Im Ingenieurbüro Gotthilf, Geist & Sohn laufen die Telefondrähte heiß. Anrufe aus aller Welt belasten das Netz. Und bei allen handelt es sich um Störmeldungen! Im Gebiet von Schlitzgelferatu platzen die Städte aus allen Nähten. Sie quellen vor Einwohnern über! Es gibt keine verwendbare Atemluft mehr! Aus Terra Bimborium beklagen sich die Einwohner über fortwährend anhaltende Unruhen: jeder bekämpft jeden, denn alle wollen die neuen Waffen aus Blankonien ausprobieren, wo „unerklärlicherweise“, gravierender Geburtenmangel herrscht. Und im Lande der hochpropagierten Grenzenlosigkeit werden, aus Angst vor der Verwässerung fein abgestimmter Limonadengeschmäcker neuerdings Grenzen aus Stacheldraht gezogen, wogegen im Lande der Kopfüberlebenden (also nicht der Kopf-Überlebenden, sondern der Kopfüber-Lebenden), sich die Eroberer nicht mehr wieder erkennen, weil die Schminke aus dem Quellgebiet der geplatzten Städte sämtliche Gesichter derart verfärbt, daß sogar das Outback-Syndrom in einem nicht vorhersehbaren Chaos zu versinken droht.

Alle Personen wie auch Persönlichkeiten, auf dem gesamten Globus sind hellauf verbiestert und alle zweifeln plötzlich an der, ehemals so fein ausgeklügelten Strategie, der Firma Gotthilf, Geist & Sohn, die lange Zeit zu, für alle Seiten befriedigenden Ergebnissen führte. Fast alle P. und P., muss man der Vollständigkeit halber sagen, denn die Verhüllten, aus den eng bemessenen Weiten Staubaniens, halten nahezu alles für prophetische Zeichen des Großen Nihil (sie sehen im Patent von Gotthilf, Geist & Sohn ein verkörperlichtes Idol ), den sie ekstatisch anzubeten pflegen.

Letzte Meldungen, aus dem Reich eisverkrusteter Bäume und frierender Bären, tragen jedoch auch nicht gerade zu einer erfreulichen Klärung der Situation bei. Dort, so heißt es, werde ein Gas aus dem Boden so sehr verschwendet, bzw. so brutal gefördert, bzw. derart rücksichtslos verschachert, daß es der Weltöffentlichkeit schlecht werden könne. Und das, obwohl es den totalitären Staaten, die seit ca. 6000 Jahren, wie Pilze aus dem Boden schießen, völlig egal ist, wer woran zugrunde geht. Doch das gehörte ja früher alles zum Plan!

In jüngster Zeit, so wird in englischen Kreisen (von „Engel“ herrührend) vermutet, werden sogar Staaten totalitär, in deren Poesiealben, die absolute Machtergreifung als verboten verpönt, steht. Sie hören zwar ab, aber nicht zu, sie schreiten aus oder ein, aber hauptsächlich eben dort, wo man ihnen etwas vorbetet, von dem sie bislang nur vage gehört haben. „Geht die das überhaupt etwas an?“ fragte neulich der oberste Mull (ein namhafter Vertreter aus der Familie der Nacktmulle), bei der Blauen-Globe-Zeitung nach und bekam prompt zur Antwort: solange sie Geld haben schon! „Was also ist Geld?“ fragt sich der unbescholtene Bürger (ein imaginäres Beispiel aus der Hexenküche der Filmindustrie). Oder „Warum wollen wir noch überleben?“ – und „Wie konnte es eigentlich überhaupt so weit kommen?“ Um hierfür eine auch nur eine halbwegs akzeptable Erklärung zu finden, müssen wir uns nun etwas eingehender mit der fundamentalen Erfindung von Gotthilf, Geist & Sohn beschäftigen.

Ursprünglich entworfen und verwirklicht wurde sie, um den stetig steigenden intellektuellen Ansprüchen der Schöpfung zu genügen, die ja bekanntlich ein immer höheres Maß an Wunscherfüllungspotential fordert. Und, nachdem sämtliche aufrichtige, wie auch archaisch denkende Köpfe an dem Problem einer sich selbst regelnden Pflichterfüllung gescheitert waren, ergriff die Firma G, G & S die Initiative und schuf das Unglaubliche: sie versetzte ein gerüttelt Maß an hochfunktionaler Biomasse, dorthin, wo es gar keine geben dürfte. Mithilfe überlichtschnell tunnelnder Teilchen, gelang es, das sogenannte Bio-Tachionen-Roulette in der Nichtzeit (=Jenseits) zu installieren – und zwar sowohl als impulsgebenden, wie auch kontrollierenden Zufalls-Generator, der in der Lage ist, Gedanken zu erfassen und sie sinnbefreit weiter zu verwenden. In seinem Arbeitsvolumen werden sämtliche virtuelle Endprodukte aus den gedanklichen Vorgängen aller aktiven Gehirne ermittelt und das fertige Ergebnis, in Form einer scheinbar zusammenhanglosen Ereigniskette, praktisch noch vor dem Beginn der zu bearbeitenden, irdischen Denkprozesse, bei uns abgeliefert.

