Engeltod XI – Lächeln

© EINsamer wANDERER

Verbissen kämpfte sich die Einheit durch die meterhohe Schneedecke. Ein Schneesturm beschränkte ihre Sicht auf nur wenige Meter. Der Team-Leader fragte sich, was mit der Stadt los war. Er hatte den Funkverkehr verfolgt. Während sie hier mit dem Schnee kämpften, bewegten sich andere durch Lavagebiete. Andere marschierten durch dichten Dschungel. Es soll sogar Gebiete geben, in denen die Menschen wahnsinnig wurden. In einem Gebiet herrschte totenstille, wahrscheinlich waren sie dort alle tot. Was war hier los? Irgendetwas wurde hier geheim gehalten. Aber dem Leader war das egal. Er wollte einfach nur seine Einheit sicher durch diese Eishölle bringen. Ein Schrei riss ihn aus seinen Gedanken. Der hinterste Soldat war von einem weißen Zottelmonster angegriffen worden. Durch das Schneetreiben, hatte es sich unauffällig nähern können. Die Soldaten schossen es nieder. Mit unzähligen Kugeln im Leib, hauchte das Ding sein Leben aus. Unter ihm lag der tote Soldat begraben. Der Leader schaute sich das weiße Ding genauer an. Das weiße, zottige Fell tarnte es perfekt im Schnee. Die weißen Pfoten besaßen drei Zehen, mit himmelblauen, durchsichtigen Krallen. Sie sahen aus, als wenn sie aus Eis bestünden. Er schaute sich die Zähne an. Genau wie die Krallen schienen sie ebenfalls aus Eis zu bestehen. Mit dem Lauf seiner Waffe tippte der Leader kurz dagegen. Die Zähne zersprangen in tausend Teile. Sofort wuchsen neue Zähne nach. Innerhalb von drei Sekunden war das Gebiss wieder intakt. Wenn jemand also von dieser Kreatur gebissen wurde, splitterten die Zähne und verteilten sich im gesamten Körper- ganzgenau wie bei einer Splittergranate. „Was für eine Teufelsbrut ist das?“, murmelte er vor sich hin. Einer der Soldaten tippte ihm auf die Schulter und zeigte ins Schneetreiben. Zuerst wusste der Leader nicht was da war, doch dann sah er sie. Es war ein ganzes Rudel dieser Viecher. Und sie hatten die Soldaten schon längst umzingelt. Jetzt gab es nur noch eine Option, sein Fell so teuer wie möglich zu verkaufen.

Tausend Stimmen drangen auf Lucy ein. Sie wusste, dass sie sich das nur einbildete. Da waren keine Stimmen. Aber die anderen schienen sich da nicht so sicher zu sein. Mark zum Beispiel schaute sich immer wieder nach allen Seiten um. Leonardos Zigarettenkonsum hatte sich drastisch erhöht. Und Sam war unnatürlich ruhig geworden. „Lasst euch davon nicht bekloppt machen. Es spielt sich alles nur in euren Köpfen ab.“ Lucy holte ihren iPhod hervor. Die Musik würde sie ablenken. „Nein, Sam. Nicht.“, drang Marks Stimme an ihr Ohr. Wahrscheinlich bloß wieder eine Wahnvorstellung, die ihr vorgaukelte, dass Mark nach Sam rief. Ihre Ansicht wurde jedoch von einer Hand, die sich auf ihre Schulter legte, zunichte gemacht. „Sieh dir das an.“, sagte Mark und zeigte auf Sam, die am Straßenrand kniete. Sie weinte. „Sam! Sam, was auch immer du siehst, es ist nicht echt.“, schrie Lucy zu ihr rüber. „Es ist alles meine Schuld. Ich hätte nie … Ich durfte nie …“ Obwohl sie es nur leise vor sich hin jammerte, konnte Lucy es doch genau hören. Der Engel schritt zielgenau auf Sam zu, zog sie hoch und klatschte ihr eine. „Reiß dich zusammen, man!“ Sam starrte auf die Stelle, an der sie gerade gekniet hatte. „Wo ist er hin?