Die Wunde, die ihn fast umgebracht hatte, war mit dem blutroten Zeichen versiegelt worden, sie würde ihn noch einige Zeit begleiten. Loki hatte das Loch in seiner Kleidung sogar noch vergrößert, damit man das Zeichen besser sehen konnte. Grimmig schaute er mit seinem blutverschmierten Gesicht auf die beiden. Bei jedem seiner Schritte zermalmte er die Knochen unter sich zu Staub. Als sich sein Blick mit dem vom Thor traf, wusste Loki, dass nur einer diese Reise überleben würde. Er warf Hel den Schädel zu. „Ein Dämon, der in deinem Auftrag gehandelt hat, nehme ich an. Wer war er?“ Hel betrachte den Schädel von allen Seiten. Ihre Miene war unterkühlt. „Ein einfacher Dieb, der in seinem Leben viel zu gierig war. Ich habe ihm gerne von mir verurteilte Verbrecher gebracht, dafür bekam er, was sie bei sich trugen. Aber nun muss ich mir wohl jemand anderen für die Vollstreckung meiner Urteile suchen.“ Loki durchschlug mit seinem Stab die Fesseln des Donnergottes. „Zeig uns jetzt den Weg hier raus.“ Hel schaute von dem Kopf auf. „Obwohl ich dich schon mein Leben lang kenne, bist du immer noch ein Rätsel für mich“, meinte sie geheimnisvoll. Es öffnete sich ein schwarzes Portal. Daraus kam eine schwarze Kutsche mit schwarzen Pferden und einem schwarzangezogenen Skelet als Kutscher. „Bitte einsteigen“, meinte der Kutscher. Thor versuchte sich in die Kutsche zu zwängen, dabei schaffte er es in der Tür stecken zu bleiben. „Du solltest mal abspecken, mein Dickerchen“, höhnte Loki. Thor knurrte. „Dein Äußeres hat sich zwar verändert, aber innerlich bist du immer noch dieselbe Nervensäge.“ Loki lachte. „Wir klingen schon wie ein altes Ehepaar. Ich bin der überaus attraktive Ehemann und du die bärtige, hässliche, verfressene…“ „Pass bloß auf!“, brüllte Thor. Lachend machte sich Loki an Thor in die Kutsche zu helfen, bevor Hel es sich wieder anders überlegte. Als er gehen wollte, hielt sie ihn aber am Arm fest. Verwundert drehte Loki sich um. Ihr Blick war grimmig und in ihrer Stimme lag etwas Düsteres. „Du solltest wissen, dass ich dir noch lange nicht verziehen habe. Irgendwann kriege ich dich. Du bist zwar mein Vater, aber trotzdem werde ich dich jagen und verurteilen. Verstanden?“ „Klar wie Kloßbrühe“, meinte Loki mit einem verschmitzten Grinsen. In Gedanken machte er sich die Notiz, dass er bei seinem nächsten Geburtstag bei den Geschenken mehr als sonst aufpassen sollte. Es war nicht selten, dass die Geschenke dazu gedacht waren ihn zu töten. Am einfachsten waren die Geschenke zu erkennen, wo die Glückwunschkarte nur aus Morddrohungen bestand. Schließlich setzte sich Loki in die Kutsche, die sie wieder in die Welt der Götter führen sollte. Sie wussten aber nicht, wo der Kutscher sie raus lassen würde. Außerdem sang er die ganze Fahrt über fröhlich vor sich hin. Es wäre nicht schlimm gewesen, wenn er anständige Lieder gesungen hätte oder die Lieder, die er sang, wenigstens richtig. Er traf keinen einzigen Ton. Dafür begrüßte Loki die Stille von Thor. Der hünenhafte Barbar, schwieg. Aber die Ruhe hielt sich nicht lange. Schon nach kurzer Zeit waren die Beiden wieder dabei sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Während der Kutscher fröhlich weiter falsch sang.

Fortsetzung folgt…


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