Prof. Dr. Ede Geist hatte, für den Entwurf dieser Maschine, bereits in prähistorischer Zeit, den Hyper-Knobell-Preis, der Universität „An der Milchstraße“ bekommen. Zusammen mit seinem Sohn Sepp baute er daraufhin einen Prototypen im Kleinformat, der dann schließlich von dem Großunternehmer Attila Gotthilf 1 : 1 umgesetzt wurde. Seither konfrontiert dieser Vordenk-Apparat die Welt mit seinen Ergebnissen. Seine Aufgabe, allen alles relativ recht oder relativ unrecht zu machen, ist nicht gerade einfach.

Bedenken wir einmal Folgendes: Alle irgendwo entstehenden Gedanken, kreativ oder nicht kreativ, müssen auf ihre Effizienz hin geprüft werden! Dabei darf es keine Rolle spielen, ob sie von den entsprechenden Kreisen als „gut“ oder „böse“ bezeichnet werden (würden). Dann werden ihre Eventual-Wirkungskreise geprüft, wobei festgestellt sein muss, wie lange sich ein wirklicher Fortschritt, angesichts des vorhandenen Gedankengutes, noch hinausschieben lässt. Schließlich ist es wichtig, den Geschichtsverlauf einerseits möglichst spannend zu gestalten und ihn andererseits möglichst zu strecken, damit das Erwünschte endlich im non plus ultra gipfelt. Die schwerste Aufgabe dabei ist es wohl, Milliarden Hirne derart penibel untereinander abzugleichen, daß auch, selbst bei 1000 Möglichkeiten, pro Individuum, den Ausgang einer Situation einigermaßen vorauszuberechnen, ganz sicher die 1000 und 1ste eintritt. Die sich daraus ergebenden Vorgänge potenzieren sich 1000 mal 1000, im Quadrat zu Milliarden „Denkern“ anschaulich, in einem, aus unserer Sicht, kaum noch überschaubaren Berg an Rechenaufgaben, die erst einmal bewältigt sein wollen. Der gravierende Vorteil des Rechners, gegenüber den lebenden Denkern, besteht jedoch darin, daß sich alle Funktionen des Bio-Tachionen-Roulettes innerhalb der Nichtzeit abspielen und das Resultat daraus, praktisch immer schon eine Mikrosekunde vor der Inangriffnahme irdischer Denkvorgänge abgeliefert werden kann.

Zugegeben: es sind immer wieder kleinere Versehen aufgetreten, die dann jedoch, durch den, als Ergänzung, diesseitig aufgestellten Ad-absurdum-Korrektor, für gewöhnlich rechtzeitig behoben werden konnten. Der hielt stets noch die alles entscheidenden Weichenstellungen bereit und den Optimismus wach. Auf diese Weise konnten dann noch zufällig übersehene, geistig fruchtbare Beziehungen scheitern, ehrliche Karrieren verhindert, oder Schlachten, für die Seite verloren gehen, die das längerfristig realitätsnähere Programm hatte. Doch nun soll das Ganze auf einmal nicht mehr weiter funktionieren?

Die größten Wissenschaftler haben sich an einem runden Tisch versammelt, um darüber zu debattieren was man jetzt noch tun könne. Die überall auftretenden Disfunktionen seien logisch nicht wirklich nachvollziehbar. Die Menschen suchten auf einmal nach wirklichen Inhalten, könnten sie aber, ihrer mangelnden Imaginations-Fähigkeit wegen, nirgends finden. Sämtliche Schein-Idole sind, so geht das Gerücht, ins Zwielicht geraten, oder sie werden, im Gegenteil, noch hemmungsloser übersteigert als bisher! Offene Unruhen drohen nicht nur, sie sind bereits vielerorts ausgebrochen! Und, obwohl Papst Luzifer, der 666ste, zu Ruhe und Besonnenheit in der angewandten Armut – wobei vermutlich die geistige gemeint ist – aufgerufen hat, gerät alles aus den Fugen. Die einen wollen einfach weg, egal ob dort, wo sie sich befinden, noch Unordnung herrscht, oder nicht und die anderen wollen sich mit keiner Unordnung mehr abfinden, wobei die deren Grad im eigenen Lande damit nur noch erhöhen. Sogar die Drogenmafia ist überfordert! Tut sie doch bereits ihr Bestes, noch ein wenig Spaß zu verbreiten, Trotzdem, so muss man zugeben, ist sie in Herrscherkreisen nicht sonderlich beliebt, da diese selbst das Monopol für Volksverdummung in Anspruch nehmen.