“ „Er ist nicht hier. Das bildest du dir alles nur ein, kapiert?“ Lucy wollte hier nur noch weg. Es war nicht gut für die Moral des Teams hier zu sein. Plötzlich traf ihr Blick auf eine bandagierte Frau, die auf einer Hyäne saß. War das schon wieder nur eine Einbildung? Die Stimmen wurden lauter- eindringlicher. Nein, sie musste hier sein. Die Reiterin preschte auf den Engel zu. Lucy zog ihre Waffe. Laut wie Donner, hallte der Schuss von den Häusern wieder. Die Reiterin löste sich in Luft auf. Wieder nur eine Illusion. Aber diesmal entstammte sie von der Herrin dieses Reiches. „Okay Leute, Wahnsinn ist hier. Macht euch auf alles gefasst.“ Die Gruppe machte sich Kampfbereit. Leonardo zog seinen Dolch. Sam zog am Griff ihres Blindenstocks. Heraus kamen ein paar lange Fäden aus Stahl. „Die Schlampe gehört mir.“, knurrte sie. Zombie-Queen schien wie ausgewechselt. Die Illusion musste sie ziemlich verstört haben. Nur Mark wusste nicht so recht, was er machen sollte. Er stand einfach nur dumm rum und schaute sich nervös um. Eine giftgrüne Hyäne sprang durch die Nebelbank und zerriss den zarten Dunstschleier. Das Tier wollte sich auf Mark stürzen, doch soweit kam es nicht. Leonardo hatte schützend einen Arm vor Mark gestellt und den Flug der Bestie gestoppt. Ächzend tropfte der Speichel auf seinen Arm und fraß sich durch die Kleidung. Schnell schnappte sich Leonardo das Tier und schleuderte es wie ein Kuscheltier fort. Eine Kettensäge riss Lucy und Sam aus der Erstarrung. Sie fuhr genau zwischen die Beiden und hätten sie nicht einen Schritt zur Seite gemacht, wären sie ernsthaft verletzt worden. Gierig fraßen sich die Zähne der Säge in den Teer der Straße. „Lucy?! So sehen sich unsere Seins wieder.“, zischte die Reiterin. Ihre Stimme änderte ständig die Tonlage. Mal war sie schrill, dann wieder nur ein wispern. Das konnte einen in den Wahnsinn treiben. Irgendwo im Hintergrund zischte es. Oder war das wieder nur Einbildung? „Ja, so sieht man sich wieder, verrücktes Miststück.“ „Warum so gereizt, Schwingenträgerin? Nagen die Schatten der letzten Niederlage noch an dir?“ Sie hielt ihre Waffe hocherhoben. Es verwunderte Lucy, dass sie keinen Laut von sich gab. War sie nicht eingeschaltet? Der Engel sah, wie die einzelnen Zähne sich bewegen. Warum machte sie keinen Laut? Die Reiterin wechselte immer gerne ihre Waffe. Diese hatte Lucy aber noch nie zuvor gesehen. Aber das war auch nicht wichtig. Wichtiger war, dass man sie damit töten wollte. Die Reiterin stand genau vor ihr. Der Engel schoss in das Dunkel ihrer Kapuze. Eigentlich hätte Wahnsinn die Wucht der Kugel zu Boden werfen müssen, aber sie rollte sich ab. Ihre Kapuze war nach hinten gerutscht und zeigte nun zum ersten Mal ihr Gesicht. Sie hatte zischende Schlangen, statt Haare. Ihre Augen waren giftgrün. Sie hatte keine Wangen, die ihre Reißzähne verbergen konnten. Nur ein wenig Haut, um die Mundpartien versteckte den vorderen Teil ihres Gebiss. „Ach so siehst du aus. Das erklärt natürlich einiges.“, meinte der Engel süffisant. „Schweig. Scheiß Lucy.“ „Sag jetzt bloß nicht, dass du Minderwertigkeitskomplexe wegen deines Gesichts hast.“ „Ich habe keine Komplexe der Minderwertigen.“, kreischte Wahnsinn. „Keine meiner Persönlichkeiten hat das.