Lo und Fa waren in den dichten Wald gegangen.
Weg von den Hütten, weg von den anderen.
Aber sie waren glücklich.
Sie hatten Beeren gesammelt.
Aber am meisten war Lo glücklich, weil sie Ima in sich spürte,
Ima, den Gott der Liebe.
Sie war lange schon Ima, sie war voll Liebe.
Jetzt war es so weit.
Die beiden Frauen würden eine Zeit lang allein sein,
mit sich und schließlich mit Ima.
Fa hatte den Gott der Liebe schon drei Mal in sich.
Heute würden sie wieder mit Ima zurück kehren. Ima zu den anderen bringen.
Und alle würden glücklich sein und alle würden Ima hochheben
und lachen und tanzen und ein großes Fest feiern und sich lieben
den ganzen Tag und die ganze Nacht.
Als Lo sich hin hockte und laut schrie
Und Fa sie tröstete und sanft streichelte,
da war sie plötzlich da, ganz schnell,
und sie trockneten sie mit Blättern
und küßten sie abwechselnd und lachten
und trugen sie zurück, um sie allen zu zeigen.
Da stand er plötzlich vor ihnen.
Wie eine Flamme aus einem Erdloch stieg er empor,
im glühend feurigen Licht der untergehenden Sonne.
Lo und Fa erschraken sehr, als sie den goßen, fremden Mann erblickten,
der in seltsamen Fellen gekleidet war,
mit einem langen, krummen Stab in der Faust,
Ketten um den Hals und Hörnern auf dem Kopf,
denn sie dachten, dies sei ein gefährliches Tier.
Endlich erhob der Angstmacher seine laute Stimme:
"Was macht ihr hier allein im Wald? Wo sind eure Leute?"
"Ich... ich hatte den Gott der Liebe in mir," flüsterte Lo
und versuchte, das Kind hinter ihrem Rücken zu verbergen.
Da wurde der Mann sehr zornig, hob drohend seinen Stab und schrie:
"Was wisst ihr schon von den Göttern?
Habt ihr sie gesehen, habt ihr mit ihnen gesprochen?"
" Nein," sprach Fa leise, " wir können sie nur spüren.
Sie sind in uns und überall. Wir spüren viele Götter:
den Sonnengott, den Flussgott, den Baum..."
Das laute, boshafte Lachen des Mannes unterbrach Fas Rede.
"Ihr Würmer! Ihr Nichtwissenden!
Ich! Ich allein habe die Götter gesehen!
Ich! Ich allein habe mit ihnen gesprochen!
Sie sind mächtig und furchtbar anzusehen, die Götter
und viel zu riesig, um in euch zu sein.
Sie wohnen im Himmel," und er breitete seine Arme aus,
"und in der Hölle," und er wies mit seinem Stab auf den Boden,
"und nicht im Fluss oder in einem Baum , oder in deinem Bauch,"
und er deutete mit dem Stab auf Los nackten Bauch.
"Hölle? Was ist das?" fragte Fa.
Da lächelte der Mann zum ersten Mal:
"Kommt ihr Unwissenden," grinste er,
"ich werde euch und den anderen von den Göttern erzählen und berichten, was sie mir aufgetragen haben. Kommt schon!"
Immer noch angsterfüllt folgten die Frauen diesem Mann und Lo trug Ima in ihrem Arm, die ihr aber plötzlich so winzig erschien gegen die unheimliche Größe der Himmels- und Höllengötter.
Und langsam stieg Traurigkeit in ihr auf
und ihr war kalt
und sie sehnte sich nach dem Feuer.
P.S. Jener Mann muss als erster Priester der Menschheit gelten.
Kommentar:Hi Pedda,
eine sehr romantisch anmutende Erzählung.So wunderbar, dass ich mich wundere,warum sie bisher keine weitere Beachtung hier erfahren hat.
Von einer repressiven - wenn nicht gar schlimmeren - Religion hast Du bei mir ja auch schon gelesen.
Priester bleiben eben Biester, die dich nur religionskonform kneten können, wen sie dich zuvor oder zeitgleich verschrecken.
Gruß Wolfgang
Kommentar:...das wäre ja auch noch schöner, wenn die Menschen so einfach ohne "Uns Hohe Priester" zurecht kämen, keine Angst (Ehrfurcht nennen die das) mehr vor uns hätten. Wo kämen wir da hin, ohne unsere dicken Pfründe! Ja, Pedda, voll d´accord mit dir. Vielleicht kennst du Georg Schramm, für mich einer der Besten seiner Zunft (Kabarett), es gibt eine Sequenz, wo er den Zölibat beleuchtet und seinen wirklichen Grund, warum er eingeführt wurde ab dem 13. Jhd. Auf youtube. Danke für die Geschichte. LG Hans
Kommentar:Hi Hans, danke für deinen netten Kommentar. Klar kenne ich Schramm, das großartige Lästermaul. Oft sehr böse. Sehe ich mir an auf youtube. Aber war der Zölibat nicht eingeführt worden, damit Priester das Kirchengut nicht an ihre Nachkommen vererben konnten? Gruß Pedda
Kommentar:Natürlich, sonst wäre die Katholische Kirche 100 Jahre später pleite gewesen. Aber wie Schramm das formuliert, ist köstlich sarkastisch. LG Hans
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