Die reine Panik ist ausgebrochen. Keiner fühlt sich mehr sicher, keiner fühlt sich irgendwem verpflichtet und schon gar nicht aufgerufen, seine Zone in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten. Ganze Völkerwanderungen entstehen. Menschen begeben sich auf die Flucht vor der Realität. Über kurz oder lang landen sie in den Slums luft- und lustleerer Mega-Städte: in den Fängen bestialischer Arbeitshändler, wo sie sogleich bis zum Umfallen, ausgebeutet werden. Und vor allem: niemand ist für einen solchen Ernstfall gerüstet! Alle Welt rätselt… „So könne es nicht weitergehen“ meinen einhellig die etablierten Regierungen, wobei sie versuchen, der Misere durch aufrichtiges, sowie hartnäckiges Aussitzen zu begegnen.

„Fleiß und Wirtschaftswachstum können uns nicht weiterhelfen!“
Diesen Spruch lesen wir heute öfter mal in U-Bahn-Stationen, in geheimen Krypten, in verfallenen Bunkern, überall dort eben, wo sie kein Mensch bewusst zur Kenntnis nehmen muss. Doch, die, in ihren Clubs und Lobbys, hinter vorgehaltener Hand alarmierten Fachleute, können sich keinen Reim darauf machen. Nur ein paar verlauste Freizeit-Mathematiker, halb verhungerte Bibelcode-Forscher, völlig verrückte Nostradamus-Anhänger, aus der Mode gekommene Dichter, die, ohne Auftrag und Vorgabe, zu denken behaupten, sowie schließlich sogar einige wenige „ganz normale“ Leute, hegen da einen unbestimmten Verdacht, den sie aber kaum auszusprechen wagen…die Kapazität des Bio-Tachionen-Roulettes, wie auch des Ad-absurdum-Korrektors sei völlig erschöpft. So meinen sie jedenfalls, in ihrer kindlichen Naivität. Wie das sein könne, sei ihnen jedoch unerklärbar. Ein paar übermütig gewordene Ausgestoßene gehen noch entschieden weiter. Unter der Folter (des Alltags) gestehen sie weinend, es hänge, ihrer unmaßgeblichen Meinung zufolge, alles mit der Konzeption des ehemals genialen Gerätes aus der Produktion der Firma Gotthilf, Geist & Sohn zusammen. Sein Leistungsumfang funktioniere nur bis zur Grenze von 8 Milliarden Teilnehmern. Bis dahin wäre es ausgelegt, dann seien seine Kapazitäten erschöpft, der Zusammenbruch nah, aber nicht nur der der riesigen Täuschungs-Verwaltungs-Mechanik, sondern der aller miteinander im Wechselspiel verbundenen Kräfte des Lebens auf der Erde.

Zur Zeit überlegt man sich, in ganz offiziellen Stellen wieder, ob man nicht speziell ausgewiesene Hinrichtungsplätze mit Scheiterhaufen einrichten solle, damit die Schein-Ordnung wieder hergestellt werden könne, denn darauf und nur darauf käme es immerhin an, oder ob man sich weiterhin damit begnügen möge, den natürlichen Vertuschungsprozess denkscheuer Individuen als Verdauungsinstrument unliebsamer Quäl-Geister, samt deren Produkten, die ja doch nur nach bitterer Medizin schmeckten, zu benützen. Man habe schon auf Blöderes zurückgegriffen, lautet der Tenor in zuständigen Kreisen, oder auch: wenn sonst nichts mehr funktioniert…warum eigentlich nicht?!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Glück und Glas"

Re: Glück und Glas

Autor: halifax   Datum: 23.06.2014 17:26 Uhr

Kommentar: Geniale Blasphemie !
LG Halifax

Re: Glück und Glas

Autor: Alf Glocker   Datum: 24.06.2014 6:38 Uhr

Kommentar: Harharr... Danke!

LG Alf

Re: Glück und Glas

Autor: noé   Datum: 24.06.2014 20:38 Uhr

Kommentar: Beim Namen genannt.
Blasphemie würde ich das (noch) nicht nennen (auch wenn Du das wohl gerne hören würdest...)
Ich sehe Dich eher als einen der "... aus der Mode gekommene Dichter, die, ohne Auftrag und Vorgabe, zu denken behaupten,...", aber das sehr analytisch.
Big Sis

Re: Glück und Glas

Autor: Alf Glocker   Datum: 25.06.2014 7:19 Uhr

Kommentar: Da hast Du wohl nichts als recht, liebe BiSi!

Alf

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