“, fügte sie brüllend hinzu. Drohend wurde Lucy von den Schlangen angezischt. „Ach? Dann läufst du also nur vermummt rum, weil die Stimmen in deinem Kopf es dir befohlen haben.“ Rasend vor Wut rannte die Reiterin los. Die Stimmen wurden lauter- wütender. Lucy hob seelenruhig ihre Waffe und zielte auf die wichtigsten Organe. Plötzlich erstarrte Wahnsinn mitten in der Bewegung. Ihr Gekreische wurde lauter und rasender, genau wie die Stimmen in Lucy ´s Kopf. Die Reiterin wand sich wie verrückt hin und her. Etwas glänzte an ihren Armen. Es waren die Stahlfäden von Zombie-Queen. Sie hatten sich um Wahnsinns Arme und Beine geschlungen. Hinter ihr stand Sam, die Fäden fest in den Händen. Sie lächelte böse. „Wie gefällt dir das, Schlampe?“ Die Fäden zogen sich zusammen und drückten ins Fleisch. Wahnsinn fing an zu kreischen. Nicht vor Schmerz, sondern vor Wut. Sie kannte keine Schmerzen, jedenfalls keine körperlichen. Die Stimmen stimmten in die Agonie der Reiterin mit ein. Unaufhaltsam schritt sie auf Lucy zu. Erst einen Schritt, dann ein zweiter. Kreischend trotzte sie den Fäden, die sich immer weiter in ihre Haut bohrten. Ihre Augen quollen über vor Hass. Und ein weiterer Schritt. Ihr schwefelgelbes Blut tropfte auf den Boden. Noch ein Schritt. „Kommt bloß nicht mit ihrem Blut in Berührung. Ein Tropfen auf euer Haut reicht aus, um euch auf ewig geisteskrank zu machen.“ Hoffentlich war ihre Warnung angekommen. Sie wollte die Sauerei vom letzten Mal, nicht noch einmal vor ihren Chefs rechtfertigen müssen. Unbändige Wut schien die Reiterin gepackt zu haben. Schreiend rannte sie auf den Engel zu. Die Fäden hielten stand und verlangsamten ihren Sprint. „Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.“, meinte Lucy bloß. Aber die Reiterin schlug die Warnung in den Wind. Und es kam, wie Lucy es sich gedacht hatte. Mit einem reißenden Geräusch, rissen die eingewickelten Arme ab. Selbst in diesem Moment schien sie keine Schmerzen zu spüren. Ihr Rumpf plumpste auf den Boden, als sich ihre Beine ebenfalls verabschiedeten. Aber der unmenschliche Wille der Reiterin war noch nicht gebrochen. Sie rammte ihr Kinn in den Boden und zog sich nach vorne. Die Stimmen waren nur noch ein säuseln. „Diesmal wird keine meiner Persönlichkeiten versagen.“ Langsam ging Sam auf sie zu und stellte sich ihr in den Weg. Geringschätzig schaute die Reiterin zu ihr hoch. Lucy hielt sich zurück. Sam wollte sie fertig machen, nicht sie. „Jetzt bring ich dir mal ein paar hübsche Striemen bei.“, sagte Sam böse. Sie schlug ihre Fäden gegen das Gesicht der Reiterin. Wortlos ertrug sie die Pein. Die Pein von einem schwächlichen Zombie fertig gemacht zu werden. Sam schlug die Fäden schneller. Immer schneller. Sie begann vor Anstrengung zu keuchen. Jetzt mach mal halblang, Mädel. Wir sind hier nicht in einem Sadomaso-Streifen, dachte Lucy bei sich, aber sie hielt die Klappe. Nicht, dass sie noch ungewollte Aufmerksamkeit erregte. „Oh Mein Gott.“ Es war Leonardo, der jetzt neben Lucy stand. „Ah, Leo. Na? Das blöde Mistvieh erledigt?“ Er schien sich vom Anblick dieses Szenarios nicht loszureißen können. „Ja. Da hinten liegt das Ungetüm.