OSR (Satire)

Ich bin ratlos, oberschul-ratlos. Da habe ich doch – um einmal mit der reinen Seele eines Shaolin-Mönches (ohne dessen Kampfgeist) das ehrwürdige Alter zu genießen, das Rauchen aufgegeben, trinke keinen Alkohol mehr und – was mir besonders abgeht – ich singe auch nicht mehr, keinen Ton.
Mit derart asketischemTun, oder besser Nichttun, würde ich als indischer Fakir anstandslos durchgehen. Nur eines hindert mich, im Tempel des Myrrhenrauches sitzen zu dürfen: Ich bin noch immer, mehr denn je, titelsüchtig. Das geht so weit, dass meine Verwandten verlegen tuscheln, bevor sie mich grüßen, da die mir jeweils genehme Anrede gerade nicht eruierbar ist.
Kurzum, ich lege großen Wert auf wohlerworbene Titel. Ich greife nur einmal den OSR heraus. Der OSR verweist auf ein beträchtliches Lebensalter und vermittelt bei vollständiger Aussprache in gewissem Maße Weisheit und Rang des Titelträgers. Vor allem aber grenzt er eindeutig vom SR ab, reiht diesen (zu Recht) in eine inferiore Kategorie ein und überhaupt.
Ja überhaupt, was macht mein Lehrerverein, dem ich seit Jahrzehnten angehöre, ihm diene und ihm schmeichle? Er ignoriert in dickschädeliger Art und Weise das mir Zustehende, bezeichnet mich als SR in Anschrift und Anrede. Und das soll einen nicht aufregen?


© ingo.baumgartner


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