Das Bierorakel

Ich habe einen kleinen Brauch,
Ein Ritual, wie andre auch:
Ergreift mich starke Wissensgier
Dann trink ich ein Orakelbier.

Vor kurzem habe ich bestellt
Ein Bier im Neuenheimer Feld
Am Teiche stand ich ganz allein
Und das Orakel sagte „nein“.

Das Bier lügt nie, hat keine Makel:
Es ist ein göttliches Orakel,
Sodass Enttäuschung mich befällt,
Wenn mir die Antwort nicht gefällt.

Auch heute trieb mein kühner Sinn
Mich hoffnungsvoll zur Mensa hin.
Ich stell die Frage, hebe dann
Erwartungsvoll den Deckel an.

Ein Augenblick, und siehe da:
Der Deckel zeigt die Antwort: „Ja!“
Die Mensa flutet holdes Licht,
Ich strahl vom ganzen Angesicht.

Da fällt mir ein, dass ich im Feld
Dem Bier dieselbe Frag' gestellt;
Bald sagt es „Ja“, bald sagt es „Nein“
– Kann das Orakel richtig sein?

Das Lächeln wich mir vom Gesicht
Doch sprach ich gleich: Verzage nicht!
Wahrscheinlich hab ich, sprachversiert,
Die Frage anders formuliert.

Wahrscheinlich wechselt das Geschick
Von Augenblick zu Augenblick.
Wie dem auch sei – ich glaube dir,
O göttliches Orakelbier!

19.8.2014 im Marstall


© Marina Garanin


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Beschreibung des Autors zu "Das Bierorakel"

Kennt jemand das Welde-Bierorakel nicht? Dann wäre eine kleine Einführung hilfreich: Die Bierflaschen haben unter dem Deckel ein "Ja" oder ein "Nein" stehen. Vor dem Öffnen stellt man sich eine Frage. Die Antwort ist der Orakelspruch.

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