“, er zeigte dabei hinter sich, ohne den Kopf zu bewegen. Lucy drehte sich um. Sie musste diese Gewalt nicht sehen. Das was sie gesehen hatte reichte aus, um ihr für ein paar Ewigkeiten Albträume zu bescheren. Also war im Moment die Hyäne interessanter. Leonardo hatte das Mistvieh erfolgreich erwischt. Es hatte mehrere schwere Wunden. Gerade stupste Mark es todesmutig an, um sich seines Dahinscheidens auch wirklich zu vergewissern. Auf einmal hörte die Geräuschkulisse auf. Die Stimmen wurden leiser und verstummten dann ganz. „Puh, dass tat gut.“ Lucy drehte sich um. Es war, als wenn nie etwas gewesen wäre. Die einzigen Zeugen waren die tote Hyäne und ein blutiger Haufen Fleisch neben Sam. Das war mal eine Reiterin, dachte sie. Aber egal wie oft und brutal man sie tötete, sie kamen wieder. Sie kamen immer wieder. Lucy machte dieser Gedanke irgendwie depressiv. Sie drehte ihre Musik lauter. „Also lasst uns hier endlich abhauen.“ Obwohl die Königin dieser Region gefallen war, verschwanden die Illusionen nicht ganz. Die Leute wurden immer noch von ihnen heimgesucht.

Azrael stand vor dem zerbrochenen Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Die Statuen im Büro des toten Vladimirs waren seiner Zerstörungslust zum Opfer gefallen. Vielen fehlten die Köpfe, die seinen Zähnen keinen Wiederstand geleistet hatten. Das Bild vom Sonnenaufgang war durchs Fenster geworfen worden, der Tresor war ihm dicht gefolgt. Zuallererst war aber das Fenster von Caedes zerbrochen worden. Der Schreibtisch lag zerstückelt über den gesamten Raum verteilt. Viele Bodenplatten waren zersprungen. Kurz gesagt, es war ein einziges Chaos. Jetzt, wo es nichts mehr zum Zerstören gab, schaute Azrael in die Nacht hinaus. Die dämonischen Mächte, die in der Stadt am Werke waren, hatten den Vollmond blutrot gefärbt, eine Farbe die er schon immer sehr ansprechend fand. Draußen waren die Schreie von Kreaturen zu hören, die die Dunkelheit durchstreiften. Azrael hörte sogar einige menschliche Schreckensschreie darunter heraus. Er rümpfte die Nase. Es roch nach Menschen. Das war also die „Abwechslung“, von der Vanessa gesprochen hatte. Kampferprobte Männer traten die Tür ein. Sie erfassten Azrael sofort. Nach einem kurzen Sprint, stand er vor seinem ersten Opfer. Lächelnd stieß er Caedes in den Bauch des Mannes. Endlich konnte er wieder mit seinem Schwert töten. Der Soldat keuchte und spuckte Blut. Die Klinge zog sich aus seinem Körper zurück. Leblos fiel er zu Boden und entblößte die Kehle des Soldaten, der hinter ihm stand. Azrael schnappte zu. Warm lief das Blut seine Kehle hinab. Er war so begierig darauf, dass das Blut sein gesamtes Gesicht vollsudelte. Der letzte Soldat wollte fliehen. Ihm haftete der Gestank von Angstschweiß und Pisse an. Azrael warf Caedes nach dem Fliehenden. Zielgenau spießte das Schwert den Soldaten auf. Der Todesengel zog an der Klingenkette und holte den Soldaten zu sich heran. Sein Körper war schon längst erschlafft. Plötzlich durchzuckte ein seltsames Kältegefühl die Seele des Monsters. Etwas das ihm nie begegnet war, befand sich just in diesem Moment hier im Raum. Er ließ vom toten Soldaten, den er gerade aussaugte, ab. „Wer versteckt sich im Schatten vor mir?“

