Wie lange wird es wohl noch dauern,
bis uns hierzulande Einsicht reift?
Wir therapieren, grübeln, trauern,
weil das System mechanisch greift,

blüht inmitten größter Wirtschaften,
wo Nachfrage den Markt bestimmt,
weil junge Menschen nicht verkraften,
ein Giftcocktail, den man her nimmt,

bei umgehängter Alltagsschlinge,
zu halten noch das Gleichgewicht,
mit angelegter Seelenklinge,
damit das Stuhlbein nicht zerbricht,

mit einer Brise schnell vergessen,
mit keiner Träne im Gesicht,
mit einer Brise von-der-Arbeit-besessen,
lebt man gut, auf kurze Sicht,

mit einer Brise nicht-an-Morgen-denken,
mit einer Nase voll das-geht-schon-Mann,
mit beutelweise sich-in-Form-verrenken,
für den Job, Dank dem man’s kaufen kann,

lässt man heimlich jeden Traum ausbluten,
bis man glaubt: Der Stuhl, er hält!
Was ihr nicht wisst und sie vermuten:
Wer dort hängt und doch nicht fällt,

der wird nicht unbedingt getragen,
und sein Schweigen heißt nicht: Toll!,
keine Schreie, die’s beklagen,
sie bedeuten: Schnauze voll!,

wir alle seh’n sie, doch nicht baumeln,
ihre Angst wiegt nicht mehr schwer,
man hängt bequem, anstatt zu taumeln,
ist man gleich, von innen leer,

so lassen sie sich vorwärts hetzen,
durch den Tunnel, den man baut –
die kalte Klinge ansetzen,
warten, bis bald nichts mehr graut,

einfach an sich Messer wetzen,
bis es einem selbst so scheint,
als würde man sich nicht verletzen,
so lange es kein andrer meint,

so steh’n sie scheinbar fest im Leben,
ohne festen Grund und Kraft,
ihr steht Spalier, wenn sie aufgeben,
am gespannten Strick erschlafft,

so gehen sie von Schicht zu Schichten,
wünschen sich wohl nicht den Tod,
doch auf Morgen könnten sie verzichten.
Das beweist die Stille Not!

Wer riecht es von euch lieben Leuten,
was wirklich hier zum Himmel stinkt?
Warum steigt die Zahl der Therapeuten,
ohne das die Zahl der “Kranken” sinkt?

Ihr werdet es alsbald verstehen,
wenn das Leben lauter spricht,
wenn Märkte ohne Regeln gehen,
wenn die Wahrheitsflut einbricht,

wenn all die Dämme brechen,
wenn zu viel des Leides angestaut,
wenn kalte Tage sich in Strömen rächen –
wenn alles bricht, worauf ihr baut!

Dann wird aus Unheil? Vielleicht Segen!
Wenn ihr nämlich dann versteht:
Das Leben lässt sich nur in Ketten legen,
bis man verhungernd dran durchdreht!

Ihr könnt den Abstrich subtrahier’n vom Lachen,
bis kein Grund zur Freude bleibt –
oder: Wir stell’n uns vor, den Punkt zu machen,
damit man ihn setzt! Und Neues schreibt.


© Sebastian Deya


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