Der Joshu war ein alter Meister
Sein Ruf drang bis zum König vor
Da wollte der ihn kennen lernen
Und leihen ihm ein off‘nes Ohr

Mit Sänfte und all dem Gefolge
War der König fast am Ziel
Ein Mönch hielt Ausschau vor dem Kloster
Sie erwarteten doch alle viel

Der Zug erreichte schon die Brücke
Da lief der Mönch in schnellem Schritt
Und rief: ‚Der König ist gekommen!
Ich habe ihn bereits erblickt!‘

Der Meister rief dem Mönch entgegen:
‚Dem König Heil vieltausendfach!‘
Doch der, verdutzt, wusst' nichts zu sagen
War in sich selbst noch nicht erwacht

Königlicher Besuch

© jenszygar - Pixabay


© Jürgen Wagner


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Beschreibung des Autors zu "Königlicher Besuch"

Zu einer Geschichte um den chinesischen Zen-Meister Joshu (778–897):

Eines Tages, als Joshu auf dem Lehrstuhl Platz genommen hatte, meldete der Aufwärter: ‚Der große König ist gekommen!‘ Joshu sah bestürzt nach rechts und links und sagte: ‚Dem Großen König Heil vieltausendfach!‘ Anstatt den hohen Besuch abzuwarten, rief er seinen Gruß dem Aufwärter entgegen! Der Aufwärter, sichtlich betroffen, sagte: ‚Er ist noch nicht da, Ehrwürdiger!‘ Da sagte Joshu: ‚Jetzt sagst Du es wieder: Er ist gekommen!‘

Anm.: 'Wachheit' ist im Buddhismus ein Synonym für Erleuchtung, die starke Präsenz mit sich bringt, Bewußtheit, Direktheit und Spontaneität. Im altchinesischen Zen-Buddhismus ist auch die Gedankenführung davon geprägt. Es ist dann manchmal fast so, wie wenn einer in einer fremden Sprache zu einem spricht: manchmal versteht man, auch ohne zu verstehen.

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