Die Stimme des schwarzgekleideten Wesens ließ Dark frösteln. Er wusste selbst nicht, wie es ihn bemerken konnte. „Na los. Zeig dich mir.“, forderte es ihn heraus. Es ließ den aufgespießten Leichnam von seinem Schwert gleiten. Dark schritt aus dem Schatten. Bereit zu sterben. Das rötliche Mondlicht erhellte seine Züge. „Du siehst nicht aus, wie einer von denen hier.“, bemerkte das Wesen. Sein Schwert zeigte dabei auf einen der Leichname. „Nein. Ich bin kein Soldat.“, antwortete der Junge. „Wer bist du dann?“, fragte es. Dark antwortete mit einer Gegenfrage: „Ist das wichtig?“ „Nicht wirklich.“, konterte das Wesen. Es schleuderte sein seltsames Schwert nach ihm. Dark materialisierte seine Geisterklinge. Das Schwert flog auf ihn zu. Schützend hielt er die Klinge vor sich. Sie fälschte die Flugbahn des Schwertes nach oben ab. Dark nutzte die Chance. Er lief los. Baal, gib mir ein letztes Mal etwas von deiner Kraft. Ein letztes Mal? , fragte Baal. Glaubst du wirklich?. Na ja, wie du meinst. Bitte so wird dir gegeben, was du begehrst. Darks Tempo erhöhte sich und brachte ihn innerhalb eines Atemzuges auf die richtige Distanz, um einen schweren Schlag auszuführen. Das Wesen lächelte, was Dark nicht so recht verstand. Er schielte nach hinten. Das Schwert hatte seinen Kurs geändert und raste wieder auf ihn zu. „Mist.“ Dark machte einen Sprung an die Decke und blieb an ihr haften. Das fliegende Schwert durchstieß den Rumpf des Wesens. Es zeigte keine Schmerzen, vielmehr lächelte es. „So viel Spaß hatte ich wirklich schon lange nicht mehr.“ Mit einem Ruck zog es sich das Schwert aus dem Leib. Schwarzes Blut tropfte zu Boden. Kaum hatte es den Boden berührt, kehrte es wieder in den Körper zurück. Momentmal, sagte Baal. Zum ersten Mal, seitdem Dark ihn kannte, lag in seiner Stimme so etwas wie Verwunderung, mit einer Spur Empörung und einer Prise Neugier. Er besitzt die Macht der schwarzen Teufelstitanen. Meine Macht! Eine Kreuzung zwischen meiner Rasse und einem Vampir. Das … das ist eine Beleidigung meiner Art. Das ist Blasphemie! Schändlich! Dark du musst ihn töten! Dark starrte das Wesen an. „Nein“, antwortete er eiskalt. Das Wesen sah ihn verwundert an. Klar es dachte sicher, dass er Selbstgespräche führe. „Das ist die Chance. Er ist es.“ Er ist eine Mistgeburt. Töte ihn. Dark hatte keine Lust mehr. Schon seit Jahren musste er sich seine dämlichen Kommentare und Befehle anhören. Jetzt war Schluss. Jetzt gab es keine Diskussionen mehr. Jetzt und hier würde es enden. „Komm her! Lass es uns beenden.“, forderte er das Wesen heraus. Als Antwort sprang es zu ihm hoch, an die Decke. „Du bist ganzschön hartnäckig.“, meinte es. Dark sprintete los. Das Wesen verpasste ihm einen Kinnhacken. Trudelnd segelte der Junge durch eines der unbeschädigten Fenster. Als er fiel, sauste die Luft um seine Ohren. Er versuchte sich irgendworan festzuhalten. Unbarmherzig zog die Schwerkraft an seinem Körper. Hätte er nicht die Kräfte des Dämons gehabt, hätte er auf den Glasscheiben der Fassade keinen Halt finden können. Er schirmte seine Augen vor den Glasscherben ab, die sein Sturz verursacht hatte. Einige schnitten in sein Gesicht, aber die Wunden heilten in wenigen Augenblicken. Das Wesen sprang ihm nach und kam etwas weiter vor ihm zum Stehen. Wer hätte gedacht, dass sein letzter Kampf an der Fassade eines Hochhauses, in einem Winkel von neunzig Grad stattfinden würde. Aber daran dachte Dark nicht. Ihm kümmerte mehr, dass das Wesen sich zurückhielt. Es spielte bloß. Es wollte ihn nicht töten. Der Junge hatte keine Wahl. Um das Wesen zu zwingen ihn zu töten, brauchte er mehr von Baals Macht. Baal- Stufe zwei. Baal lachte. Damit wird dieser Bastard niemals fertig, meinte er. Die Kälte von Baals Kräften dehnte sich von Darks Körper auf seine Umgebung aus. Der Atem der beiden Kontrahenten gefror. Die Scheiben, auf denen sie standen, fingen an zu beschlagen. Darks Haare wuchsen und schoben die Kapuze zurück. Sie wurden tiefschwarz und begangen sich wie lebende Flammen zu bewegen. Der Wolf auf dem Rücken seiner Jacke wurde von der Schwärze verschluckt. Mäuler, mit mehreren Reihen spitzer Reißzähne tauchten darauf auf. Seine Geisterklinge wuchs um einen ganzen Meter. Die Zähne spitzten sich zu und hätten einem Hai gehören können. Schwärze breitete sich auf seinen Augen aus. Als sie durch und durch schwarz waren, erschienen viele kleine, rote Punkte in ihnen, die bei genauerem Hinsehen rotleuchtende Augen mit geschlitzten Pupillen waren. „Du könntest eine kleinere Version von mir sein.“, bemerkte das Wesen. Aber Dark war nicht wie er. Er war kein Monster. Und das würde er ihm beweisen, wenn er sein noch schlagendes Herz in Händen hielt. Wie eine Rakete raste er auf das Wesen zu. Innerhalb eines Blinzelns stand er vor seinem Gegner. Er sprang in die Luft, um einen Abwärtshieb mit der Geisterklinge auszuführen. Das Wesen lächelte wieder bloß. Darks Mordlust war auf ihren Höhepunkt. Jetzt konnte er nicht mehr verlieren. Sein Gegner stand im Gegensatz zu ihm in einer ungünstigen Position. Er würde diese Mistgeburt fertig machen und das war ja auch alles, was er wollte, oder? Das Wesen verpasste Dark einen Kinnhacken. Er war so sehr auf seinen eigenen Schlag konzentriert gewesen, dass er seine Deckung total vernachlässigt hatte. Er flog davon. Wieso?, fragte er sich. Wieso? Ein heißer Schmerz durchbrach die Kälte seiner Seele und steckte sie in Flammen. Es war kein Feuer das da brannte, sondern die geballte Mordlust, die in dem Schwert dieser Kreatur hauste. Das Schwert steckte in seinem Bauch fest. Die Wunde war halb so wild. Es würde wieder verheilen. Seine Flugrichtung änderte sich. Dark schielte nach unten. Er hielt genau auf eine Glasscheibe zu. Schmerzbereit kniff er die Augen zu. Es klirrte, als er die Scheibe durchstieß. Geschmeidig zog sich die Klinge aus seinem Körper zurück. Krachend landete der Junge auf dem kalten, harten Fußboden. Kälte und eine nahende Ohnmacht, waren alles was er spürte. Das Wesen sprang durch die zerbrochene Scheibe. „Nicht schlecht. Hättest du ein bisschen mehr Übung gehabt, wäre es doch ein anschaulicher Kampf geworden.“ Blutspuckend wurde Dark am Schopfe gepackt und hochgehoben. Wieder und wieder wurde ihm das Schwert ins Herz gestoßen. Er fühlte, wie die dämonischen Kräfte Probleme hatten dagegen anzuheilen. Seine Seele löste sich vom Körper und ging ins Jenseits ein. Er fühlte vollkommenen Frieden. Etwas, dass er seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Ein seliges Lächeln war stummer Zeuge seines Glücks. Die kalten Klauen des Todes schlossen sich um ihn. Leider fehlte ihm die Kraft, um sich bei dem Wesen noch zu bedanken. Alles wurde schwarz und Dark fand es okay. Er war schon vor langer Zeit gestorben. Der Sensenmann hatte ihn einfach vergessen, doch jetzt holte er sich ihn zurück. Seine Augen schlossen sich langsam.

Azrael zog Caedes aus dem Körper des Jungen heraus. Er hörte wie sein Herz einen letzten Schlag vollführte. Immer noch lächelnd fiel das Kind zur Erde. Warum grinste es so dämlich? Freute es sich etwa über seinen Tod? Das erinnerte ihn irgendwie an seine letzte Niederlage. Es war die einzige in seinem langen, langen Leben gewesen. Und wie er damals gelächelt hatte- kein Vergleich. Er verstaute Caedes in seinem Schwertgurt, der noch im Tresor gewesen war, auf den Rücken. „Ihr seid wahrlich ein Gott.“, hörte er Vanessa ehrfürchtig sagen. Sie stand hinter ihm. „Ihr habt den Monsterschlächter getötet.“ „Hast du ihn hierher geführt?“, fragte Azrael. „Ja, er folgte uns. Ich hatte ihn zuerst gar nicht bemerkt. Er war sehr geschickt im Verfolgen, was ja auch nicht anders zu erwarten war, von einer niederträchtigen Kreatur wie ihm.“ Irre schielte Azrael auf den Säbel in Vanessas Hand. Einst hatte er Vladimir gehört, aber nach seinem Tode hatte sie sich der Waffe angenommen. „Gib ihn mir.“, fordernd streckte er seine Hand nach dem Säbel aus. Bereitwillig übergab Vanessa ihm die Waffe. „Du hast dir deine Belohnung redlich verdient.“ Er ritzte sich mit dem Säbel in die Handfläche. „Hier trinke mein Blut, um wiedergeboren zu werden.“ Zuerst näherte sie sich ihm nur langsam, wahrscheinlich konnte sie ihr Glück gar nicht fassen. Aber dann hielt sie ihren Mund offen über seine Hand, als wenn sie eine Schneeflocke damit auffangen wolle. Die ersten Tropfen gelangten in ihren Mund. Kalt stieß ihr Azrael den Säbel ins Herz. Schockiert sah sie den Griff des Säbels, mit Azraels Hand daran. „Um wiedergeboren zu werden, muss man erst einmal sterben.“, meinte er. Vanessa brach entsetzt und schockiert zusammen. Blut sickerte aus der Wunde. Sie war nicht tot. Im Gegensatz zum Jungen, war sie nur bewusstlos. Wenn sein Blut in ihr gedeihte und sie erwachte, würde sie so mächtig wie Azrael sein. Dann wäre sie die einzige Herausforderung in dieser Welt für ihn. Aber er musste sich noch etwas gedulden, bis sie erwachte. Zuerst würde er Befehlen die Leiche des Jungen wegzuschaffen. Er hatte falsche Hoffnungen in Azrael geweckt und er konnte es nicht ausstehen, wenn seine Hoffnungen zerstört wurden. Deswegen war der Anblick dieses toten Versagers für ihn kaum Ertragbar.

Das Militär evakuierte die Stadt. Niemand, ob nun Mensch, Monster oder sonstiges, sollte sie verlassen können. Somit wurden alle Bewohner von der Außenwelt isoliert. Soldaten patrollierten rund um die Uhr. Das Militär hatte versagt. Sie konnten der Plage nicht Herr werden. Die Regierung musste also zu unkonventionelleren Mitteln greifen. Sie wusste, dass der Preis sehr hoch ausfallen würde. Bei dieser Frau tat er das immer.

Fortsetzung folgt…


© EINsamer wANDERER


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Beschreibung des Autors zu "Engeltod XI – Lächeln"

Naja Dark ist tot. Ich habs nur gemacht, weil er der lieblings Charakter meiner kleinen Schwester ist, die auch die beiden Bilder gemalt hat. Früher hat sie mich damit genervt, dass ich ihn nicht sterben lassen soll und nun wo er tot ist, meint sie er kommt nächste Folge wieder. Was denkst du?

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